Der Club in Not: Finanzprobleme plagen den FCN schon lange

9.6.2016, 05:58 Uhr
Club-Vorstand Michael Meeske ist beim hoch verschuldeten FCN als Finanzexperte gefordert.

© Sportfoto Zink Club-Vorstand Michael Meeske ist beim hoch verschuldeten FCN als Finanzexperte gefordert.

Wer Lust hat, kann die Zahlen und Anmerkungen jederzeit nachlesen. Der letzte Geschäftsbericht von Ralf Woy als Finanzvorstand des 1. FC Nürnberg ging am 30. September 2014 an die Öffentlichkeit. "Club wirtschaftlich auf gutem Weg" ist die Pressemitteilung überschrieben, eine Behauptung, die die dargestellten Ergebnisse auch durchaus rechtfertigten. Der Jahresüberschuss belief sich auf rund 400.000 Euro nach Steuern; der nicht durch Vereinsvermögen wie Immobilien oder Spielerwerte gedeckte Fehlbetrag, also das sogenannte negative Eigenkapital, konnte soeben auf 1,18 Millionen Euro gedrückt werden. Bankverbindlichkeiten? Wie seit 2010: keine.

Da fehlt doch was

Beim 1. FC Nürnberg, den Eindruck konnte man trotz des erneuten Bundesliga-Abstiegs gewinnen, handelt es sich um einen wirtschaftlich stabilen Verein, der seine schwersten Zeiten hinter sich hat. Erst bei näherer Betrachtung fiel auf, dass es ein zentraler Bestandteil der Bilanz nicht in die Zusammenfassung des Geschäftsjahres 2014/2015 geschafft hatte: die laufenden Verbindlichkeiten. Schon damals in Höhe von 18,8 Millionen.

Woys Nachfolger Michael Meeske baute den nicht besonders populären Posten ein Jahr später ein in seine Dokumentation - der Hinweis auf die 18,8 Millionen stand im Klammern, weil die laufenden Verbindlichkeiten zum Stichtag 30. Juni 2015 um immerhin 2,6 Millionen auf 16,2 Millionen gedrückt werden konnten.

Wer jetzt erstaunt bis perplex ist ob des hohen Schuldenstandes, muss das nicht sein. "Verbindlichkeiten in dieser Höhe begleiten den Club schon länger", sagt Michael Meeske und liefert gleich die exakten Summen aus der jüngeren Vergangenheit. 2012: 17,3 Millionen. 2013: 16,3 Millionen. Und 2014, als vorläufiger Höhepunkt, eben die 18,8 Millionen.

Ex-Finanzchef Woy, das stellt sein Nachfolger klar, musste nicht alles in seine schriftlichen Ausführungen zum jeweiligen Geschäftsjahr packen, was seine Bilanzen hergaben. Ein paar Eckpunkte sind Pflicht, der Rest, wie etwa die Höhe der laufenden Verbindlichkeiten, konnte er zumindest in den Bekanntmachungen verschweigen. Auf den Bilanzpressekonferenzen und Mitgliederversammlungen nicht.

Der Verein, soviel steht fest, ist schon vor sechs bis sieben Jahren in Schieflage geraten, vor allem infolge des Bundesligaabstiegs 2008. 2010 schnellte das negative Eigenkapital auf 10,6 Millionen nach oben, die Konsolidierung zog sich entsprechend hin. Zusätzlich erschwert von laufenden Verbindlichkeiten, die auch die Kreditwürdigkeit des 1. FC Nürnberg auf eine harte Probe stellten.

"Geschäfte mit der Not"

Weil sich die regionalen Banken lange nicht trauten, dem Club etwas zu leihen, musste sich Woy nach Alternativen umschauen. Und trieb unter anderem das Internationale Bankhaus Bodensee in Friedrichshafen auf, kurz IBB. Die Idee hatte er nicht exklusiv; auch andere chronisch klamme Fußballvereine wie Schalke 04, Borussia Dortmund oder 1860 München zählen zur Kundschaft. "Geschäfte mit der Not" seien das, schrieb Der Spiegel vor knapp zwei Jahren, auch mit dem Club. "Wer sonst kein Geld mehr bekommt, wird hier oft fündig."

Der Haken: Die IBB verlangt marktunübliche, extrem hohe Zinssätze, mitunter im zweistelligen Bereich. So ließ sich auch der 1. FC Nürnberg etwa den einen oder anderen Transfer vorfinanzieren, wenn Ratenzahlungen vereinbart worden waren. Wer es sich leisten kann und auch in der Banken-Branche einen guten Ruf genießt, verzichtet auf die Dienste der IBB. Dem nicht erst seit gestern wirtschaftlich angeschlagenen Club blieb hin und wieder keine andere Wahl. Angeblich.

"Negative Entwicklung"

So fügt sich ein Puzzleteil zum nächsten. Ergo ist der Verein lange nicht mehr so gesund, wie es Woy gerne darzustellen versuchte. Die Ursachen für die aktuelle Zuspitzung fand sein Nachfolger „in den letzten zwei, drei Jahren“, wie Meeske kürzlich der Nürnberger Zeitung erzählte. Als der Club eine, Zitat, "negative Entwicklung" vollzogen habe. Weil es die Entscheider nach dem Abstieg 2014 nicht für nötig hielten, die erforderlichen Anpassungsprozesse zu forcieren.

Einige scheinen phasenweise sogar etwas den Überblick verloren zu haben; ob das auch auf Woy zutraf, legt zumindest seine überraschende Beurlaubung nahe. Etwaige Rückstellungen für die im April fällig gewordenen, über sechs Millionen Euro schwere Fan-Anleihe blieb er ebenso schuldig wie einige vom Aufsichtsrat angeforderte Zwischenstände. Aber wenigstens die DFL interessiert sich nur für das negative Eigenkapital. Und nicht für die Höhe der laufenden Verbindlichkeiten.

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