CHL-Wahnsinn: Ice Tigers schlagen sensationell Oulun Kärpät

9.9.2018, 19:31 Uhr
Trotz Rückstand drehten die Ice Tigers die Partie gegen die favorisierten Finnen.

© Roland Fengler Trotz Rückstand drehten die Ice Tigers die Partie gegen die favorisierten Finnen.

Als die Ice Tigers frischgeduscht den langen Tunnel in der Oulun Energia Areena entlanggewandert kamen, war den Mienen nicht anzusehen, was da eine halbe Stunde zuvor auf dem Eis passiert war. Im Eishockey hält man sich nie lange mit der Vergangenheit auf - und wenn doch, lässt man sich das anmerken. Dieses 3:9 hatte natürlich wehgetan. Sie hatten versucht, das Tempo von Kärpät Oulu mitzugehen, sie hatten es mit Härte versucht und letztlich mit Aggressivität, stoppen konnten sie den finnischen Meister nicht. Neun Tore hatte eine Ice-Tigers-Mannschaft zuletzt vor zehn Jahren kassiert, damals hatte sie allerdings 10:9 in Iserlohn gewonnen. Ein Vorteil dieses Sports aber ist, dass man kurz durchschnauft und es besser machen kann.

Am Freitag war das der Mannschaft von Kevin Gaudet gelungen. Das 4:3 nach Verlängerung gegen Hradec Kralove brachte zwei wichtige Punkte und die vermeintlich komfortable Ausgangssituation, mit zwei Siegen am 9. Oktober bei den und am 16. Oktober gegen die Rouen Dragons, ins Achtelfinale einziehen zu können. Diese einfache Rechnung lässt jedoch außer Acht, dass der französische Meister nach dem 2:0 gegen Mountfield HK dann selbst noch Chancen auf eine Verlängerung seiner Europareise hat. Wichtiger noch war dem nordamerikanisch geprägten Team um den olympischen Silbermedaillengewinner Patrick Reimer, Kärpät Oulu am Sonntag zu zeigen, dass sich die Ice Tigers effektiver zu wehren wissen als durch Kniechecks, schnell unterbundene Boxkämpfe und beleidigte Kritik am Schiedsrichter.

Kämpferische Leistung

In Nürnberg besannen sie sich spätestens im Schlussdrittel auf ihre noch immer größte Qualität: Willensstärke. Kärpät Oulu führte bereits 3:1, als der bis dahin so unauffällige, vermeintliche Top-Zugang Will Acton das Spiel mit zwei Toren und einer Vorlage alleine drehte. Das 4:3 (1:1, 0:2, 3:0) aber war letztlich das Ergebnis der kämpferischen Leistung einer stolzen Mannschaft.

Auch auf der kleineren Eisfläche der Arena dominierte Kärpät mit seinen wieselflinken Spielern. Zwischendurch schien es zuweilen, als machten sie sich einen Spaß daraus, die Ice Tigers laufen zu lassen. Zwei Minuten dauerte im ersten Drittel ein Power-Play von Oulu - ohne dass ein Nürnberger auf der Strafbank saß und ohne dass es zu einem Abschluss kam. Zwischendurch wechselten die Gäste sogar einen kompletten Block. Dass die Ice Tigers auch im vierten CHL-Spiel noch von der Linie der Schiedsrichter überrascht schienen, trug zum Ungleichgewicht bei. Chris Brown, am Freitag noch zweimaliger Torschütze, leistete sich ein überflüssiges Haken. Und als die Strafe bereits angezeigt war, hakte auch Leo Pföderl noch. Die doppelte Unterzahl verteidigten die Kollegen dann stark – bis Shaun Heshka zum Schuss kam und Andreas Jenike keine Chance ließ (6.). Wie gegen Hradec Kralove aber korrigierte Brown seinen Fehler selbst. Der US-Amerikaner profitierte wieder von einem herrlichen Querpass von Brandon Buck (10.).

Großer Jubel am Ende

An der Überlegenheit von Oulu änderte das nichts. Beim 2:1 hatte Kärpät aber Glück, dass Buck den Puck beim Versuch das Überzahlspiel aufzubauen, kurz nach der ersten Eisaufbereitung in einer Pfütze liegenblieb. Michal Kristof nahm die Scheibe auf und spielte den erfahrenen Mika Pyorälä frei (22.). Und als der Verteidiger Lasse Kukkonen, das Opfer des Kniechecks, für den Philippe Dupuis für zwei Partien gesperrt wurde, im Power-Play traf, schien das Spiel eigentlich entschieden zu sein. Bei Fünf-gegen-Fünf dominierten die Finnen, in Über- und Unterzahl erzielten sie ihre Tore.

Aber auch diese neuformierte Nürnberger Mannschaft hat kein Einstellungsproblem. Will Acton legte den Puck bei einem Alleingang offenbar absichtlich am ehemaligen NHL-Torhüter Jussi Rynnäs und dem Tor vorbei, um den Abpraller über die Linie zu drücken. Letztlich war es Brandon Segal, der die Scheibe ins Tor stocherte (42.). Noch schöner war Actons 3:3, der Kanadier überwand Rynnäs aus spitzem Winkel auf der Stockhandseite. Lauter bejubelt wurde nur noch sein 4:3 am Ende eines Power-Plays. Acton verwertete einen Abpraller - ein Allerweltstor, mit dem er die Arena stolz machte (56.).

Bemerkenswert war, wie Kärpät reagierte. Die Gäste versuchten in den Schlussminuten (vergeblich) zu provozieren. Nürnberg kann in Europa also doch alles, sogar den finnischen Meister frustrieren.

Nürnberg: Jenike; Aronson/Festerling, Jurcina/Bender, Stephan/Weber, Grosse - Pföderl/Buck/Brown, Reimer/Acton/Alanov, Segal/Bast/Weiß.
Oulu: Rynnäs; Heshka/Ohtamaa, Hakanpää/Kivihalme, Niemelä/Kukkonen, Ronkainen - Leskinen/Lasu/Lindsten, Heponiemi/Kupari/Pyorälä, Koblizek/Kristof/Ikonen, Metsävainio/Karvinen/Humaloja, Sailio. Tore: 0:1 Heshka (5:23/5-3), 1:1 Brown (9:13), 1:2 Pyorälä (21:07/4-5), 1:3 Kukkonen (34:04/5-4), 2:3 Segal (41:06/4-5), 3:3 Acton (46:49), 4:3 Acton (55:17/5-4). - Schiedsrichter: Snasel (Tschechien), Hunnius (Berlin). - Zuschauer: 4421. Strafminuten: 14 - 12.

Hier gibt es die Partie zum Nachlesen:

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