Brose-Bilanz: Die zwei Gesichter des Basketball-Riesen

9.1.2018, 17:45 Uhr
Brose-Bilanz: Die zwei Gesichter des Basketball-Riesen

© Foto: Issler/Zink

Wer schon öfter beobachtet hat, wie leidenschaftlich Andrea Trinchieri über Schiedsrichter schimpft, der kann sich das eigentlich nicht vorstellen: Andrea Trinchieri als Schiedsrichter. Vergangene Woche wurden seine Basketballer aber tatsächlich Zeuge von diesem Rollentausch. Bei einer Übungseinheit überließ es der Italiener seinen Spielern, sich eine passende Taktik zurechtzulegen, sich selbst zu kritisieren und wenn nötig, selbst Auszeiten zu nehmen. Der Trainer trat einen Schritt zurück und war einfach nur Schiedsrichter beim Spiel Fünf gegen Fünf.

Das Ergebnis ließ sich am Tag danach beobachten. Zwar verlor Bamberg in der Euroleague gegen Khimki Moskau knapp mit 70:74, aber immerhin waren sie wieder wie eine echte Mannschaft aufgetreten. "Jeder hat für jeden gekämpft", stellte Trinchieri danach fest. "Das ist in der momentanen Situation wichtig. Natürlich sind wir sauer über die Niederlage, aber es ist ein Spiel, auf dem sich aufbauen lässt."

Die momentane Situation. Bis zum knappen 80:77-Erfolg gegen Ulm am Sonntagabend hatten Bambergs Basketballer sechs der letzten sieben Spiele verloren, es waren Niederlagen gegen Real Madrid und gegen das russische Spitzenteam dabei, aber eben auch gegen Oldenburg und Bayreuth; Teams, die sie in den vergangenen Spielzeiten meistens nicht nur besiegt, sondern dominiert haben. Trinchieri versuchte gegenzusteuern, indem er das tat, was er seit seinem Dienstantritt in Bamberg vor dreieinhalb Jahren tut: ein "sehr intensiver Trainer mit viel Nachdruck" sein, wie es Geschäftsführer Rolf Beyer beschreibt.

Diesmal übertrieb es der impulsive Trinchieri aber mit seinen Schimpftiraden. Als er begriff, dass das Oberfranken-Derby nicht mehr zu gewinnen war, mussten sich Augustine Rubit und Maodo Lo Sätze anhören, die nicht nur ein bisschen unter die Gürtellinie gingen. "Ich habe mich danach selbst gehasst, ich habe überreagiert", stellte Trinchieri drei Tage später reumütig fest und bewies damit, dass er mit seinem Hang zur anschaulich vorgetragenen Kritik nicht vor sich selbst Halt macht.

Kritik an Trinchieri

Vorausgegangen waren allerdings auch Gespräche zwischen dem Cheftrainer und der Vereinsführung. Dass die zuweilen harschen Ansprachen die Mannschaft zuletzt nicht besser gemacht hatten, sondern im Gegenteil, eher verunsicherten, ist auch den Vorgesetzten von Trinchieri nicht verborgen geblieben. "Es ist gut, dass sich alle reflektieren", sagt Beyer dazu. Dass Trinchieri im Training leisere Töne angeschlagen hat, war ein erster Schritt.

Die Zwischenbilanz fällt "sehr gemischt" aus, sagt Beyer nach der Hälfte der Saison. In der Euroleague haben sie den Anschluss an die Playoff-Plätze verloren, in der Bundesliga mussten sie bereits sechs Niederlagen einstecken – so viele wie noch nie seit der Saison 2013/14, die mit dem frühen Aus in der Finalrunde und der Entlassung von Chris Fleming endete. Zuvor war Fleming viermal in Folge Meister geworden mit Bamberg.

Das Zyklus-Ende?

Wie lange funktioniert ein Trainer-Zyklus? Auch Beyer hat sich diese Frage gestellt, will aus nachvollziehbaren Gründen jetzt aber noch nicht darüber reden, was das für die kommende Saison bedeuten könnte. "Wir haben Andrea viel zu verdanken", sagt der Geschäftsführer; unter anderem drei Meisterfeiern, den Pokalsieg 2017, rauschende Europapokalnächte und dass sie den FC Bayern wieder von der Spitze verdrängt haben.

Aktuell führen die Münchner die Meisterschaft mit nur einer Niederlage aber souverän an, dass sich beide Teams bereits im Pokal-Viertelfinale gegenüberstehen, trifft Bamberg zu einem ungünstigen Zeitpunkt.

"Wir haben noch nicht die Konstanz, die wir kennen und die wir brauchen", sagt Beyer. So ähnlich formulierte es auch Trinchieri am Sonntagabend, als er über Ricky Hickman sprechen sollte. Gegen Ulm spielte der Guard groß auf (21 Punkte, 8 Assists), an anderen Tagen taucht er unter. "Es ist wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde", sagte der Trainer über die zwei verschiedenen Gesichter – und beschrieb damit das ganze Team in dieser Saison recht gut.

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