Die Chance am Schopf packen

22.6.2011, 19:33 Uhr
Die Chance am Schopf packen

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Allenfalls von der Hoffnung auf „ein kleines Sommermärchen“ reden deutsche Spielerinnen mit Blick auf die erste Frauenfußball-Weltmeisterschaft auf heimischem Boden – exakt 20 Jahre nach der erstmaligen Austragung in China. Damals dauerten die Partien übrigens 80 Minuten, erst 1995 in Schweden wurde die Spielzeit auf 90 verlängert.

Letztmals treten an den insgesamt neun deutschen Spielorten 16 Nationalteams an – die ursprünglich für 2011 angedachte Aufstockung auf dann 24 Teilnehmer wurde nochmals um vier Jahre verschoben.

Deutschland ist erneut, wie bereits vor vier Jahren in China, Titelverteidiger und will diese Chance beim Schopf packen. Das Team von Bundestrainerin Silvia Neid wird nicht nur in den Wettbüros als heißester Siegeskandidat gehandelt – neben den USA und Brasilien, dem mit 2:0 geschlagenen Finalgegner von 2007.
Zugleich ist die DFB-Auswahl der große Hoffnungsträger in Sachen Mädchen- und Frauenfußball hierzulande.

Zahlreiche Sponsoren setzen auf die Zugkraft des Teams um Rekord-Nationalspielerin Birgit Prinz, so auch Ausrüster Adidas. Der Herzogenauracher Sportartikelhersteller erwartet, dass mehr Trikots der Nationalmannschaft denn je verkauft werden. Man gehe davon aus, mindestens 100.000 Exemplare abzusetzen, sagte eine Firmensprecherin auf NZ-Anfrage und verwies auf eine stetig wachsende Nachfrage seit dem WM–Gewinn 2007.

Doch auch die Verbandsfunktionäre dürften im stillen Kämmerlein auf eine möglichst lang anhaltende Erfolgsserie der Gastgeberinnen hoffen: Noch lebt der Mädchen- und Frauenfußball in Deutschland von der Zugkraft der Nationalmannschaft. Und Mädchen zum Kicken zu animieren, das schafft derzeit nur das Neid-Team. Und die angestrebten Wachstumszahlen in der Mitgliederstatistik können der DFB und seine Landesverbände angesichts der demografischen Entwicklung nur über das vermeintlich schwache Geschlecht erreichen.

Die Chance am Schopf packen

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Aber auch die Frauen-Bundesliga hofft darauf, „aus ihrem Dornröschenschlaf“ geweckt zu werden, wie es die Deutsche Presse-Agentur (dpa) formulierte. Bis auf die leistungsmäßig enteilten Spitzenteams des 1. FFC Frankfurt, Turbine Potsdam oder FCR Duisburg mit etwa 2000 Zuschauern pro Spiel locken die Erstligamannschaften im Schnitt höchstens 900 Interessierte. „Die Wahrnehmung des Frauenfußballs hat einen neuen Grad erreicht, die Sponsoren sehen ihn als Boomsportart“, meint Siegfried Dietrich, Manager des Branchenprimus 1. FFC Frankfurt optimistisch und kündigt schon mal an, den Etat seines Klubs, dessen Spielerinnen von ihren Gehältern leben können, in den nächsten zwei Jahren von derzeit 1,5 Millionen auf 2,5 Millionen zu steigern.

Deutlich zurückhaltender äußert sich da die frühere Nationalspielerin und heutige DFB-Teammanagerin Doris Fitschen. Sie hofft darauf, dass die WM für einen wirtschaftlichen Schub sorgt, der zumindest „Halbprofitum“ in der Bundesliga ermöglicht.

Die Rolle eines Mahners hat auch DFB-Vizepräsident Rainer Koch übernommen. Angesichts von 1,1 Millionen weiblicher Mitglieder hat er zumindest Bedenken, ob der Verband einen Ansturm im Nachwuchsbereich verkraften würde. Koch, der auch dem Bayerischen Fußball-Verband vorsitzt, warnte jedenfalls schon einmal prophylaktisch: „Es gibt viel zu wenige Betreuer, viel zu wenige Funktionäre und viel zu wenige Trainer im Frauenfußball.“

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