EM täglich (6): Erzrivale, was ist mit dir?

14.6.2012, 13:45 Uhr
EM täglich (6): Erzrivale, was ist mit dir?

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Im Jahr 1979 geboren, erfuhr ich meine fußballerische Prägung auf internationaler Ebene Ende der 80er, Anfang der 90er Jahre. Die großen Turniere in Deutschland 1988 und Italien 1990, die ich - wenn auch teilweise mit 12-stündiger Verzögerung auf Video - intensiv verfolgte, sollten sich dabei als maßgebend erweisen. Für die, die nie in den Genuss eines Bio-Leistungskurses kamen: Prägung ist eine irreversible Form des Lernens.

Und so lernte ich fürs Leben allerhand Unschönes über unsere orangenen Nachbarn. Die Holländer stellten sich mir als eine unsympathische Bande roher Holzfäller ohne Manieren vor, die ihre Elftal mit ein paar Ausnahmekönnern pimpte und deswegen verdammt schwer zu schlagen war. Unterstützt wurde die Mannschaft stets von tausenden Faschingsprinzen, die unsere Nationalhymne niederpfiffen.

Über Jahre hatte ich keinen Grund an dem Erlernten zu zweifeln. Der Geist von Hans van Breukelen und Ronald Koeman war immer dabei, wenn der Koninklijke Nederlandse Voetbal Bond seine Auswahl gegen uns ins Rennen schickte. Immer - bis gestern!

Ein halbherziger Ellbogenschlag von Ex-Badboy und Jetzt-nur-noch-Bondscoach-Schwiegersohn van Bommel gegen Özil, ein kraftloser Nackenklatscher von Huntelaar gegen Schweinsteiger - mehr hatte Holland nicht zu bieten. Die größte Enttäuschung: Bullterrier Nigel de Jong. Der Karate-Tiger des WM-Finals 2010 handzahm wie ein Pekinese. Nicht einmal in der Lage, dem eingewechselten Eckfahnenläufer Lars Bender eine mitzugeben.

Ich konnte es in einer Horde bierseliger deutscher Fans natürlich nicht laut sagen. Aber ein Gefühl von Mitleid beschlich mich. Mitleid mit Holland. Wie sich Ex-Egoist Robben am Spielfeldrand frustriert die durchgeschwitzten Socken knetete, wie van Bommel seinem Kumpel Schweinsteiger tieftraurig ins Trikot heulte. Ja - sie taten mir leid.

Während ich vorgab, mir ein Remis zwischen Deutschland und Dänemark zu wünschen, um den Niederlanden endgültig den Weg ins Viertelfinale zu verbauen, dachte ich eigentlich daran, wie sie es doch noch schaffen könnten. Nur um in der nächsten Sekunde schon wieder davon zu träumen, wie toll es wäre, diese unsympathische Bande roher Holzfäller ohne Manieren im Finale von Kiew noch einmal in Grund und Boden zu spielen.

 

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