F1-TV-Kritik: Funkenflug in Yeongam

6.10.2013, 16:04 Uhr
F1-TV-Kritik: Funkenflug in Yeongam

© Jeon Heon-Kyun (dpa)

"Wenn die anderen nach Hause gehen und die Eier in den Pool hängen, dann sind wir noch da." Mit diesen Worten erklärte Sebastian Vettel die Überlegenheit von Red Bull nach seinem Sieg in Singapur. Das saß - und es war extrem unglücklich. Denn Vettel hat momentan ein Problem: Er ist einfach zu gut.

Das Publikum ist davon nicht gerade begeistert - die Pfiffe während der Siegerehrung in Singapur zeigten es. Eine etwas schizophrene, zumindest aber extrem unsportliche Reaktion der Zuschauer, die zwar Sieger lieben, Überlegenheit aber ablehnen. Ein Phänomen, mit dem auch Michael Schumacher zu kämpfen hatte.

Und doch hätte sich Vettel diese Äußerung besser verkniffen, auch wenn der Ärger über die Pfiffe sicherlich nicht gerade klein war. Sonst könnte es um Vettel bald so einsam sein, wie es auch beim oft als arrogant empfundenen Michael Schumacher der Fall war. Und das wäre doch schade.

 

6.30 Uhr: Der Wecker klingelt nicht. Schließlich hat mir mein Kater bereits vor einer halben Stunde auf sanfte aber deutliche Weise gezeigt, dass er gerne aus dem Haus gehen würde. So hatte ich wenigstens reichlich Zeit, mir einen Espresso zu machen, der selbst bei Toten einen Herzinfarkt verursachen würde.

6.45 Uhr: Mit einem schnell geschnittenen Kampfsport-Einspieler stimmt RTL auf den Großen Preis von Südkorea ein. Angesichts dieser enormen Reizüberflutung hätte ich meinen Espresso vielleicht doch nicht so stark machen sollen.

6.46 Uhr: Kai Ebel, sonst stets grenzwertig gekleideter Boxenreporter, übernimmt heute anscheinend statt Florian König die Rolle des Moderators. Wenigstens ist heute das einzig Grenzwertige an Ebel seine blau-gelbe Krawatte - sonst wäre mir der Herzinfarkt sicher.

6.47 Uhr: Mit einigen Filmausschnitten aus dem F1-Film "Rush" stellt RTL einige Parallelen zwischen Sebastian Vettel und Niki Lauda her. Jetzt läuft der Film schon unfassbare drei Tage im Kino, und ich habe ihn immer noch nicht gesehen. Schande über mich.

7.13 Uhr: Ein glücklicher RTL-Reporter hatte das Vergnügen, Fernando Alonso zu interviewen - während dieser einen Ferrari F12berlinetta (ja, den schreibt man wirklich so) über die Nordschleife des Nürburgrings prügelt. Dieses Interview hätte ich auch gerne geführt. Obwohl ich Alonso nicht mag. Außerdem hätte ich ihm das Auto vielleicht klauen können. Oder für die nächsten 25 Jahre ausleihen.

7.14 Uhr: Gewagte These des Sprechers aus dem Off während des Alonso-Einspielers: "Es ist Zeit, das Klischee des bösen Spaniers beiseite zu legen" Nein, danke. Ein Mann braucht einen Erzfeind - und ich bin gerade einfach zu müde, um mir einen neuen zu suchen.

7.35 Uhr: Auch Co-Kommentator Christian Danner nimmt Alonso in Schutz: "In der Vergangenheit ist er oft als der Bad Boy gebrandmarkt worden. Dabei ist der ein echt netter Kerl". RTL hat sich also gegen mich verschworen. Ich wusste schon immer, dass das irgendwann passieren würde.

7.55 Uhr: Am Ende der Werbung läuft eine Vorschau auf "Mario Barth deckt auf". Die ultimative Monstrosität unter den deutschen Comedians ist offenbar nun in investigativer Mission der öffentlichen Geldverschwendung auf der Spur. Da hat RTL ja einen echten Experten am Start. Schließlich sind seine Shows die reine Zeitverschwendung, und die Tickets zu seinen Shows sind der Inbegriff der Geldverschwendung.

08.03 Uhr: Der Start. Sebastian Vettel kommt hervorragend weg und hat nach einigen Kurven bereits gefühlte drei Kilometer Abstand zum restlichen Feld. Hinter ihm rumpelt es ein wenig, wobei sich ein Ferrari dreht und weit zurückfällt. Meine Hoffnung, dass das Fernando Alonso sein könnte, bestätigt sich nicht: Es war sein Teamkollege Massa. War klar.

8.25 Uhr: Das Crashkid Sergio Perez lässt nach: Er drängt Paul Di Resta in einer Kurve nach außen von der Strecke, versäumt es aber, ihm den Garaus zu machen. War das Mitleid, Nachlässigkeit oder ein schlichtes Versehen? Das muss ich weiter beobachten.

8.29 Uhr: Nach mehreren Kameraschwenks über die Strecke fällt mir auf, dass die Stadt um den "Stadtkurs" Yeongam noch immer nicht existiert. Aber hey, wenigstens die Autobahn neben der Strecke ist mittlerweile fertiggestellt. Damit ist die Entstehung der Stadt wohl nur noch eine Frage weniger Jahrzehnte.

8.39 Uhr: Fernando Alonso beißt sich am fünftplatzierten Nico Hülkenberg die Zähne aus. Ich mag Hülkenberg.

8.43 Uhr: Was ich auch mag, ist die Art, wie Kommentator Heiko Waßer die australische Stadt Perth ausspricht: "Pörs". Lothar Matthäus hätte es nicht schöner sagen können.

8.47 Uhr: Ein Zuschauer fragt via Chat, ob denn Pirelli auch im nächsten Jahr wieder der Reifenlieferant der Formel 1 sei. Christian Danner bejaht das - und erklärt, dass das für Pirelli eine echte Herausforderung wird, weil sich die Autos im kommenden Jahr massiv von den aktuellen unterscheiden: Tests sind dadurch nur schwer möglich. Wunderbar, dann endet nächstes Jahr das unsägliche Reifen-Roulette mit ständig wechselnden Siegern vermutlich erst im vorletzten Rennen. Das wird sicher total - hm, wie nennen das die Veranstalter? Ach ja: “spannend”.

8.49 Uhr: Paul Di Resta scheidet nach einem Dreher aus - möglicherweise hatte er einen Defekt an der Radaufhängung. Ah, jetzt verstehe ich, was Sergio Perez bei seinem Manöver getan hat: Er hat so etwas wie den "Fünf-Finger-Herz-Explosions-Trick" aus Quentin Tarantinos "Kill Bill" angewandt. Ein unscheinbarer kleiner Rempler, der eine halbe Stunde später fatale Folgen hat, wenn Perez selbst schon längst über alle Berge ist. Der Mann ist also sozusagen der Ninja unter den Crashkids.

8.52 Uhr: Bei voller Fahrt knickt die Nase von Nico Rosbergs Mercedes nach unten ab, so dass der Spoiler auf dem Asphalt schleift und ganze Wolken von Funken schlägt. Auch wenn das sehr unschön für Rosberg ist: Schade, dass er das nicht vor zwei Wochen in Singapur geschafft hat. Bei Nacht hätte das noch beeindruckender ausgesehen.

8.58 Uhr: Ebenfalls bei Vollgas löst sich die Lauffläche des rechten Vorderreifens von Sergio Perez in Fetzen auf. Anscheinend hat man bei McLaren den richtigen Zeitpunkt für einen Reifenwechsel verpasst und löst damit einen Safety-Car-Einsatz aus. Da siecht der Ninja dahin - aus der Ferne gemeuchelt von seinem Renn-Strategen. Welch bittere Ironie.

9.12 Uhr: Adrian Sutil rumpelt Mark Webber in den Seitenkasten. Webber rollt neben der Strecke aus, sein Auto fängt Feuer und brutzelt sanft vor sich hin, während der Australier ratlos daneben steht und auf die Feuerwehr wartet. Die lässt sich aber Zeit, wodurch es zum nächsten Einsatz des Safety Cars kommt. Ausgerechnet heute, wo ich nichts dagegen hätte, wenn das Rennen schnell vorüber ist. Ich will wieder ins Bett.

9.20 Uhr: Das Rennen ist wieder freigegeben. Ich hoffe, die Fahrer legen jetzt mal einen Zahn zu.

9.39 Uhr: Nico Hülkenberg verteidigt seinen vierten Platz seit mehreren Runden mit Zähnen und Klauen gegen Lewis Hamilton. So muss Rennsport sein. Ich bin so begeistert, dass meine Augen sogar ohne eingeklemmte Streichhölzer offen bleiben.

9.48 Uhr: Sebastian Vettel gewinnt den Großen Preis von Südkorea. Kimi Räikkönen wird Zweiter, Romain Grosjean Dritter. Die wirkliche Überraschung des Rennens ist aber Nico Hülkenberg: Er landet mit seinem Sauber auf dem vierten Platz und war damit schneller als die hochklassige Konkurrenz von Mercedes, Ferrari und McLaren. Vettel hat nun bereits im nächsten Rennen die Möglichkeit, seinen vierten WM-Gewinn in Folge unter Dach und Fach zu bringen. Grandiose Aussichten für den Heppenheimer.

Das sehen offenbar auch die Südkoreaner positiv: Bei der Siegerehrung war diesmal kein einziger Pfiff zu hören.

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