Erlanger im Interview: "Im WM-Finale völlig verausgabt"

31.8.2016, 07:20 Uhr
Erlanger im Interview:

© privat

Herr Grimmer, haben Sie Ihre Medaille überhaupt schon einmal aus der Hand gelegt?

Lasse Grimmer: Ziemlich schnell sogar. Ich habe die Medaille direkt meinem Vater gegeben, weil ich Angst hatte, sie zu verlieren.

So schnell verliert man doch keine Medaille.

Grimmer: Nach den Final-Rennen war noch so viel los, wir hatten eine Abschlussveranstaltung, da durften wir mal einen Abend feiern, und vorher haben wir mit den anderen Nationen unsere Sportkleidung getauscht.

Trikot-Tausch bei den Ruderern?

Grimmer: Richtig. Nach dem Finale gibt es einen riesigen Pulk, alle tauschen wild durcheinander. Ich habe jetzt zum Beispiel eine Italien-Jacke.

 

Eine Gold-Jacke also.

Grimmer: Die Italiener waren im Finale nicht zu schlagen.

Sie haben Silber geholt. Kam das überraschend?

Grimmer:Zu Beginn der Saison hätte ich niemals mit einer WM-Medaille gerechnet. Am Anfang war es kompliziert, ich durfte nicht mit zur Europameisterschaft, dafür zur WM. Dann bin ich nicht in das Prestige-Boot, den Achter, hineingerutscht. Nach dem Vorlauf sah es auch nicht so aus. Aber der Start im Finale ist geglückt. Jetzt bin ich natürlich mega happy.

Im Endlauf haben Sie sich knapp gegen die USA und Serbien durchgesetzt. Wie haben Sie das erlebt?

Grimmer: Der Steuermann feuert fleißig an, er sieht die Italiener vor uns. Wir sehen sie nicht, wir fahren ja rückwärts. Es ist richtig anstrengend. Nach dem Rennen bin ich erst einmal vorne umgeklappt, war kurz weg. Mein Kamerad hat mich ein wenig gestützt, dann ging’s wieder.

Ist das normal?

Grimmer: Im WM-Finale schon. Unsere Taktik war, in den ersten 300 bis 400 Metern herauszubrechen. Da bist du danach schon kaputt. Es war ziemlich wellig. Gänzlich Gas geben kann man dann nicht, weil man besonders auf die Technik achten muss. Aber man kommt an seine Leistungsgrenze.

Was ist die Besonderheit an der Bootklasse Vierer mit Steuermann?

Grimmer: Vor allem, dass vorne jemand sitzt, der 55 Kilogramm wiegt, und das für uns viel anstrengender ist als ohne ihn. (lacht)

Ist das Gewicht vorgeschrieben?

Grimmer: Der Steuermann darf nicht weniger als 55 Kilogramm wiegen, das wird vor jedem Rennen kontrolliert. Jedes Kilo mehr macht es für uns schwieriger, also wiegt er genau so viel.

Welche Aufgabe hat der Steuermann?

Grimmer: Vor allem soll er gerade steuern. Bei viel Wind ist das gar nicht so leicht. Im Rennen gibt er taktische Anweisungen und sagt uns auch, auf welcher Position wir liegen. Wir sollen eigentlich nicht herum gucken. Aber ganz vermeiden lässt es sich nicht, da ist man einfach zu neugierig.

Es war Ihre erste WM.

Grimmer: Besonders schön war, dass es eine richtig große Veranstaltung war, da auch die U-23-WM und die der nicht-olympischen Bootsklassen in Rotterdam ausgetragen wurde. Die Athleten kamen aus der ganzen Welt. Es war toll, auch die älteren Sportler zu sehen. Sogar Olympia-Starter waren dabei.

Wirklich? Wer denn?

Grimmer: Beispielsweise Paul O’Donovan aus Irland. In Rio hat er Silber im Leichtgewichts-Doppelzweier gewonnen.

Kommt man mit den Athleten aus den anderen Nationen ins Gespräch?

Grimmer: Vor den Finalläufen bleibt man unter sich. Es gibt für jede Nation ein Mannschaftszelt. Danach redet man schon viel miteinander. Mit den US-Amerikanern, den Türken und den Belgiern waren wie außerdem im Hotel.

Sie sind der erste WM-Medaillengewinner in der 105-jährigen Geschichte des RVE. Welchen Anteil hat Trainer Ingo Euler an Ihrem Erfolg?

Grimmer: Bei der WM und im fünfwöchigen Trainingslager davor war er nicht dabei. Aber als Heimtrainer hat er einen riesengroßen Anteil daran. Seit vier Jahren haben wir trainiert. Ingo hat eine unglaubliche Erfahrung. Er war selbst dreimal bei Olympia.

Ist das auch Ihr Ziel?

Grimmer:Erst einmal will ich entspannen und Abstand zum Rudern gewinnen. Für mich persönlich steht der Umzug nach Essen an. Dort werde ich Internationales Management studieren. Nach einer kleinen Pause steige ich aber wieder in den Leistungssport ein. Das Leistungszentrum des Deutschen Rudervereins ist in Dortmund ganz in der Nähe.

Gibt es 2024 dann Olympia-Gold?

Grimmer: Für jeden Sportler sind die Olympischen Spiele das Größte. Doch ich denke lieber Schritt für Schritt und setze mir jede Saison neue Ziele. Ausschlagen würde ich das Angebot aber nicht.

 

Keine Kommentare