Eisschwimmen: Das Zittern beginnt erst nach dem Rennen

25.1.2017, 06:00 Uhr
Eisschwimmen: Das Zittern beginnt erst nach dem Rennen

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Minus 15 Grad Außentemperatur, 3,4 Grad Wassertemperatur im Wöhrsee in Burghausen: Für Birgit Becher passable Bedingungen, um loszuschwimmen. Und zwar 40 25-Meter-Bahnen. 1000 Meter, ohne Neoprenanzug, nur im Badeanzug. Das sind die Regeln bei Eisschwimmen.

Eisschwimmen: Das Zittern beginnt erst nach dem Rennen

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In Burghausen fand am 6. Januar die zweite Eisschwimm-Weltmeisterschaft statt. Birgit Becher war eine von insgesamt etwa 250 Starterinnen und Startern. Die 50-jährige Veitsbronnerin betreibt das Eisschwimmen seit 2015 und kam bei ihrer ersten WM-Teilnahme auf Anhieb auf den vierten Platz in der Altersklasse der 50- bis 55-jährigen Frauen.

Mit einer Zeit von 20:15,57 Minuten musste sie sich lediglich einer US-Amerikanerin, einer Britin und einer Irin geschlagen geben. „Insgesamt bin ich mit der WM zufrieden. Mein persönliches Ziel habe ich allerdings nicht erreicht“, ordnet sie die Tatsache ein, dass sie eine 19er-Zeit nicht geschafft hat. „Ich war ganz schön angespannt, die Aufregung war groß – mehr als sonst. Wahrscheinlich auch wegen den Kamerateams, die von der Weltmeisterschaft berichtet haben“, erklärt sie sich die Nervosität. Hinzu sei gekommen, dass sie „gleich am Anfang eine Wende versaut“ habe. „Dann dachte ich: Heute geht gar nichts.“

Dass es doch noch zum vierten Platz gereicht hat, hat sie auch ihrer mentalen Stärke zu verdanken. Während die Durchblutung langsamer und die Bewegungen immer schwerer, die Hände, der Nacken und die Schultern kalt werden, sei es das Wichtigste, ruhig zu bleiben. „Scheiße, jetzt werden die Hände kalt. Bleib in deinem Rhythmus, konzentriere dich auf die Bewegung und die Atmung, schwimme geradeaus, kontrolliere dich immer selbst“, schildert sie, was ihr während der 20 Minuten im Eiswasser durch den Kopf geht.

Das Gefühl danach entschädige für die stechende Kälte, denn „das ist einfach nur wunderbar“. Besonders, wenn bei einer Weltmeisterschaft der vierte Platz herausspringt. „Da bin ich schon ein bisschen stolz. Immerhin bin ich unter den ersten Vier“, sagt sie.

Vorher ein EKG ist Pflicht

Dennoch, und das dürfe man beim Eisschwimmen nicht unterschätzen, sei auch bei dieser Extremsportart immer eine gewisse Gefahr dabei. Nicht umsonst muss jeder WM-Teilnehmer ein Belastungs-EKG vorweisen, Ärzte und Taucher beobachten die Athleten. Auch bei der Regeneration nach den Wettkämpfen müsse der Körper behutsam wieder an die normale Temperatur herangeführt werden. „Unter die heiße Dusche zu hüpfen, was einem der Instinkt vielleicht sagt, ist genau das falsche. Der Körper muss sich selbst regenerieren“, erklärt Becher.

Das Zittern nach einem 1000-Meter-Rennen könne bis zu drei Stunden anhalten. „Man muss insgesamt gut auf seinen Körper hören. Wenn man dort, wo man schwimmt, gar nicht sein will oder wenn auch nur eine Kleinigkeit nicht passt, geht es nicht“, sagt sie. Körper und Kopf sind gleich wichtig, um beim Eisschwimmen zu bestehen. Langsames Steigern im Training sei ohnehin die Grundlage. Hierzu ist Becher bis zu fünf Mal wöchentlich im kalten Wasser, zwei Mal im Hallenbad, um an Technik und Geschwindigkeit zu arbeiten.

Befolgt man diese Regeln und minimiert so die Gefahren des Eisschwimmens, hat die Sportart neben dem von Becher beschriebenen Glücksgefühl auch andere positive Effekte. „Ich denke schon, dass ich ein bisschen abgehärtet bin. Krank werde ich ganz selten“, sagt sie. Ihr Immunsystem werde durch den Sport gestärkt.

Nicht zuletzt deshalb erfährt das Eisschwimmen, das erst seit der Gründung der „International Ice Swimming Association“ im Jahr 2009 eine organisierte Sportart ist, in den vergangenen Jahren einen stetigen Zuwachs an Teilnehmern. Auch Birgit Becher hatte es „sofort gepackt“. Nach eineinhalb Jahren beim Eisschwimmen schätzt sie vor allem die Gemeinschaft, die unter den Sportlern herrscht. „Das ist alles so familiär, wenn man zu den Wettkämpfen kommt. Als würde man heimkommen“, beschreibt sie die Community. Über die Whatsapp-Gruppe „Nichts für Warmduscher“ und Facebook bricht der Kontakt zu den anderen Athleten auch im Sommer und zwischen den Wettkämpfen nicht ab. Zwei Freunde hat Becher schon für ihren Sport begeistern können.

So ist es kein Wunder, dass sie ihre gerade erst begonnene Karriere möglichst lange durchziehen will. „Schwimmen geht ja bis ins hohe Alter. Ich mach das so lange wie ich Spaß daran habe.“ Ein ganz besonderes Ziel hat sie dabei schon vor Augen: Da drei Grad Wassertemperatur anscheinend nicht kalt genug sind, möchte sie zum Eisschwimmen nach Schweden. Dann bei 0,5 Grad.

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