Der Meister berauscht sich an sich selbst

13.5.2012, 11:38 Uhr
Der Meister berauscht sich an sich selbst

© Soeren Stache (dpa)

Beseelt vom Blick auf die Meisterschale und den DFB-Pokal konnte sich Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke eine kurze Bemerkung zur wochenlangen Diskussion über die derzeitige Vorherrschaft im deutschen Fußball nicht verkneifen: «Ich habe gelesen, die Münchner wollten heute zeigen, wo der Hammer hängt. Ich kann nur sagen: Der Hammer hängt in Dortmund.»

Ungleich nüchterner fiel gut anderthalb Kilometer entfernt die Ansprache von Karl-Heinz Rummenigge beim Münchner Bankett in der Dependance des Hauptsponsors aus. «Wenn man 2:5 verliert, ist das kein Zufall, dann ist das auch nicht Pech, sondern - man muss es klar und deutlich sagen - eine Blamage», klagte der Vorstandschef in seiner Ansprache. Und musste sich sorgen, dass das Team mit einer ähnlich schwachen Vorstellung am kommenden Samstag im Heimfinale der Champions League gegen den FC Chelsea den nächsten Titel verspielt. «Ich hoffe, dass wir aus dem heutigen Spiel die richtigen Lehren ziehen und dann am Samstag einen Abend erleben, an dem wir nach dem Abpfiff glücklicher, zufriedener und auch stolzer sind.»

Wie moderner und erfolgreicher Fußball gespielt wird, bekamen die Bayern in einer bitteren Lehrstunde zu spüren. Nach dem Triumph in der Bundesliga demonstrierte der Meister der Superlative auch im torreichsten Pokal-Finale seit 26 Jahren seine Ausnahmestellung. Beim 5:2 (3:1) wurde der Rekordchampion nicht nur besiegt, sondern gedemütigt. Stolz, berauscht und glückselig sang BVB-Trainer Jürgen Klopp ein Loblied auf seine Profis: «Das ist der außergewöhnlichste Moment in unserer Geschichte. Was die Mannschaft heute geleistet hat, ist nicht in Worte zu fassen. Sie hat perfekte Maßnahmen ergriffen.»

Angeführt vom dreifachen Torschützen Robert Lewandowski (45.+1/58./81.) und dessen kongenialem Offensivpartner Shinji Kagawa (3.) deckte die Borussia die Schwächen des Gegners schonungslos auf und gab ihm zum fünften Mal in Serie das Nachsehen. Zum Verdruss der Bayern ging sie diesmal nicht fahrlässig mit ihren Chancen um, sondern verblüffte mit Effektivität. «Man konnte meinen, wir hätten vier Jahre lang nur trainiert, wie wir heute jeden Ball reinschießen», kommentierte Klopp die sehenswerte Show, bei der auch Mats Hummels (41./Foulelfmeter) traf.

Wie schon bei der Meisterparty vor drei Wochen erwiesen sich seine Musterprofis als echte Feier-Biester. Mit einer riesengroßen schwarz-gelben Fahne stürmte Kevin Großkreutz nach dem Schlusspfiff Richtung Marathon-Tor und ließ sich von den Fans als «Dortmunder Junge» bejubeln. Kapitän Sebastian Kehl küsste Minuten später den von Bundespräsident Joachim Gauck überreichten Pokal. «103 Jahre hat der Club gebraucht, um das Double zu gewinnen. Wir haben es geschafft. Das wird in die Geschichte eingehen», schwärmte Kehl.

Doch die wohl beste Mannschaft in der Vereinshistorie wird es in der kommenden Saison in dieser Form wohl nicht mehr geben. Sir Alex Ferguson, Trainer von Manchester United, überzeugte sich auf der Tribüne von den Qualitäten des brillanten Kagawa. Nach seiner neuerlichen Gala dürfte der von mehreren Premier-League-Clubs umworbene Japaner von den Dortmundern kaum zu halten sein. Auch im beschwingten Zustand zu später Stunde verweigerte er nahe der Tanzfläche eine Aussage zu seiner Zukunft: «Ich muss mir das noch gut überlegen.»

Für die Münchner kam das bittere Erlebnis unterdessen zur Unzeit. Schließlich bleibt nur eine Woche Zeit, um sich bis zum «Finale dahoam» von diesem Alptraum zu erholen. Bundestrainer Joachim Löw sprach den wankenden Finalisten Mut zu: «Ich bin mir sicher, dass die Bayern eine Riesenreaktion zeigen und die Saison mit einem Titel abschließen.»

Die Vorstellung von Berlin verheißt jedoch wenig Gutes. Anders als zuletzt in der Meisterschaft, wo es die wenigsten Gegentore der Liga gab, offenbarte die Defensive bedenkliche Schwächen. Zu allem Überfluss mussten die Münchner auch noch die höhnischen «Schießbuden»-Sprechchöre der BVB-Fans ertragen. Von einem ermutigenden Signal für den Showdown in der europäischen Königsklasse konnte für das Team um die Torschützen Franck Ribéry und Arjen Robben deshalb wahrlich keine Rede sei. Ein Blick in das Gesicht von Jupp Heynckes sagte alles. «Wir haben defensiv eine katastrophale Leistung gebracht», konstatierte der Bayern-Coach, der als Trainer den Pokal noch nie gewinnen konnte, «das darf uns in der nächsten Woche nicht passieren.»

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