DFB-Frauen brachten sich selbst um den Erfolg

10.7.2011, 18:13 Uhr
DFB-Frauen brachten sich selbst um den Erfolg

© dpa

Frust allenthalben, der Ärger über sich selbst und die leichtfertig vergebene Chance, Fußballgeschichte zu schreiben, war mit Händen zu greifen: Statt noch zwei Spiele bei der WM im eigenen Lande zu bestreiten und dabei womöglich als erste Nation den Weltmeistertitel zum dritten Mal in Folge zu holen, hieß es Koffer packen und heimfahren.

Dabei hatten es sich die deutschen Fußballfrauen selbst zuzuschreiben, dass nach dem Abpfiff der mexikanischen Schiedsrichterin Quetzalli Alvarado statt ihnen die Japanerinnen ausgelassen jubelnd über den Platz hüpften. „Wir hätten noch Stunden spielen können und hätten kein Tor geschossen“, brachte es Neid anschließend auf den Punkt und kaschierte ihren Frust über die 0:1-Niederlage nach Verlängerung mit Galgenhumor. Ähnlich klang es bei Inka Grings: „Wir haben alles versucht, aber es hat nicht funktioniert.“

Nicht wiederzuerkennen war das deutsche Team im Vergleich zum 4:2-Erfolg über Frankreich in der letzten Gruppenpartie. Natürlich hatte Silvia Neid Recht, als sie konstatierte, dass das frühe Aus von Antreiberin Kim Kulig einen Knacks im deutschen Spiel verursacht hatte. „Es hat sich während des Spiels in der Mannschaft herumgesprochen, dass der Doktor gleich einen Kreuzbandriss vermutete“, verriet Neid. Eine Diagnose in der dritten Minute, die sich tags darauf bestätigte. Es lag auf der Hand, dass das DFB-Team Zeit brauchte, um sich auf die taktischen Veränderungen einzustellen, die der verletzungsbedingte Wechsel bescherte: Bresonik rückte an Kuligs Stelle ins defensive Mittelfeld und lieferte dort eine durchaus respektable Leistung, während die eingewechselte Bianca Schmidt rechts verteidigte – und da so wenig wie Babett Peter links an die starke Partie gegen „Les Bleues“ anknüpfen konnte.

Von hinten kein Druck über die Flügel, vorne auf den Außenpositionen wenig gelungene Aktionen durch die nach ihrer Verletzung zurückgekehrte und schwach spielende Melanie Behringer und Kapitänin Kerstin Garefrekes, die lange brauchte, um in Fahrt zu kommen. Grings rieb sich vorne gegen die wieselflink wie robust auftretenden Asiatinnen ebenso auf wie Celia Okoyino da Mbabi – kein Wunder, dass da klare Chancen Mangelware blieben.

Dabei schlossen die Deutschen in der ersten Viertelstunde durchaus an das Frankreich-Spiel an, bauten Druck auf – begannen stark, um dann aber ebenso stark nachzulassen. Fehlpässe en masse, ungefährliche Standards, damit machten sie sich zunehmend das Leben schwer, während die Japanerinnen an Sicherheit gewannen. Selbst Neid zeigte sich hinterher beeindruckt von deren Ballsicherheit, mit der sie allerdings nur bis auf 30 Meter an das deutsche Tor herankamen. Denn dort räumten vor allem Laudehr, Bresonik und die beiden Innenverteidigerinnen Annike Krahn und Saskia Bartusiak rigoros ab. Allerdings: Wie zuvor bereits in den wenig berauschenden Spielen gegen Kanada und Nigeria standen die Deutschen wieder zu tief und brauchten zu lange, um nachzurücken und vorne wirklich Effizienz und Torgefahr zu entwickeln.

Und ergaben sich einmal Chancen gegen die kompakte japanische Abwehr, standen sich die Neid-Schützlinge selbst im Weg: Da sprang Okoyino da Mbabi nach einem exzellenten Garefrekes-Pass der Ball im Strafraum zu weit vom Fuß (31.) oder rettete eine Japanerin nach Laudehr-Kopfball auf der Linie (56.). Und es half wenig, dass das Publikum die wenig überzeugende Leistung nicht nur hinnahm, sondern das DFB-Team mit Sprechchören immer wieder antrieb – erst in der 75. Minute gab es erste verhaltene Unmutsbekundungen, als Laudehr den Ball nach einer japanischen Ecke unbedrängt weit nach vorne drosch, obwohl alle Deutschen im eigenen Strafraum versammelt waren.

Hilflosigkeit, Ängstlichkeit machten sich breit, auch wenn die unentwegt antreibende, aber glücklos agierende Laudehr und die eingewechselte Lena Goeßling versuchten, die Initiative zu ergreifen. Doch vorne hatte sich Grings inzwischen mehr darauf verlegt, mit der ordentlich pfeifenden Schiedsrichterin zu diskutieren. Und über die erst in der Verlängerung (102.) eingewechselte Alexandra Popp urteilte die enttäuschte Neid später hart, stempelte sie als Versagerin ab: „Von ihr hätte ich Druck erwartet.“

Kritik an Laudehr, Bartusiak und Torfrau Nadine Angerer, die mit einer Fehlerkette den japanischen Siegtreffer durch Karina Maruyama in der 108.Minute erst ermöglichten, kam ihr nicht über die Lippen. Auch den für viele nicht nachvollziehbaren Wechsel Goeßling für Bresonik wollte sie nicht hinterfragen. Dass sie den japanischen Erfolg nicht als verdient würdigen wollte, mochte der Enttäuschung geschuldet sein. Immerhin attestierte die Bundestrainerin den Siegerinnen neben enormer Ballsicherheit den „Blick für den Nebenmann“, den ihr Team so vermissen ließ.

Warum die deutsche Mannschaft erst nach dem Rückstand plötzlich energisch (und verzweifelt) anrannte, nun auch mehrere gute, vorher vermisste Einschussmöglichkeiten hatte, bleibt deren Geheimnis. Da hatte sie dann das Pech, dass diesmal eine Torhüterin dem Fehlerimage ihrer Gattung nicht entsprach: Mit mehreren Paraden rettete Ayumi Kaihori am Ende ihrem Team das Halbfinale.

Deutschland: Angerer (1.FFC Frankfurt/102 Länderspiele) – Bresonik (FCR Duisburg/68) ab 65. Goeßling (SC 07 Bad Neuenahr/25), Krahn (FCR Duisburg/70), Bartusiak (1.FFC Frankfurt/45), Peter (Turbine Potsdam/55) – Laudehr (FCR Duisburg/45), Kulig (Hamburger SV/27) ab 8. Schmidt (Turbine Potsdam/17) – Garefrekes (1.FFC Frankfur/130), Okoyino da Mbabi (SC 07 Bad Neuenahr/59), Behringer (1.FFC Frankfurt/68) - Grings (FCR Duisburg/94) ab 102. Popp (FCR Duisburg/16)

Japan: Kaihori (Kobe Leonessa/19) – Kinga (Kobe Leonessa/62), Iwashimizu (Beleza Inagi/64), Kumagai (Urawa Reds Ladies/22), Sameshima (Boston Breakers/26) – Ohno (Kobe Leonessa/87) ab 66. Iwabuchi (Beleza Inagi/4) ab 116. Utsugi (Montpellier HSC/43), Sawa (Kobe Leonessa/161), Sakaguchi (Albirex Niigata/38), Miyama (Okayama Yunogo Belle/63) – Ando (FCR Duisburg/86), Nagasato (Turbine Potsdam/64) ab 46. Maruyama (United Ichihara/63)

SRin: Alvarado (Mexiko) / Zuschauer: 26067 (ausverkauft) / Tor: 0:1 Maruyama (108.) / Gelbe Karten: Peter – Iwashimizu, Kumagai, Sakaguchi, Sawa.

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