Derek Joslin: Spaßvogel für die Ice Tigers

21.8.2014, 20:07 Uhr
Derek Joslin: Spaßvogel für die Ice Tigers

© Foto: Sportfoto Zink/MaWi

Derek Joslin will sich nicht hinsetzen. Das Interview will er gerne in der Sonne führen, das schon, aber auf die Stufen vor der Arena will er sich als erster Neuzugang in der Geschichte nicht setzen. Dabei waren alle hier schon gesessen: Indianer-Häuptlinge, Burschen aus Bad Tölz, Stanley- Cup-Sieger, Weltmeister und künftige Sportdirektoren. Derek Joslin aber bleibt stehen. Nach der zweiten Frage fühlt sich dann auch der Fragesteller so unwohl, dass er sich neben den kräftigen Kanadier mit dem Brustkorb eines Bankdrückweltmeisters stellt.

Es entwickelt sich ein Gespräch, dessen Aufzeichnung glücklicherweise nicht zur besten Sendezeit ausgestrahlt wird. Derek Joslin hat in seinen 27 Jahren weit mehr erlebt, als der durchschnittliche DEL-Importspieler. Leider bestätigt er diese Geschichten nur auf Nachfrage. Ja, er hat an seinem ersten Wochenende als NHL-Spieler sowohl gegen Sidney Crosby als auch gegen Alexander Ovechkin gespielt, innerhalb von drei Tagen war der Rookie Joslin also den nach weitverbreiteter Expertenmeinung beiden besten Spielern der Welt gegenübergestanden. Ja, die waren und sind schon wirklich gut. Aber die San Jose Sharks, Joslins Team, waren damals ja auch „really good“.

Joslin ist nicht unfreundlich, er antwortet prompt, zweimal lächelt er. Aber angenehm ist ihm die Gesprächssituation vor der Treppe zum Vip- Bereich der Arena auch nicht. Das muss auch nicht sein. Auf dem Eis soll sich der Verteidiger wohlfühlen. Und die Entscheidung, seine Karriere in Nürnberg fortzusetzen, hat er ja auch nicht getroffen, weil man ihm erzählt hat, dass die Journalisten dort zwar nicht gerne stehen, ansonsten aber ganz in Ordnung sind. Die Entscheidung hat er getroffen, weil sich die Gespräche mit Martin Jiranek weitaus besser entwickelt hatten. Zumindest behauptet das Martin Jiranek.

Zweimal ist der Sportdirektor der Ice Tigers mit einer langen Liste nach Schweden geflogen, um mögliche Neuzugänge zu beobachten. Am Ende blieb nur noch der Name Derek Joslin übrig. In Nordamerika fiel er den Talentspähern vor allem wegen seines ansatzlosen Schlagschusses auf. Jiranek fiel etwas ganz anderes auf: Joslins Ruhe an der Scheibe, sein stets sicherer erster Pass und seine Bereitschaft, statt der risikoreichen, aber vielleicht spektakulären Lösung lieber auf die sichere Variante zu setzen.

Die Regeländerungen werden das Spiel in der DEL verändern. Hybrid Icing und die Versetzung der blauen Linien, das betrifft vor allem die Verteidiger. Und Joslin hat bereits in seinem ersten Jahr in Europa bewiesen, dass er in der Lage ist, sein Spiel schnell anzupassen.

Joslin war zum Allmänna Idrottsklubben nach Stockholm gewechselt, weil es ihm der lange Arbeitskampf in der NHL zusätzlich erschwert hatte, einen Klub zu finden, der bereit gewesen wäre, ihm eine Chance zu geben. 116 Spiele hat sich Joslin in der besten Liga der Welt bewährt.

In San Jose hat er vom großen Rob Blake gelernt, er hat mit seinem wuchtigen Schlagschuss immerhin vier Tore geschossen, zwölf Treffer hat er vorbereitet. Aber wenn es ernst und wichtig wurde, musste er das meistens von der Tribüne aus mitansehen, wenn er nicht gleich zu den Farmteams nach Charlotte, Chicago oder Worcester geschickt wurde. Joslin hätte sicherlich ein Stammspieler in der NHL werden können, aber dazu hätte er sich vielleicht doch öfter mal für das Risiko entscheiden müssen. Am Ende entschied er sich für den Allmänna Idrottsklubben.

Als Stadt mag Stockholm die richtige Wahl gewesen sein, der Klub war es nicht. Die Saison verlief unglücklich, AIK belegte den letzten Platz nach der Punkterunde und Joslin musste lernen, dass das Wort Relegation in Europa nicht zwangsläufig Abstieg bedeuten muss. Zwei Wochen musste AIK darauf warten, dass auch in der zweiten schwedischen Liga die Punkterunde zu Ende geht. Dann folgte eine Relegationsrunde. „Das war wie Playoffs“, erzählt er, „nur härter.“ Er selbst habe sich gut geschlagen, der Klub weniger: AIK musste absteigen.

In Deutschland wird ihm das nicht passieren. In der DEL gibt es keinen Abstieg. Trotzdem hat er sich seinen neuen Arbeitgeber genau ausgesucht. In Nürnberg hat er „eine Kultur des Gewinnens“ ausgemacht. „Es ist schon länger her, dass ich in den Playoffs mitspielen durfte“, sagt Joslin, „jetzt bin ich hungrig nach Siegen. Es scheint mir, dass diese Organisation hier an der Reihe ist, bis zum Schluss um den Titel mitzuspielen. Und darum geht es doch, ums Gewinnen, richtig?“ Richtig.

Joslin lächelt zum ersten Mal. Beim zweiten Mal geht es um seinen Vater, der damals in Ontario auch sein Trainer war. Gute Angreifer hatten sie damals in der Mannschaft, den späteren NHL-Profi Andrew Cogliano zum Beispiel und Derek Joslin, den hoch aufgeschossenen Mittelstürmer. Nur an soliden Verteidigern mangelte es Jeff Joslin, also schob seinen Sohn in die Abwehr ab. „Er hat damals in mir das Talent dazu gesehen. Ich aber hab’ es nicht gesehen. Ich wollte stürmen, wollte Tore schießen“, erzählt Joslin, es ist der schönste Moment des Interviews. „Wir haben damals einige Wochen nicht miteinander geredet. Heute bin ich ihm dankbar.“

Derek Joslin beschreibt sich als Zwei-Wege-Verteidiger, so wie neun von zehn Verteidigern dieser Eishockey-Welt. So wie Kyle Klubertanz und Fredrik Eriksson, die sich, wie er, um einen Platz an der blauen Linie in der ersten Power-Play-Formation bemühen werden, und dafür vielleicht ein bisschen mehr auffallen werden.

In einem Porträt Joslins aus seiner Zeit beim AHL-Klub in Chicago wird er von einem Mitspieler als schüchtern beschrieben: „Aber irgendwann öffnet sich die Muschel. Und heraus kommt ein Spaßvogel.“

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