Bayern-Coach Ancelotti lobt Münchens "Famiglia"

20.9.2016, 14:53 Uhr
Ancelotti mag keine Egoisten - und zählt auf mannschaftliche Verbundenheit.

© Peter Kneffel (dpa) Ancelotti mag keine Egoisten - und zählt auf mannschaftliche Verbundenheit.

Es ist ein sehr kurzer Dialog, der ein neues Kapitel im Leben von Carlo Ancelotti einläuten sollte: "Hallo Carlo, hier spricht Rummenigge" - "Hallo, Kalle." - "Guardiola geht zum Ende der Saison, und wir wollen dich haben." - "Gut. Mache ich."

So steht es im Vorwort zur deutschen Ausgabe von Ancelottis Biografie, die er am Montagabend in München vorstellt. So soll es sich zugetragen haben. "Es war eine sehr einfache Entscheidung", sagt Ancelotti, der neue Trainer des FC Bayern München, mit dem wohl ein neuer, ein wärmerer Wind weht beim deutschen Rekordmeister.

Bereut hat er die Entscheidung für die Bayern wohl noch nicht. Denn Ancelotti erzählt unumwunden, dass er sich jetzt schon durchaus vorstellen kann, seinen Aufenthalt in München auszudehnen. "Ich würde gern länger als zwei Jahre hier bleiben", sagt der Italiener, der bereits einen Dreijahresvertrag bis 2019 unterschrieben hat.

Titel statt Tortellini

"Es gibt Vereine, die sich wie ein Unternehmen anfühlen", erklärt er, "und Vereine, die sich wie eine Familie anfühlen. Hier ist es wie eine Familie." Allerdings gebe es ein Problem: "I have to say that Deutsch is sehr kompliziert", sagt Ancelotti in einem Sprachenmix. Er lacht - und das Publikum, in dem auch seine Frau Mariann Barrena McClay und Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger sitzen, lacht mit ihm.

Noch etwas habe ihm vor seinem Amtsantritt Sorgen gemacht: das Essen. Er stamme schließlich vom Bauernhof. "Wir haben an jedem einzigen Tag Schweinefleisch gegessen", sagt er. Schweinefleisch sei wirklich wichtig für ihn. "Aber zum Glück ist Schweinefleisch in Bayern ja auch sehr verbreitet." Der Sportjournalist und Autor Ronald Reng, der Ancelotti auf der Bühne interviewt, bringt es auf den Punkt: "Die Ernährung ist in dem Buch mindestens so wichtig wie der Fußball." Das Buch schließt dann auch mit dem Satz: "Im Ernstfall lieber Tortellini - aber am allerliebsten den Pokal."

Vom Bauernhof zum Bayern-Coach

Ancelotti beschreibt in seiner rund 230 Seiten starken Biografie seinen ungewöhnlichen Werdegang vom Bauernhof in der italienischen Provinz in die Top-Vereine der italienischen Liga - erst als Spieler, dann als Trainer - und schließlich auf die internationale Fußballbühne. Das Buch, das in Italien bereits 2009 erschien, habe er vor allem für seinen Freund und Fußball-Kollegen Stefano Borgonovo geschrieben. Er war 2013 an der Nervenkrankheit ALS gestorben.

Die Erlöse aus seiner Biografie sind für die Erforschung der tückischen Krankheit geplant. Trotz des traurigen Hintergrundes ist es ein unterhaltsames und streckenweise witziges Buch geworden. "Es ist eine Komödie", sagt Ancelotti, der zugibt, dass er sich schwer tut mit der Idee, eines Tages eine Nationalmannschaft zu leiten (für einen leidenschaftlichen Fußballer trainiere man da einfach zu selten).

"Fußball ist einfach"

Mit viel Humor erzählt der 57-Jährige, warum er den damaligen italienischen Superstar Roberto Baggio einst nicht in seinem Team haben wollte (passte nicht in sein System), warum das ein Fehler war (inzwischen wisse er, dass die Spieler wichtiger seien als das System).

Dafür verlangt er aber auch etwas von seinen Leuten: "Ich mag es nicht, wenn Spieler egoistisch sind", sagt er. "Ich will, dass sie bescheiden und selbstlos sind." Er verrät, dass er am Willen, eine neue Sprache zu lernen, die Professionalität eines Fußballers ablesen kann ("Wenn sie die Sprache nicht studieren wollen, sind sie nicht so fokussiert und nicht so professionell") und seine wichtigste Fußball-Weisheit: "Der wichtigste Teil des Erfolges sind die Beziehungen zu den Menschen", den Spielern und dem Team. Und: "Fußball ist einfach, Fußball ist ein Spiel."

Macht ist nicht alles

Er habe zwar die Macht, seinen Spielern zu befehlen, um 3.00 Uhr morgens an der Säbener Straße mit dem Training zu beginnen - das bringe aber nichts.

"Man muss elf Spielern eine Idee vom Fußball vermitteln - und sie überzeugen, dass die Idee gut ist."

Ancelotti ist übrigens nicht der erste Bayern-Trainer, der sich neben dem Platz literarisch betätigt. Sein Vorgänger Pep Guardiola las vor rund einem Jahr im Münchner Literaturhaus allerdings nicht aus einem eigenen Buch, sondern versuchte sich an Poesie. Er las Gedichte seines 2003 verstorbenen spanischen Landsmannes Miquel Marti i Pol.

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