Der HC Erlangen ist Opfer seines eigenen Erfolgs

23.12.2014, 08:43 Uhr
Der HC Erlangen ist Opfer seines eigenen Erfolgs

© Zink

Es war ein Dämpfer zum Ende eines sensationellen Jahres. Hängende Köpfe bei den Spielern und den Fans, verkniffene Mienen bei den Verantwortlichen – das letzte Heimspiel des Jahres 2014 mit der deutlichen 19:28-Niederlage gegen den SC Magdeburg verhagelte allerdings nur kurzfristig die Stimmung in der Nürnberger Arena. Schließlich dominierte im Rückblick der Handballer des HC Erlangen das Positive: War der Bundesligaaufstieg im Sommer doch der größte Erfolg der Vereinsgeschichte.

Vor Saisonstart galten die Hugenottenstädter bei vielen Experten als Absteiger Nummer eins. Der Leistungsunterschied zwischen erster und zweiter Liga ist im Handball viel gravierender als im Fußball, viele Neulinge halten sich nur ein Jahr in der Beletage. Doch das Team von Trainer Frank Bergemann überraschte in der neuen Spielstätte, der Nürnberger Arena, angenehm, konnte auch mit etablierten Gegnern durchaus mithalten.

Doch dann stellte sich der HCE gewissermaßen mit einer positiven Überraschung selbst ein Bein, als er vor zwei Wochen sensationell die Rhein-Neckar Löwen mit 27:25 schlug. Also den Vizemeister und Champions-League-Teilnehmer.

Die Folge: Die Erwartungen im Umfeld und bei den Fans wuchsen auf einmal enorm, das Team wurde zum Opfer des eigenen Erfolgs. Richard Heindl, Vorstandschef des langjährigen Hauptsponsors Heitec, brachte es nach der Niederlage gegen Magdeburg auf den Punkt, als er selbstkritisch reflektierte. „Nach diesen tollen Spielen geht man mit einer Erwartung rein: Das werden wir heute packen – und dann gibt es eine Packung, und man ist enttäuscht.“

Denn es ist ein kleines Handballwunder, das der Erlanger Fusionsverein nach vielen Jahren der Berg- und Talfahrt zuletzt bewerkstelligt hat. Der Aufstieg in die zweite Liga 2008, drei Jahre später die Qualifikation für das eingleisige Unterhaus und dann im Sommer der Sprung in die selbst ernannte beste Liga der Welt. All das mit vielen selbst ausgebildeten Akteuren sowie jungen Spielern, die der duale „Erlanger Weg“ anlockte, die ihr Studium mit dem hochklassigen Handball finanzieren.

Dazu bewiesen die Verantwortlichen vor dem Aufstieg ein glückliches Händchen mit der Verpflichtung echter Verstärkungen – Gleiches gilt für die Neuen, die nach dem Erreichen der Bundesliga geholt wurden. Und das mit einem der niedrigsten Etats der Klasse, in der sich Weltstars ein Stelldichein geben. Der beträgt beim HCE laut Geschäftsführer Stefan Adam rund 2,5 Millionen Euro. Und ihn bestreitet nicht ein einziger Geldgeber, sondern er verteilt sich auf viele teils langjährige Sponsoren. Doch Erfolg macht sexy – gerade beim Sieg über die Rhein-Neckar Löwen zeigten sich potenzielle Förderer begeistert vom Erlanger Handball-Wunder. „Es ist fast eine große Familie“, schwärmt Aufsichtsratschef Carsten Bissel vom Zusammenhalt von Spielern, Trainer- und Betreuerteam, Verantwortlichen und Sponsoren, die gemeinsam einen schlafenden Riesen weckten.

Der HC Erlangen ist Opfer seines eigenen Erfolgs

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Knapp zwei Jahrzehnte ist es her, dass Tuspo Nürnberg – ähnlich wie der 1. FCN – als Fahrstuhlmannschaft zwischen erster und zweiter Liga pendelte, bis dem Klub das Geld ausging. Jetzt füllt der HCE plötzlich die Arena Nürnberg. Waren in die nicht bundesligataugliche und in der Regel ausverkaufte Erlanger Hiersemann-Halle maximal 1350 Zuschauer gekommen, liegt der Schnitt in der Arena bei mittlerweile 3100, die zum Teil weite Anfahrten auf sich nehmen.

Der Erfolg hat viele Väter. Der wichtigste ist wohl Bergemann, dem der Ruf vorauseilt, mit seinem Co-Trainer Stefan Mittag junge Spieler geduldig wie effizient aufzubauen. Dazu der im Sommer gekommene Adam als Manager. Mit seinem kleinen Geschäftsstellenteam von sechs Hauptamtlichen („aber nur dreieinhalb auf Vollzeit“!) und vielen ehrenamtlichen Helfern hat er den Umzug nach Nürnberg bewerkstelligt und den Sprung ins teils eiskalte Wasser gut bewältigt.

Ein Wort fällt immer wieder, geht es um den HCE: Region. „Regionale Vereine generell stiften Identität – das finde ich sehr wichtig und gut“, begründet Ingrid Hofmann, Chefin von „Personal Hofmann“, einer der größten deutschen Zeitarbeitsfirmen, ihr Engagement. „Das Gemeinschaftsgefühl während der Spiele sollte man als Fan einfach genießen. Schon dafür lohnt es sich doch, eine Sportart zu fördern.“ Ähnlich formuliert es Alexander Fackelmann, längst „rundum begeisterter“ Chef des international tätigen Hersbrucker Familienunternehmens, der den HCE als „richtige Bereicherung für die Region“ sieht.

Auch wenn der HCE wohl bis zum letzten Spieltag um den Klassenerhalt kämpfen muss, ist Richard Heindl bislang höchst zufrieden: „Es ist eine tolle Geschichte, ein tolles Erlebnis, was uns die Mannschaft und was wir mit HCE der Region für Handball bieten können!“

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