Der Wassergraben ist der Freund von Martin Grau

23.7.2015, 05:58 Uhr
Martin Grau (rechts)  ist in Nürnberg Favorit über 3000 Meter Hindernis.

© F.: Kiefner Martin Grau (rechts) ist in Nürnberg Favorit über 3000 Meter Hindernis.

In Höchstadt an der Aisch hat alles seine Ordnung – erst recht im beschaulichen Ortsteil Biengarten. Wenn dort die Leute nachts nicht in ihren Betten liegen, sondern noch bis zwei, drei Uhr zusammen draußen feiern, muss es dafür einen guten Grund geben.

Ein sehr guter sogar fand sich kürzlich, als einer der hundert Dorfbewohner im fernen Asien einen großen Erfolg feierte. Martin Grau (23) vom LSC Höchstadt rannte im südkoreanischen Gwangju bei der Universiade die versammelte Weltelite der Studenten in Grund und Boden und holte sich über 3000 Meter Hindernis die Goldmedaille. Souverän noch dazu, in persönlicher Jahresbestzeit von 8:31,55 Minuten, mit Handküsschen auf der Ziellinie.

„Ein krasses Erlebnis war das, unvergesslich“, sagt Grau, der mit Mama Jutta, Papa Hartmut und Schwester Lena (19) in Biengarten lebt und an der Hochschule Ansbach Internationales Management studiert. Er gerät regelrecht ins Schwärmen: von der Atmosphäre der Spiele, dem Gemeinschaftsgefühl, der Inspiration durch andere Athleten und Sportarten. „Synchronspringen vom Zehn-Meter-Brett habe ich mir zum Beispiel angeschaut“, sagt er. „Das ist auch cool.“

Seinen eigenen Wettkampf hat der Sportsoldat noch genau vor Augen; die Bilder und Gefühle haben sich eingeprägt. „Ich hatte mir vorgenommen, vorne mitzulaufen und am vorletzten Wassergraben anzugreifen“, berichtet Grau. „Hat perfekt geklappt.“ Als Grau, mit einer Bestzeit von 8:24,29 Minuten im vorigen Jahr die Nummer eins über diese Strecke in Deutschland, überraschend das Tempo verschärfte, ließen ihn die internationalen Konkurrenten ziehen und konnten ihn am Ende nicht mehr einholen. „Über diesen Titel bin ich total glücklich“, sagt Grau. „Die Universiade zu gewinnen ist mehr wert, als bei der WM im Finale Vorletzter zu werden.“ Die Leichtathletik-Weltmeisterschaften Ende August in Peking wird der ehrgeizige Mittelfranke wohl am Fernsehgerät verfolgen, denn bisher hat er die Norm des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV) von 8:24,00 Minuten nicht geknackt. Es ist äußerst unwahrscheinlich, dass er die Zeitvorgabe ausgerechnet in einem taktisch geprägten Rennen am Sonntag (14.40 Uhr) bei den Deutschen Meisterschaften im Nürnberger Grundig-Stadion erreicht.

Der Wassergraben ist der Freund von Martin Grau

© Foto: Melanie Scheuering

„Macht nichts. Bei der DM zählt nur der Titel“, sagt Grau. Er ist Favorit, die Rolle nimmt er selbstbewusst an. „Wenn bei mir alles stimmt“, sagt der 23-Jährige, „dann haben die anderen Jungs keine Chance.“ Punkt. „Wir kennen uns gut, aber das muss man im Rennen ausblenden. Da sind alle Konkurrenten“, betont Grau, der mit den anderen DLV-Kaderathleten regelmäßig ins Höhentrainingslager nach Südafrika oder in die USA reist und sich in der Szene einen Namen gemacht hat. „Man weiß, was die anderen drauf haben und wie sie ticken. Ich hoffe, dass sie vor mir vielleicht zuviel Respekt haben.“

Trainer Markus Mönius sieht seinen Schützling ebenfalls vorne: „Da brauchen wir nicht tiefstapeln.“ Seit acht Jahren betreut der 45-Jährige nun schon Martin Grau, den er zusammen mit dessen Zwillingsbruder Bastian entdeckte. Die beiden belegten bei Volksläufen regelmäßig Spitzenplätze, ohne dafür irgendeinen Trainingsaufwand zu betreiben. „Das Läufer-Gen haben wir von unserem Papa.“

Weil er seinem Bruder damals über 3000 Meter unterlag und an der DM-Norm scheiterte, versuchte sich Martin Grau 2009 an den Hindernissen. Mit Erfolg. „Ich liebe das. So ein Rennen ist viel facettenreicher, man braucht eine gute Technik, und es ist eine Riesenkopfsache. Den Wassergraben mag ich besonders“, beschreibt Martin Grau die Faszination der Hindernisstrecke. „Und ich konkurriere nicht mit meinem Bruder um Medaillen.“ Bastian Grau, der starke 1500-Meter-Zeiten läuft, wird immer wieder vom Verletzungspech verfolgt. „Sonst wäre er wahrscheinlich sogar besser als ich“, sagt Martin Grau.

„Er hat den Willen, über Grenzen hinwegzugehen“

Sein Trainer, der damals auch Neuland betrat, merkte schnell, welches Talent er da unter seine Fittiche genommen hatte: „Martin trainiert sehr professionell und ist auch im Kopf stark. Er hat den Willen, über Grenzen hinwegzugehen und kann bei Meisterschaften über sich hinauswachsen – gerade in der letzten Runde, wo die Hürden unheimlich viel Kraft und Kondition kosten.“

Zwei Trainingseinheiten pro Tag gibt es für Grau in der Regel, Mönius schickt den Plan per Mail. Dauerläufe, die in einer vorgegebenen Kilometerzeit zu absolvieren sind, Sprints, Steigerungs- und Sprungläufe, Tempowechselläufe, Sprünge, Lockern, Dehnen, Krafttraining, Koordination. Bei dem Pensum hat Grau innerhalb von vier Monaten seine Laufschuhe ruiniert, die er in drei verschiedenen Ausführungen besitzt. Nach dem deutschen Meistertitel ist Graus nächstes Ziel Olympia 2016 in Rio de Janeiro. „Wenn er gesund bleibt, ist die Norm von 8:23,00 realistisch“, sagt Mönius, der seinem Schützling noch viel zutraut: „Bei Europameisterschaften wird er sicher die eine oder andere Medaille gewinnen. Weltweit ist die Disziplin von Schwarzafrikanern dominiert.“

Am Sonntag will Grau erst einmal Freunden aus Franken den Hindernislauf näherbringen und natürlich auch gewinnen. „Ich will das unbedingt, ich bin ein Kämpfervieh!“ Gut möglich, dass Sonntagnacht in Biengarten wieder der Ausnahmezustand herrscht.

Keine Kommentare