Brose-Baskets-Boss: "Keine Entscheidung gegen Bamberg"

23.10.2015, 06:00 Uhr
"Die mediterrane und die eher rationale Art vertragen sich sehr gut": Andrea Trinchieri und Rolf Beyer kommen gut miteinander klar.

© Sportfoto Zink "Die mediterrane und die eher rationale Art vertragen sich sehr gut": Andrea Trinchieri und Rolf Beyer kommen gut miteinander klar.

Herr Beyer, wir erreichen Sie gerade auf dem Heimweg aus Hessen. Haben Sie Karsten Tadda persönlich nach Gießen gebracht?
Rolf Beyer: Nein, das bekommt er alleine hin. Ich war bei einer Gremiumssitzung der Basketball-Bundesliga, da treffen wir uns immer möglichst zentral, weshalb der Frankfurter Flughafen gut gelegen ist.

Der Wechsel von Karsten Tadda wirkte relativ spontan, kam die Entscheidung tatsächlich so überraschend?
Beyer: Er ist tatsächlich erst am Montag auf uns zugekommen. In Gießen haben sie mit Verletzungspech zu kämpfen, Karsten war bei uns mit seiner Spielzeit nicht glücklich, insofern war das die passende Koinzidenz.

Vergangene Saison war Tadda noch Kapitän des Teams, mit dem dienstältesten Bamberger geht auch ein Stück Identität.
Beyer: Absolut. Er ist eine Identifikationsfigur für die Brose Baskets, aber wir haben natürlich auch unsere Prioritäten. Auf seiner Position gibt es große Konkurrenz, insofern ist der Schritt für beide Seiten nachvollziehbar, zumal der Wechsel ja auch ihn weiterbringen kann. In Gießen wird er mehr Verantwortung übernehmen müssen.

Karsten Tadda war eine echte Ausnahme, die Vertragslaufzeiten im Basketball sind immer noch sehr überschaubar, auch nach dem Gewinn der Meisterschaft hat die Mannschaft wieder einen großen Umbau erlebt.
Beyer: Unsere Strategie ist, dass wir längerfristig planen und diese Legionärsmentalität zurückdrängen. Es ist nicht unser Ziel, jedes Jahr neun von zwölf Spielern auszutauschen. Auch das Nachwuchsprogramm weiter zu stärken, war eine Entscheidung in diese Richtung.

In Bamberg spielt Identität eine größere Rolle als an anderen Standorten, es geht hier noch etwas familiärer zu. Wie kann man sich das als Verein bewahren?
Beyer: Wir bewegen uns da natürlich in einem Spannungsfeld, das zu bewahren und gleichzeitig bestimmte Ziele zu erreichen. Es gibt ein Anspruchsdenken des Vereins, der Fans, der Sponsoren und wahrscheinlich wird man es nie allen gleich recht machen können. Das Basketballpublikum hat hier aber einen großen Sachverstand, insofern wird es die meisten Entscheidungen nachvollziehen können.

Viele Vereine bemühen sich, mit Kampagnen dieses familiäre Gefühl zu erzeugen, aber ist das überhaupt möglich, wenn das nicht von Natur aus vorhanden ist an einem Standort?
Beyer: Wir tauschen uns deshalb immer wieder mit den Fanclubs aus. Dass wir in dieser Saison noch einmal mehr Dauerkarten verkauft haben, spricht dafür, dass die Akzeptanz da ist. Nichtsdestotrotz müssen wir auch über die Stadtgrenzen hinausdenken, weshalb wir zum Beispiel gerne ein oder zwei Euroleague-Spiele in Nürnberg austragen wollen, was bei den Terminen in dieser Saison allerdings schwierig werden könnte. Das ist keine Entscheidung gegen Bamberg, wir wollen uns als Marke einfach weiterentwickeln.

Die Nürnberger Basketballgemeinde steht diesen Plänen nicht nur positiv gegenüber.
Beyer: Das kann ich nachvollziehen, aber ich glaube nicht, dass wir uns da in einer Konkurrenzsituation befinden. Im Gegenteil: Ich glaube, dass beide Seiten davon profitieren können, wenn wir hier ein europäisches Spitzenspiel veranstalten.

Bevor wir auf den internationalen Wettbewerb zu sprechen kommen: Sind Sie zufrieden, wie sich das neue Team bislang in der Bundesliga schlägt?
Beyer: Die Niederlage gegen Gießen war unnötig, auch etablierte Spieler haben da nicht ihre Leistung gebracht, vielleicht haben sie den Gegner unterschätzt - abgesehen davon, finde ich, dass es der Liga gut tut, wenn auch mal die Underdogs einen der Großen schlagen. Ansonsten sind wir mit der Entwicklung der Mannschaft bislang sehr zufrieden, die Chemie stimmt. Es ist schön zu sehen, dass Patrick Heckmann, der vom US-College kommt, schnell die europäische Härte angenommen hat.

Sind Sie auch mit der Entwicklung ihres neuen Centers Gabriel Olaseni zufrieden, für den Transfer wurden die Brose Baskets viel kritisiert.
Beyer: Ja, auch mit ihm sind wir zufrieden, wir nehmen uns die Zeit, ihn zu entwickeln.

Was ist möglich, wenn sich die Mannschaft gefunden hat?
Beyer: So selbstbewusst wie die Bayern sind wir nicht, deshalb sprechen wir nicht gleich von der Meisterschaft, sondern davon, dass wir gerne das Finale erreichen würden. In der Euroleague wäre es bereits ein großer Erfolg, unter die besten 16 Mannschaften zu kommen.

Auch Sie mussten sich vergangene Saison in Ihrer neuen Rolle erst einmal finden.
Beyer: Es war vielleicht ganz gut, dass ich gar keine Zeit hatte, um viel nachzudenken. Der Rückzug unserer beiden Geschäftsführer war ein großer Einschnitt, eine Weile habe ich dann noch mit Wolfgang Heyder zusammengearbeitet – keine ganz einfache Phase. Er hat sehr viel aufgebaut, manche Dinge muss man nur weiterentwickeln, manche Themen gehen wir jetzt ganz anders an. Anfangs habe ich jeden Tag etwas gelernt, vor allem das Geschäft mit den Spielerberatern war für mich neu, wobei sich darum inzwischen zum Glück unser Sportdirektor Daniele Baiesi kümmert. Mir macht die Aufgabe immer noch viel Spaß, ich habe mir aber noch keine Gedanken gemacht, wie lange ich sie ausüben werde.

Gibt es Anzeichen, die für ein Ende sprechen?
Beyer: Nein, nein, in diesen Satz muss nichts hinein interpretiert werden. Ich mache mir nur keine Illusionen, im Sportgeschäft geht es oft schneller als man denkt. Bis jetzt konnte ich den Ansprüchen des Clubs gerecht werden.

Sie gelten als eher sachlich-nüchterner Arbeiter, Bambergs Trainer Andrea Trinchieri dagegen als sehr extrovertierte Natur – verträgt sich das im Arbeitsalltag?
Beyer: Ich glaube, das ist eine ideale Kombination. Als wir beide vor einem Jahr angefangen haben und die Stelle des Sportdirektors noch nicht neu besetzt war, haben wir jeden Tag miteinander zu tun gehabt. Die mediterrane und die eher rationale Art vertragen sich sehr gut, würden dagegen auf diesen Positionen zwei sehr extrovertierte Menschen aufeinander treffen, hätten wir glaube ich ein Problem.

Der Trainer hat die Euroleague-Gruppe als „Höllengruppe“ bezeichnet, der Auftakt gegen Malaga ging daneben, weiterkommen wollen die Brose Baskets aber trotzdem.

Beyer: Die Konkurrenz ist sehr stark, der Abstand zu ZSKA Moskau wahrscheinlich relativ deutlich, aber selbst die wollen wir zu Hause schlagen. Das Potenzial um bei den anderen Gegnern auf Augenhöhe mitzuhalten, haben wir, auch wenn wir mit Nikolaos Zisis und Nicolo Melli nur zwei Spieler mit Euroleague-Erfahrung im Team haben. Um weiterzukommen, sollten wir alle vier Heimspiele gewinnen und werden auch auswärts etwas reißen müssen. So gesehen wird die Partie gegen Istanbul ein echter Gradmesser.   

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