"Drüben beim Tuspo": Der Stolz der Fürther Arbeiter

25.3.2019, 06:00 Uhr
So sah es früher beim Tuspo aus: Die Feldhandball-Mannschaft steht im Jahre 1931 vor dem Vereinsgebäude an der Kronacher Straße.

© privat So sah es früher beim Tuspo aus: Die Feldhandball-Mannschaft steht im Jahre 1931 vor dem Vereinsgebäude an der Kronacher Straße.

Karl Knöfel hat eine klare Meinung, warum der Tuspo Fürth 2003 am Ende war: "Der Tuspo war zu groß geworden, um ihn ehrenamtlich zu führen." Der 80-Jährige war jahrelang Vorstand, wurde dann 2003 nach der Fusion mit der SpVgg Greuther Fürth Vizepräsident. Mit 1 900 Mitgliedern war der Tuspo in Regionen vorgestoßen, die über ihn hinauswuchsen.

Es ging nicht mehr weiter. Über 400 000 Euro Schulden hatte der Verein bei der Stadt. Nach fast vier Jahrzehnten standen größere Ersatzreparaturen an den Gebäuden an, die der Verein nicht mehr verkraftete. Die Lösung kam aus der Nachbarschaft. Nachdem die Spielvereinigung ihre Fusionspläne mit dem MTV Fürth und einem großen Gelände am Schießanger ad acta gelegt hatte, geriet nun der Tuspo in den Fokus.

Schon Monate vorher, noch bevor Knöfel interimsweise erneut als Vorstand in die Bresche sprang, war der Verein "innerlich tot" wie er sagt. "Keiner wollte mehr die Verantwortung übernehmen, die innere Kraft hat gefehlt. Wir hatten in der Spitze fast 1900 Mitglieder. Das hätte nur mit bezahlten Leuten funktioniert. Das konnten wir uns nicht leisten."

Zudem hatte sich der Verein intern differenziert. "Die Tennisspieler waren ein anderes Klientel, wollten am liebsten selbstständig sein", erklärt der 80-Jährige. Dabei war die innere Geschlossenheit stets die große Stärke des 1895 gegründeten Vereins.

Der Tuspo war von Anfang an ein Arbeiterverein: Goldschläger, Bildhauer, Gewerkschaftsfunktionäre — sie alle fanden am Seeacker ihre sportliche Heimat. Mit dem Inkrafttreten des Sozialistengesetzes 1878 waren Arbeiter und Sozialdemokraten in den Vereinen des Deutschen Turnerbundes nicht mehr gerne gesehen. Dieser Dachverband, 1848 gegründet, war eine deutsche Institution. Später als "staatserhaltend" eingestuft, verpflichteten sich dessen Vereine dem Militarismus. Jährlich hatten sie ein Armeekorps "körperlich durchgebildeter Leute" zu liefern.

Für politische Revolutionäre war wenig Platz. Parallel zum Deutschen Turnerbund entstand 1893 der Arbeiterturnerbund für sozialdemokratisch geprägte Sportler. Die Auswirkungen waren auch in Fürth zu spüren. So wurde am 13. November 1895 in der "Weißen Taube" die Turn- und Sportgemeinschaft Fürth ins Leben gerufen. Unter den Gründungsvätern: Hans Böckler und Hans Vogel, beide bedeutende Sozialdemokraten Fürths.

Als erste Übungsstätte diente der Evorakeller auf dem Gelände der Brauerei Evora & Meyer an der Erlanger Straße an der Ecke zur Alten Reutstraße. Das Verwaltungsgebäude der Brauerei steht heute noch und beherbergt ein Café.

Mit dem Anschluss der beiden Fußballvereine "Merkur" und "Pfeil" ging es 1912 auch mit dem runden Leder richtig los. Ein Jahr später folgte der Kauf des Geländes an der Kronacher Straße. Gegenüber dem heutigen Kleeblatt Campus, direkt angrenzend an die ehemalige Dynamit Nobel, entstand – umgeben von viel Wald – ein Fußballplatz samt Vereinsheim.

Mit viel Fleiß bauten die Mitglieder ihr Gelände selbst — die Einweihungsfeier am 2. August 1914 allerdings fiel ins Wasser: Das Deutsche Reich war bereits in den Krieg marschiert.

52 Mitgliedern ließen an Ost- und Westfront ihr Leben. Doch schon 1919 lief der Sportbetrieb wieder an. Und bereits 1921 folgte der bis dahin größte Erfolg: die deutsche Fußballmeisterschaft im Arbeiter-Turn-und Sportbund. Von 30 000 Menschen erzählt man sich, die die erfolgreichen Fußballer bei ihrer Rückkehr am Hauptbahnhof frenetisch in Empfang genommen haben, bevor der Korso durch die Stadt folgte.

Warum der Jubel so groß war, obwohl es nicht die "große" deutsche Meisterschaft des DFB war? "Weil die politische Bedeutung des Titels den Leuten bewusst war", ist sich Karl Knöfel sicher. Die Anerkennung war riesig, schließlich hatten die eigenen Arbeiter "etwas zustande gebracht", das politische Prestige war hoch.

So entwickelte sich der Verein Stück für Stück, bis 1933 die dunkle Zeit des Nationalsozialismus auch auf der Kronacher Hard die Lichter ausgehen ließ. Arbeitervereine waren fortan verboten, die Nazis beschlagnahmten das Gelände — und räumten dieses zu einem großen Teil leer.

"Es war eine große Herausforderung nach dem Krieg, dem Verein wieder Leben einzuhauchen", erzählt Knöfel. Mühevoll mussten die Mitglieder Nikolaus Sand, Martin Harscher und Fritz Adler mittels Unterlagen und Belegen der "Wiedergutmachungskommission" der USA glaubhaft machen, Anspruch auf das Gelände zu haben. Es gelang.

Mit dem Nachkriegsaufschwung ging es auch beim Tuspo steil nach oben. Die Mitgliederzahlen stiegen und der Verein bekam ein Luxusproblem: die Anlage war zu klein und marode geworden. Auf das Gelände der Dynamit Nobel konnte nicht erweitert werden: zu nahe waren die explosiven Schwarzpulverlager.

Gegenüber hatte der Verein ein passenderes Gelände im Auge. Freilich hatten die Bauern, die auf den Feldern dort ihren Spargel anbauten, etwas dagegen. Die Lösung war trickreich. Weil die Stadt nebenan die Seeackerschule baute, allerdings ohne Turnhalle, gingen Stadtrat und Verein einen Kompromiss ein. Die Stadt kaufte das Gelände, der Tuspo baute darauf und stellte die Halle den Schülern zur Verfügung. Die Nähe zur SPD war dabei sicherlich hilfreich.

Geschaffen haben die Arbeiter ihr Gelände erneut selbst. Karl Knöfel erinnert sich: "Mit Hacke, Schubkarre und Schaufel haben wir damals das Gelände von den Quecken befreit und eingeebnet. Den Zaun, der heute noch steht, über die Bepflanzung bis zu den Wasserleitungen und Rohren, das haben wir alles selber gemacht."

Sportlich rühmte sich der Tuspo stets für die gute Jugendarbeit in allen Sportarten. Der Verein am Seeacker war, obwohl die erste Fußballmannschaft nur bis zur B-Klasse kam, immer auch ein Sprungbrett für den Nachwuchs. In den 70er-Jahren gewann die A-Jugend sogar die Bayerische Meisterschaft.

Die Erfolge blieben auch in der Nachbarschaft nicht unbemerkt. Dass nun die Spielvereinigung auf der Suche nach einem Partner war, kam nicht von ungefähr. Der DFB forderte bereits 2001 ein Nachwuchsleistungszentrum, sonst hätte es für das Fürther Aushängeschild Probleme bei der Lizenzierung gegeben. Die Entscheidung fiel gegen einen Neubau am Schießanger und für die bestehenden Anlagen des Tuspo.

Die Bande zwischen beiden Vereinen waren schon länger geknüpft. In den 80er-Jahren trat die Hockey-Abteilung des Kleeblatts geschlossen zum Tuspo über. Eine Erfolgsgeschichte. Statt auf dem Ascheplatz hinter der Gegengeraden hatten die Hockey-Spieler nun würdige Bedingungen auf dem neu gebauten Platz am Seeacker.

Knöfel lässt durchblicken, dass die Fusion auch im Sinne des Stadtrats war. Unter anderem, weil der Tuspo seine Schulden bei der Stadt auf absehbare Zeit nicht abbauen konnte. "Emotional tat es weh, weil wir wussten, dass wir uns von manchen Mannschaften verabschieden müssen", sagt er wehmütig. Insgesamt zwölf Jugendteams seien dem Schritt zum Opfer gefallen. Die Emotionen schlugen hoch, viele Mitglieder verließen den Verein. Doch Knöfel hat seinen Frieden geschlossen: "Aus heutiger Sicht war die Fusion, das Beste, was aus der damaligen Situation zu holen war. Die Kernabteilungen blieben erhalten und die Spielvereinigung ermöglicht es den großen Abteilungen wie dem Turn- oder dem Herzsport weiter zu existieren."

In den Köpfen und Herzen lebt der Verein durchaus weiter. Es gibt noch genügend Fürther, die von der Gegend rund um die Kronacher Hard sagen: "Drüben beim Tuspo."

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