EM täglich (12): Weg mit dem Torrichter II

20.6.2012, 12:40 Uhr
EM täglich (12): Weg mit dem Torrichter II

© Robert Ghement (dpa)

Es wird Giorgos Karagounis nicht trösten. Es wird Kroatien nicht trösten. Es wird die Ukraine nicht trösten. Aber Fehlentscheidungen gehören zum Fußball. Das war lange kein Problem. Stoff für Diskussionen zwar, aber nichts, was den Sport kaputt gemacht hätte. Ein Schiedsrichter und zwei Linienrichter entschieden jahrzehntelang nach bestem Wissen und Gewissen so, wie es ihre Augen ihnen vorgaben. Manch ein Spieler flog deswegen zu Unrecht vom Platz, manche Partie endete deswegen mit dem falschen Ergebnis. England wurde deswegen sogar Weltmeister. Es war kein Problem, nur Stoff für Diskussionen.

Irgendwann entschieden ein paar clevere Herren aber, dass drei Unparteiische dem Spiel nicht mehr gerecht werden. Also installierten sie zunächt einmal einen vierten Mann. Dessen Hauptaufgabe besteht seitdem in der Eindämmung von Trainer-Emotionen und der Präsentation von elektronischen Anzeigetafeln.

2009 hatte die UEFA dann eine weitere tolle Idee. Sie führte in der Europa League Torrichter ein. Die turnen nun also auch bei der Europameisterschaft neben und auf dem Feld umher, sollen Wembley-Tore verhindern und in strafraum- und tornahen Szenen Fehlentscheidungen entgegenwirken. Allein, es funktioniert nicht so recht.

Giorgos Karagounis wurde am Samstag im Strafraum klar gefoult. Der Torrichter hatte beste Sicht. Karagounis sah Gelb für eine Schwalbe und fehlt seinem Team im Viertelfinale gegen Deutschland. Mario Mandzukic wurde zwei Tage später im entscheidenden Spiel der Kroaten gegen Spanien ebenfalls im Sechzehnmeterraum gefoult. Relativ rüde sogar. Torrichter Florian Meyer hätte besser kaum postiert sein können. Ein regelwidriges Vergehen signalisierte er Referee Wolfgang Stark dennoch nicht. Am Dienstagabend erzielte Marko Devic für die Ukraine den vermeintlichen Ausgleich gegen England. John Terry grätschte die Kugel hinter der Linie wieder aus dem Tor heraus. Es war ein Moment, wie gemacht für den Torrichter. Perfekt, um zu beweisen, dass die Diskussion vom Vortag unnötig war, dass der Additional Assistant Referee sehr wohl seine Daseinsberechtigung hat. Doch die Partie lief weiter.

Abgesehen davon, dass ein elektronisches Auge oder ein Chip im Spielgerät im Zweifelsfall viel besser entscheiden können, ob ein Ball hinter, vor oder auf die Linie geprallt ist und deswegen den Torrichter schon deshalb überflüssig machen, gibt dessen Präsenz einer Fehlentscheidung eine unnötige Schwere. Wolfgang Stark, der auch Spanien einen Strafstoß verweigerte, kann man die falsche Entscheidung im Fall Mandzukic verzeihen. Dass aber Florian Meyer kein Foul gesehen haben will, kann man nur schwer nachvollziehen. Viktor Kassai, dem ungarischen Referee der Partie zwischen der Ukraine und England, kann man die falsche Entscheidung im Fall Devic verzeihen. Unerklärlich ist jedoch, dass der Torrichter den Treffer nicht gesehen haben will. Dass dem Tor eine Abseitsstellung vorausging, macht die Sache nicht besser, sondern nur noch schlimmer. Es zeigt: Neben dem Torrichter hat auch der Schiedsrichterassistent geschlafen.

Fehlentscheidungen werden zum Problem, weil sie neben Stoff für Diskussionen auch Stoff für Spekulationen liefern. Einen Gefallen hat die UEFA mit dem Torrichter niemandem getan. Karagounis nicht, Mandzukic nicht, Florian Meyer nicht, der Ukraine nicht und sich selbst auch nicht. Also weg damit.

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