Bayreuther Dopingjäger nehmen Kobalt ins Visier

8.2.2019, 16:44 Uhr
Schaut genau hin: Dopingjäger Fritz Sörgel betrachtet auch Studien der Kollegen kritisch.

© Foto: Daniel Karmann, dpa Schaut genau hin: Dopingjäger Fritz Sörgel betrachtet auch Studien der Kollegen kritisch.

Herr Sörgel, Wissenschaftler der Uni Bayreuth haben in einer Studie konstatiert, dass Kobalt so etwas wie das neue Epo wäre. Wie schätzen Sie diese These ein?

Sörgel: Kobalt greift in den Stoffwechsel so ein, dass es zu einer Erhöhung des Epo-Spiegels (Erythropoetin [Epo] ist ein Hormon für die Bildung von Erythrozyten, also roter Blutkörperchen, Anm.d.Red.) führt und damit die körperliche Leistungsfähigkeit steigert. Solche Untersuchungen sind wissenschaftlich interessant und bringen Leben in die Dopingdiskussion, weil Epo ja nach wie vor der spektakuläre, immer noch moderne Dopingstoff ist.

Schwingt da ein "Aber" mit?

Sörgel: Mehrere "Abers". Die Effekte bei den für die Studie gewählten Dosierungen von fünf und zehn Milligramm sind marginal. Und man muss sich fragen, ob es in diesen Dosierungen tatsächlich auch zu einer Leistungssteigerung kommt. Denn eine leichte Erhöhung des Epo-Spiegels, wie in Bayreuth beobachtet, sagt dazu erst mal nicht viel.

Erzielt man einen höheren Effekt, wenn man es höher dosiert? Gefördert wird so wohl die Sauerstoffversorgung des Muskels, also mehr Leistung.

Sörgel: Eine größere Dosis führt zu einer größeren Wirkung, das gilt so bei Arzneimitteln, in Grenzen allerdings.

Das Doping der Zukunft?

Und glauben Sie, dass es das Dopingmittel der Zukunft sein wird?

Sörgel: Es hat zumindest für den Hochleistungssportler einige Vorteile. Man muss nicht wie Drogenabhängige ständig Nadeln mit sich führen, kann nur Hotels mit Minibar nehmen, damit man den Stoff kühlen kann und billig ist Epo ja auch nicht gerade. In Zukunft geht’s dann mit einer Tablette, die man auch viel besser verstecken kann.

Wie schwierig oder einfach ist denn der Nachweis?

Sörgel: Die Methodik, wie man Kobalt bestimmt, funktioniert in Fachlaboren problemlos. Die Problematik in der Dopingverfolgung von Kobalt liegt woanders. Man ist auf Urin angewiesen und man muss dem Sportler sagen können, ab welcher Menge Kobalt es zu Dopingzwecken verwendet wurde. Eine ähnliche Situation hatten wir lange beim Koffein, dort haben wir gesagt, es gibt eigentlich keinen vernünftigen Ansatz eine Konzentration festzulegen, und deshalb wurde es 2003 zurecht von der Dopingliste genommen.

Aber nach wie vor werden doch die meisten Dopingtests mit Urin gemacht.

Sörgel: Ja klar, wenn einer ein Amphetamin oder ein Asthmamittel ohne ärztliche Genehmigung einnimmt und es dann im Urin auftaucht, gibt‘s ja nichts zu diskutieren. Er kriegt eine Sperre. Und wenn man Epo im Urin findet ist auch alles klar.

Aber warum dann diese Untersuchung in Bayreuth?

Sörgel: Doper spritzen sich das Epo, das aus einem Biotechnologiekessel kommt, es ist dem körpereigenen Epo ähnlich, aber nicht identisch. Deswegen kann man es ja überhaupt auch nachweisen und vom körpereigenen unterscheiden. Das ist die Grundlage für die Sperre.

Und wenn man Kobalt nimmt, wird körpereigenes Epo produziert?

Sörgel: Das kann man zwar nachweisen, aber Doping wäre ganz schwer und nur mit anderen Zusatzmessungen zu beweisen. Also muss man den Verursacher des Epo-Anstiegs, das Kobalt, nachweisen.

Gibt es sonst noch Aspekte?

Sörgel: Einen interessanten juristischen. Das Anti-Doping-Gesetz würde, wenn man Kobalt ab einer bestimmten Konzentration auf die Dopingliste setzt, greifen und für einen – lassen Sie es mich mal so bezeichnen – Trivialstoff eine staatsanwaltschaftliche Ermittlung auslösen.

Ihre Bayreuther Kollegen haben ja das Kobalt in Form von Nahrungsergänzungsmitteln getestet?

Sörgel: Richtig. Und wenn ein Leistungssportler sich zu Hause "ein bisschen Vorrat" (schmunzelt) davon anlegt, hat er die Polizei im Haus.

Wie bitte ?

Sörgel: Komisch, oder? Das konstruiere ich gar nicht, der einzige "Dopingfall" mit Kobalt traf in der Tat einen österreichischen Wintersportler, bei dem man Kobalttabletten fand. Die Sperre erfolgte nicht aufgrund des Urinbefundes.

"Ein paar Tabletten können schon das Herz ruinieren"

Da wird mancher sagen, das ist doch übertrieben.

Sörgel: So einfach ist das nicht, denn diese Untersuchung in Bayreuth hat ja noch einen anderen Aspekt. Wenn Laien das lesen, sagen sie, ist doch toll, jetzt kann ich endlich meine Leistungsfähigkeit im Amateur- oder Breitensport mit einer einfachen Tablette oder Kapsel erhöhen. Und raten Sie mal, was dann passiert?

Die Wirkung ist zu schwach, er nimmt einfach mehr Kobalttabletten, Nahrungsergänzungsmittel schaden doch nichts!

Sörgel: Von wegen, Sie können sich schon bei ein paar mehr Tabletten das Herz ruinieren. Deswegen müssen wir versuchen, Aufklärung zu betreiben.

Es bleibt spannend im Anti-Dopingkampf.

Sörgel (lacht): Ja, ich hatte mir schon Sorgen gemacht, dass es langweilig werden könnte. Aber die Diskussion um Kobalt und der Fall des deutschen Skifahrers Stefan Luitz, den die Verbandsärzte dooferweise mit einer Sauerstoffflasche vor dem Wettbewerb rumlaufen ließen und der sich den Sauerstoff vor den Konkurrenten auch noch quasi öffentlich zuführte, zeigt, dass wir uns jetzt scheinbar vermehrt um Trivialstoffe kümmern müssen. Sauerstoff in reiner Gasform ist beim Skiverband verboten, bei anderen Sportarten nicht.

Irgendwann wird bestimmt auch noch Wasser verboten?

Sörgel: Marathonläufer durften noch 1904 bei den Olympischen Spielen in St. Louis während des Laufes kein Wasser zu sich nehmen, gegen einen Cocktail aus Kraftbrühe, rohem Ei, Brandy und einer Prise Strychnin war hingegen nichts einzuwenden. Da schaut die Marathonszene heute leicht anders aus, oder? (lacht).

 

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