Böses Club-Erwachen schon bei der Premiere

29.7.2015, 16:43 Uhr
Einsam an der Dreisam: Trainer René Weiler wirkte beim 3:6 konsterniert.

© Sportfoto Zink Einsam an der Dreisam: Trainer René Weiler wirkte beim 3:6 konsterniert.

Trainer René Weiler stand derweil kopfschüttelnd, die Arme in die Hüften gestemmt, am Spielfeldrand und wirkte dabei wie ein Kind, das bei der Bescherung nur leere Schachteln unterm Christbaum gefunden hat.

Er sei gespannt, was seine Mannschaft in Freiburg zu leisten im Stande sei, hatte der Trainer vor dem Auftakt gesagt. Nach 90 turbulenten Minuten wirkte Weiler nur noch konsterniert und sogar ein bisschen geschockt. Immer wieder hatte Weiler vor einer zu hohen Erwartungshaltung gewarnt und auf die personellen Engpässe hingewiesen – und war für seine unpopulistische, aber realistische Einschätzung sogar von Sportvorstand Martin Bader gerügt worden.

Wie desolat sich seine Mannschaft dann vor allem in der ersten Hälfte an der Dreisam präsentieren sollte, dürfte aber auch der Schweizer kaum geahnt haben. „Da ist man schon auch sprachlos“, sprach Weiler, nachdem er nicht mehr sprachlos war, und haderte mit der Art und Weise dieser deftigen Pleite: „Ich bin enttäuscht, dass wir das Spiel nicht so angenommen haben, wie es in Freiburg nötig ist. Das gibt mir schon zu denken.“

Polak: "Eine Katastrophe"

Gerade mal eine knappe Viertelstunde der neuen Saison hatte der 1. FCN benötigt, um jegliche dezente Aufbruchstimmung der wenigen Berufsoptimisten wieder im Keim zu ersticken. Letzte Saison hatte man damit wenigstens bis zum zweiten Spiel, dem traumatischen 1:5 in Fürth, gewartet. Den desaströsen Gesamteindruck vermochte auch die zwischenzeitliche Aufholjagd von 0:4 auf 3:4, als die Mannschaft zumindest die erwartbare Moral bewies, nicht zu kaschieren. „Die ersten zwölf Minuten waren eine Katastrophe“, klagte Kapitän Jan Polak, der zunächst wie erwartet nur auf der Bank saß, dies aber explizit nicht als Ursache für das kollektive Chaos gewertet wissen wollte.

Vom Anpfiff weg wirkte Weilers Elf fahrig, überrumpelt, unsortiert – die beiden frühen Foulelfmeter, just von den hoffnungsvollen, aber nun völlig überforderten Neuzugängen Rurik Gislason (8.) und Hanno Behrens (11.) „hergeschenkt“ (Weiler), waren eben kein blöder Zufall, sondern das Resultat „krasser individueller Fehler“ in einem Abwehrtorso, dessen wahlweise hektisches oder phlegmatisches Agieren das ganze Team ansteckte. „Kindergartenmäßig“ habe er sich etwa vor dem 3:5 verhalten, gestand der vom offensiven Mittelfeldspieler zum Rechtsverteidiger umfunktionierte Kevin Möhwald zerknirscht. Sein Traumtor zum 1:4 interessiere nach so einem Spiel „keine Sau“.

Man mochte dem jungen Mann aber nicht wirklich böse sein, musste er doch auf einer Position spielen, die er noch nie zuvor in einem Pflichtspiel bekleidet hatte. „Er hat heute Lehrgeld gezahlt“, kam auch Weiler nicht umhin, dezent an die Problematik auf den Außenpositionen – links muss der hüftsteife Dave Bulthuis, der sich eher im Abwehrzentrum stabilisiert hatte, Rekonvaleszent Laszlo Sepsi vertreten – zu erinnern, auch wenn er das keinesfalls „als Ausrede“ verstanden wissen wollte.

Aber es ist ja Fakt: Mit Ondrej Celustka und Tobias Pachonik hat der Club – aus Gründen – zwei gelernte Rechtsverteidiger weggeschickt, es aber bislang nicht geschafft, adäquaten Ersatz aufzutreiben. Selbst wenn der geplante Deal mit Wunschkandidat Martin Linnes doch noch klappen sollte, wäre diese Planstelle wohl recht dünn besetzt. Auch in der Innenverteidigung wird es eng, sollten Even Hovland oder Petrak (der sich aber eher als Sechser sieht) einmal ausfallen. Und im Angriff muss Weiler mit einem wenig durchschlagskräftigen Flügelstürmer wie Danny Blum herumexperimentieren, weil zum formschwachen und lustlos wirkenden Jakub Sylvestr echte Alternativen fehlen. Dafür herrscht im Mittelfeld fast ein Überangebot an Spielern. Kaderplanung á la Club.

Doch alle Warnsignale aus der holprigen Vorbereitung wurden geflissentlich ignoriert. Auch wenn Bader gebetsmühlenartig betont, dass alle Transfers stets in enger Absprache mit Weiler und Fußballchef Wolfgang Wolf getätigt wurden, ist es ein offenes Geheimnis, dass auch mindestens ein Spieler geholt wurde, den die sportliche Leitung gar nicht wollte. Weilers Forderungen nach einem Torjäger – vielleicht in der Art des Hattrickhelden Nils Petersen, den sich Freiburg übrigens trotz Abstiegs leisten konnte – verhallten derweil ungehört; wohl, weil nach dem entgangenen Nachschlag aus dem Gündogan-Transfer doch schlicht das Geld fehlt.

Es kracht und knirscht

Man lief also gewissermaßen sehenden Auges ins Verderben. Und es droht eine Saison, die ähnlich trostlos werden könnte wie die vergangene. Mit einer verunsicherten Mannschaft als Spiegelbild eines Vereins, dessen Machtgefüge an allen Ecken und Enden kracht und knirscht und der sich durch interne Querelen in Aufsichtsrat und sportlicher Leitung selbst zu lähmen scheint. Aber man hat ja ein schmuckes Funktionsgebäude, das tollste Stadionheft, die cleversten Marketingideen. Nur mit dem Fußball, da geht es in Nürnberg seit über zwei Jahren ungebremst bergab. Das Heimspiel am Freitag gegen unbequeme Heidenheimer gerät nun schon am zweiten Spieltag zur brisanten Nagelprobe. Vielleicht sogar für den ganzen Verein.

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