Ex-Club-Trainer Weiler: "Fans müssen Realität akzeptieren"

29.5.2017, 05:54 Uhr
"Mourinho hat mir Respekt gezollt": Anderlechts Trainer Rene Weiler (r.) und Manchesters Trainer Jose Mourinho in der K.o.-Runde Europa-League.

© Virginie Lefour/BELGA/dpa "Mourinho hat mir Respekt gezollt": Anderlechts Trainer Rene Weiler (r.) und Manchesters Trainer Jose Mourinho in der K.o.-Runde Europa-League.

Herr Weiler, erinnern Sie sich aus Nürnberger Zeiten an unsere berühmte letzte Frage?

Weiler: (lacht) Ich vermisse Ihre letzte Frage aus den Pressekonferenzen.

Sie lautete: Macht es Ihnen noch Spaß? Es ist ja eine Frage, die sich wahrscheinlich jeder Nürnberg-Trainer manchmal stellt. Jetzt hatten Sie beim belgischen Spitzenklub RSC Anderlecht auch kein ganz leichtes Jahr. Also: Macht es Ihnen noch Spaß?

Weiler: Wenn man alle Einflüsse und Stimmen, die es in einem Verein gibt, richtig einschätzen kann, macht’s immer noch Spaß ...

Ein große, stolze Tradition, entsprechende Erwartungen, die nicht immer in einem gesunden Verhältnis zu den sportlichen Möglichkeiten stehen – war das auch in Brüssel schwierig? Und war Ihre erfolgreiche Zeit in Nürnberg dafür lehrreich?

Weiler: Bei allen Vereinen, bei denen die Fangemeinde und die vergangenen Erfolge groß sind, ist es unruhig – und erwartungsfroh. Man möchte Vergangenes wiedererleben. Besser wäre es aber, die Neuzeit und Realität zu akzeptieren – was einmal war, ist heute wenig wert.

Der RSC Anderlecht ist belgischer Rekordmeister und gewann zwischen 1976 und 1983 drei Europapokale, entsprechend hoch sind die Ansprüche. Sie standen zunächst in der Kritik, haben aber nach einem zähen Start eine immer bessere Mannschaft geformt. In der Europa League scheiterten Sie erst im Viertelfinale ganz knapp am späteren Sieger Manchester United und Trainer José Mourinho. Was gab den Ausschlag für den Erfolg, den Meistertitel?
 
Weiler: Wir haben das Team total umgekrempelt und eine so ehrgeizige wie solidarische Gemeinschaft geschaffen. Wenn nicht alle wichtigen Personen mitziehen, wird es immer schwieriger, erfolgreich zu sein.

Für Sie als Trainer ist es der erste Titel, künftig spielen sie ganz oben. In der Champions League. Wird das den Trainer René Weiler verändern?

Weiler: Ich versuche – wie Sie ja bestens wissen – immer den maximalen Erfolg zu realisieren und jeden einzelnen Spieler besser zu machen. Mein Ziel ist in erster Linie stets die gute Arbeit, also der Weg – und nicht der Sieg, der Titel oder ein europäischer Wettbewerb. Am Ende kriegt man als Verein – und damit auch als Trainer – eh immer das, was man verdient.

Wobei sich die Voraussetzungen – Stichwort Machbarkeit, realistische Einschätzung – verschieben. Hier in Deutschland läuft gerade wieder die Ihnen ja bestens bekannte Relegation zur Bundesliga, Groß wird Klein wahrscheinlich wieder besiegen. Was bedeutet das für den Fußball: Diese immer größer werdende Kluft?

Weiler: Die großen Vereine sind über zwei Spiele ganz klar im Vorteil, trotzdem ist ein Aufsteigen als Dritter der zweiten Liga nicht ausgeschlossen. Das Problem im Fußball ist doch meistens der viel zu hohe Anspruch – und das mangelnde Wissen vieler Menschen, die dabei mitreden dürfen. Heute gibt es weltweit sehr viele gute Klubs, die den Traditionsvereinen den Rang wirtschaftlich abgelaufen haben.

Ein Experte wie Jogi Löw, der deutsche Bundestrainer, hat Ihnen gerade exzellente Arbeit bescheinigt – in Nürnberg, jetzt bei Anderlecht. Verraten Sie uns noch, was José Mourinho gesagt hat? Es war ja ein sehr intensiver Plausch zwischen Ihnen beiden im Viertelfinale der Europa League.

Weiler: Mourinho hat mir Respekt gezollt, aber den Inhalt erachte ich als persönlich.

Verwandte Themen


200 Kommentare