Auf Nürnberg-Besuch: Röhler hat Speerwerfen sexy gemacht

21.11.2017, 13:08 Uhr
80 Meter sind drin - auch im Schlaf, meint Vorzeige-Leichtathlet Thomas Röhler.

80 Meter sind drin - auch im Schlaf, meint Vorzeige-Leichtathlet Thomas Röhler.

Man muss Röhler gut beobachten, bevor man sicher sein kann, dass er nicht jede seiner Antworten ernst verstanden haben will. Eine eher alberne Frage aber beantwortet er dann doch überraschend seriös. Wie weit er denn derzeit werfen könne, wird er gefragt. Röhler sagt: "Man sollte mich schon nachts wecken können und 80 Meter sollten immer drin sein."

Leichtathleten zählen zu jenen Sportlern, die so lange alleine mit ihrem Trainer oder nur in kleinen Gruppen vor sich hin trainieren, dass sie beinahe dankbar wirken, wenn sich endlich jemand für ihren Sport interessiert. Seit dem Karriereende des herrlich grummeligen Dreispringers Charles Friedek gibt es in Deutschland keinen Leichtathleten, der nicht bereit wäre, freundlich von sich und seiner Disziplin zu erzählen.

Ein athletischer Glücksfall

Und dann gibt es noch Thomas Röhler, der ein Glücksfall für jene Sportart ist, die sich immerhin noch darauf berufen darf, bei Olympischen Spielen die Hauptrolle zu spielen, die bei Welt-, Europa- und Deutschen Meisterschaften immer noch lange ausgiebig von öffentlich-rechtlichen Sendern übertragen wird, die ansonsten aber kaum mehr wahrgenommen wird. Röhler ist ein Modellathlet, 1,91 Meter groß, 90 Kilogramm schwer. Ein Kraftpaket, aber ein schnelles, vergleichsweise leichtes Kraftpaket. Röhler kann reden. Röhler blickt weit über die 100-Meter-Linie hinaus, die in seinem Beruf noch als unerreichbarer Horizont gilt. Vor allem aber ist Röhler dazu bereit, Geschichten zu erzählen.

Kameramann in Gefahr

Zum Beispiel die Geschichte von dem Streichholz, das er 32 Meter weit geworfen hat. ZWEIUNDDREISSIG Meter. Diese Zahl steht seither in jeder Geschichte über den Thüringer. Dass er Olympiasieger ist, fünfmaliger Deutscher Meister, 2015 zum Beispiel im Nürnberger Leichtathletikstadion, das damals Grundig Stadion hieß und mittlerweile nach einem Fußballer benannt ist, natürlich auch.

Nur in dieser Geschichte steht, dass er am Montagmorgen in Jena Kreuzheben gemacht hat, "Bauch, Rücken" trainiert hat "und ein paar Spezialgeschichten". Dann ist er nach Nürnberg gefahren, um dort Werbung für eine Veranstaltung zu machen, die im Max-Morlock-Stadion am Wochenende 21./22. Juli (die Kugelstoßwettbewerbe werden wohl bereits am 19. Juli auf dem Hauptmarkt ausgetragen) stattfindet. Ein paar Wochen zuvor, als es noch nicht ganz so kalt war, posierte bereits sein Kollege Johannes Vetter vor und im Neuen Museum für das offizielle Plakat zu den Deutschen Leichtathletikmeisterschaften 2018 in Nürnberg. Speerwerfen ist wieder sexy – oder besser: so sexy wie nie. Auch das ist Thomas Röhlers Schuld.

Er ist gerade einmal 26 Jahre alt, gilt aber selbst zwischen diesen alten Finnen als Routinier in jedem Teilnehmerfeld. 2016 holte er bei den Olympischen Spielen in Rio de Janeiro die einzige deutsche Goldmedaille. Und im Mai 2017 verbesserte er in Doha den deutschen Rekord von Raymond Hecht um beinahe eineinhalb Meter auf 93,90 Meter. Sein Speer schlug ein wie eine Bombe – vor allem für einen Kameramann war das gefährlich, der Röhler offensichtlich unterschätzt hatte und nur knapp einem kuriosen Ableben entging.

Der Rekord aber hatte seine Konkurrenz nicht geschockt, sondern motiviert. Vetter verbesserte die Bestweite in Luzern auf 94,44 Meter. In London wurde er Weltmeister. Und auch die internationale Konkurrenz ließ sich von Röhler inspirieren. In London blieb dem weltbesten Speerwerfer der letzten Jahre der vierte Rang. "Als Olympiasieger lebt man langfristig. Wir wollten uns 2017 verbessern. Das haben wir in Doha ziemlich schnell, ziemlich eindrucksvoll geschafft. An diesem Tag haben wir uns die Freiheit genommen, uns verschiedene sportliche Experimente vorzunehmen und Dinge zu versuchen, die uns helfen sollen, 2020 möglichst wieder ganz oben auf dem Podest zu stehen. Nicht jede dieser Entscheidungen haben wir nach außen getragen. Wenn man am Ende des Jahres trotzdem als klare Nummer zwei der Welt dasteht, kann ich zufrieden sein."

Im Juli ist's wärmer

Am Ende seines Herbstbesuchs ist er wieder ernst geworden. Thomas Röhler weiß, was er kann. Er scheint zu wissen, dass er noch mehr kann. Im Juli wird er zurückkehren, vielleicht zum Duell der besten Speerwerfer der Welt. Sicher ist nur, dass es in Nürnberg dann warm genug sein wird.

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