Büskens: "Irgendwann schellt dann halt mal der Wecker"

30.1.2013, 06:58 Uhr
Der Kuschelkurs ist vorbei. Beim Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga, der Spielvereinigung Greuther Fürth, verlangt Trainer Mike Büskens von seinen Spielern mehr Eigeninitiative.

© Sportfoto Zink Der Kuschelkurs ist vorbei. Beim Tabellenletzten der Fußball-Bundesliga, der Spielvereinigung Greuther Fürth, verlangt Trainer Mike Büskens von seinen Spielern mehr Eigeninitiative.

Grauer Himmel, Nieselregen, das perfekte Wetter zur Krise. Als Mike Büskens beim Vormittagstraining der Spielvereinigung zwei Fotografen bemerkt, die auf ihn anlegen, ruft er ihnen zu: „Ihr habt wohl gedacht, ich bin schon entlassen.“

Büskens ist noch da. Kurz nach fünf Uhr morgens ist er in Gelsenkirchen losgefahren und 460 Autobahnkilometer später an seinem Arbeitsplatz im Ronhof erschienen, genauso wie an den meisten Dienstagen seit Dezember 2009. Die kurze Auszeit bei der Familie scheint ihm gutgetan zu haben. Trotz der langen Autofahrt wirkt der 44-Jährige frischer als am Samstag direkt nach der 0:3-Heimniederlage gegen Mainz 05.

Nur acht Monate sind vergangen, seit der Trainer auf dem Rathausbalkon für den Aufstieg in die Bundesliga gefeiert wurde, seit ihm ganz Fürth zu Füßen lag. Jetzt fordern manche seinen Rauswurf. Dass 17 sieglose Spiele in Folge keine Konsequenzen haben sollen, mag selbst im relativ geduldigen Anhang des Kleeblatts nicht mehr jedem einleuchten. Präsident Helmut Hack fürchtet inzwischen um das Ansehen des Vereins.

Blumige Metaphern

Mit dem Rücken zur Wand bemüht sich Büskens, nicht nur Gelassenheit, sondern auch Entschlossenheit auszustrahlen. Dabei ist ihm sein Credo im Weg, niemals öffentlich Kritik an einem seiner Spieler oder an Vereinsfunktionären zu üben. Er flüchtet sich in blumige Metaphern, die allerhand Raum für Interpretationen lassen. „Wenn ich ein Haus heize“, erklärt Büskens beispielsweise, „gleichzeitig aber Fenster und Türen geöffnet werden, wird es halt nicht warm.“

Keine Frage: Der Heizer ist er selbst. Wer seiner Ansicht nach im Ronhof für Durchzug sorgt, bleibt unklar. Eigentlich kommen dafür aus dem Blickwinkel des Trainers nur bestimmte Spieler und der zuletzt etwas von ihm abgerückte Präsident infrage. „Es geht ums große Ganze, dafür muss jeder von seinem Ego etwas abgeben“, fordert Büskens.

Der einstige Mittelfeldakteur, den die Fans auf Schalke vor allem wegen seiner emotionalen Spielweise liebten, mag zwar niemanden aus der Mannschaft namentlich an den Pranger stellen, aber auf die Rolle als Sündenbock hat er offenbar auch keine Lust mehr. Dem Training geht gestern eine rund 20-minütige Aussprache voraus, die wohl mehr eine Ansprache ist. Später erklärt Büskens: „Aus dieser Traumwelt musst du als Spieler erwachen. Da gibt es vielleicht noch die Schlummertaste, aber irgendwann schellt dann halt mal der Wecker.“

Um seine Drohung noch deutlicher zu machen, verweist er auf die jüngste Ausgabe des Fachmagazins kicker. Darin wird eine Studie ausgebreitet, nach der die meisten Fußballprofis nach ihrer Karriere eben nicht ausgesorgt haben. Das Foto dazu zeigt einen Spieler, dessen Trikot den Namenszug „Hartz“ und die Rückennummer „4“ trägt.

Einer der Hauptadressaten dieser Botschaft ist sicher Sercan Sararer. Der türkische Nationalspieler hatte zu Beginn der Rückrunde via Bild große Taten angekündigt, um anschließend noch schlechter zu spielen als vorher. Wenn Büskens jetzt wirklich durchgreift, dürfte für Sararer am Samstag in der Fürther Elf kein Platz mehr sein. Felix Klaus und Jung Bin Park stehen auf dem rechten Flügel als Alternativen bereit.

Werder-Talent im Visier

Während kurz vor Transferschluss noch Florian Trinks (20) von Werder Bremen II fürs Mittelfeld verpflichtet werden soll, lassen sich Argumente für radikale Schnitte in allen Mannschaftsteilen finden. Büskens kann Max Grün wieder für Wolfgang Hesl ins Tor stellen, im Angriff Nikola Djurdjic und Ilir Azemi aufbieten; er kann sogar in der Innenverteidigung bislang unantastbare Häuptlinge wie Mergim Mavraj oder Thomas Kleine durch den ewig geduldigen Lasse Sobiech ersetzen. Büskens kann im erkalteten Haus des Kleeblatts keinen Stein auf dem anderen lassen — nichts würde ihm vor seinem persönlichen Heimspiel auf Schalke übler genommen als stures Weiterwurschteln.

Wie berichtet, will Präsident Helmut Hack bei der Suche nach den Ursachen für die sportliche Misere eine „Tiefenbohrung“ ansetzen. Das Treffen mit dem Trainer findet heute Abend statt. Dass es dabei um seine Ansichten zu Taktik und Aufstellung geht, vielleicht sogar um seinen Job, schließt Büskens freilich nonchalant aus. „Ich war gestern beim Zahnarzt, tiefer als da wird bestimmt nicht gebohrt.“

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