"Drecksfußball": Club-Legende Eckstein ist vergrault

19.9.2015, 06:00 Uhr
Nahmen kein Blatt vor den Mund: Dieter Eckstein (rechts) und Thomas Brunner (links) plauderten mit Harald Kaiser aus dem Nähkästchen.

© Michael Müller Nahmen kein Blatt vor den Mund: Dieter Eckstein (rechts) und Thomas Brunner (links) plauderten mit Harald Kaiser aus dem Nähkästchen.

"Bei dem Drecksfußball hat man doch keine Lust mehr, ins Stadion zu gehen", meint Dieter Eckstein. Thomas Brunner formuliert es moderater, aber auch er schaut sich die Spiele des 1. FCN nur noch im Fernsehen an. Ihm tue das Herz weh, wenn er die Entwicklung des Vereins sieht. Aber eigentlich waren "der treue Tom", mit 328 Einsätzen Bundesliga-Rekordspieler des Clubs, und Fan-Idol "Eckes" in den Südpunkt gekommen, um mit kicker-Redakteur Harald Kaiser über eine weitaus erfreulichere Saison als die aktuelle zu sprechen.

1984/85 avancierten der heute 51-jährige Eckstein und Brunner (53) zu Korsettstangen jenes jungen Teams, das Fußball-Deutschland mit erfrischendem Offensivfußball begeisterte und am Ende den Aufstieg schaffte. Vorausgegangen war aber eine Revolution der Spieler gegen Trainer Heinz Höher im Herbst 1984. Der Club dümpelte zu dieser Zeit im Zweitliga-Mittelfeld herum.

Am 27. Oktober 1984 kassierte er vor gerade mal 7800 Zuschauern gegen Oberhausen in der Schlussminute den Ausgleich zum 1:1-Endstand. Höher ordnete anschließend ein Straftraining früh um sechs Uhr an. "Da war gerade der Tag erwacht", sagt Brunner, der wegen einer Verletzung außer Gefecht war und nicht mitmachen musste. Aber er erinnert sich noch gut an das absolute Unverständnis seiner Kollegen über die Maßnahme des schweigsamen Übungsleiters, der die Spieler laufen ließ.

"Der hat Leichtathletik-Training gemacht." So kam es zur Revolte. Der Spielerrat, dem Brunner angehörte, marschierte zur Presse und protestierte in einem offenen Brief gegen Höhers Methoden. Das Gros des Kaders boykottierte das Training, nur Eckstein und vier weitere Spieler fanden sich noch am Valznerweiher ein. "Wir waren die fünf Jüngsten in der Mannschaft", sagt Eckstein. Udo Horsmann, Anführer der Rebellen, habe die Jungen vorher fair gefragt, ob sie bei der Revolte mitmachen wollen, erinnert sich der einstige Torjäger.

"Eckes" wollte nur weit weg

Eckstein räumt ein, damals Sorge gehabt zu haben, sich die Karriere zu verbauen und in seinen Heimatort Kehl zurückzumüssen. "Dann hätte ich wieder in der Pampa gespielt." Dabei wollte er ja möglichst weit von Kehl weg, als er 1983 nach Nürnberg ging – auch deswegen schlug der Stürmer Angebote von Karlsruhe, Stuttgart und Racing Straßburg aus. Ecksteins Sorge war berechtigt, denn Präsident Gerd Schmelzer feuerte die Meuterer und hielt an Höher fest.

Vom fünfköpfigen Spielerrat durfte nur Brunner bleiben, neben Horsmann erhielten auch Horst Weyerich, Stefan Lottermann und Rudi Kargus die Kündigung. Brunner knickte aber nicht ein, wie er noch heute betont: "Ich habe mich nicht entschuldigt und Schmelzer gesagt, dass er mich auch wegschicken kann, wenn er will." Aber, so Brunners Erklärung, sein Transferwert war als Sicherheit einer Bank überschrieben. "Das war wohl der Grund, warum sie mich verschont haben", sagt Brunner.

Der Club startete anschließend durch, und der Kern der damaligen Aufstiegsmannschaft schaffte 1987/88 sogar die Qualifikation für den Europacup. "Wenn wir zusammengeblieben wären, hätten wir um die Meisterschaft mitgespielt", glaubt Eckstein. Aber der Kader zerfiel, der große Rivale Bayern München holte die Leistungsträger Stefan Reuter und Roland Grahammer. Auch "Eckes", zweitbester Bundesligatorschütze der Club-Historie, ging im Herbst 1988 nach Frankfurt. Brunner, der als Mittelstürmer 1980 bei den Profis begann und später Verteidiger spielte, blieb bis zu seinem Karriere-Ende 1996.

Heinz Höher haben die beiden als sehr schweigsamen Trainer in Erinnerung, der aber laut Eckstein auch mitunter witzige und ungewöhnliche Einfälle hatte. Einmal, sagt Eckstein, habe er ihn sogar aufgefordert, eine Rote Karte mittels Ballwegschlagens zu provozieren. Der Grund: Eine solche Unsportlichkeit wurde damals mit Geldstrafe, nicht mit Sperre geahndet.

Weil die Gelbe Karte, die "Eckes" zuvor gesehen hatte, durch das "Rot" gestrichen wurde, umging der Stürmer durch Höhers Tipp eine Gelbsperre fürs nächste Spiel. Bei Kaisers Frage nach dem Lieblingstrainer nennen die beiden einstigen Club-Stars aber andere Namen als Höher. Brunner erinnert sich sehr gern an Hermann Gerland, Eckstein an Willi Entenmann, unter dem er nach seiner Rückkehr an den Valznerweiher (1990–1993) trainierte.

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