F1-TV-Kritik: Geisterfahrer auf dem Nürburgring

7.7.2013, 16:56 Uhr
F1-TV-Kritik: Geisterfahrer auf dem Nürburgring

© dpa

Die Botschaft war relativ eindeutig: Pirelli trägt eigentlich keine Schuld daran, dass der Formel 1 in Silverstone im wahrsten Sinne des Wortes die Reifen um die Ohren geflogen sind. Einige Teams hätten die Hinterreifen seitenverkehrt montiert und seien auch mit zu geringem Luftdruck gefahren - das habe die Reifen unnötig geschwächt.

Falsch ist diese Erklärung nicht. Die Rennställe, an deren Autos die Reifen geplatzt waren, hatten tatsächlich den rechten Hinterreifen auf die linke Seite montiert und umgekehrt. Außerdem verwendeten sie auch einen etwas geringeren Luftdruck, um die Bodenhaftung zu erhöhen. Allerdings: Die Teams hatten Pirelli vorher wegen dieser Maßnahmen konsultiert - Bedenken gab es seitens des Reifenherstellers keine.

Konsequenzen gab es trotzdem. Montage, Reifendruck, Sturz - alles ist nun seitens Pirelli ganz genau vorgeschrieben. Außerdem sind die Reifen nun mit Kevlar und nicht mehr mit Stahl verstärkt. Schäden wie in Silverstone sollen dadurch vermieden werden, doch ob die Reifen dadurch länger halten? Allein mir fehlt der Glaube, aber die Hoffnung stirbt ja bekanntlich zuletzt.

 

12.45 Uhr: Nico Rosberg, Nico Hülkenberg und Lewis Hamilton verkünden das Motto der Vorberichterstattung: "Adrenalin". Habe ich gerade nicht da. Ich hoffe, Koffein tut es auch.

12.47 Uhr: RTL zeigt das Fan-Geschehen rund um die Rennstrecke. Ich lerne: Fußball- und F1-Fans geben sich nichts. Weder in Sachen Körperumfang, noch beim Bierkonsum. Auch die Artikulation ("EEEEEEEEYYYYYYYYYY, VEEEEEEETTEEEEEELLL!") ist äußerst ähnlich.

12.49 Uhr: Nach seinem Hemd im Matrosen-Design zu urteilen, hat Boxenreporter Kai Ebel vor der Übertragung noch schnell versucht, sich bei der Marine zu bewerben. Hat wohl nicht geklappt, weswegen er jetzt immer noch im Dienst von RTL steht. Schade eigentlich.

12.54 Uhr: Werbung für fluege.de. Egal wie oft ich die Werbung sehe: Ich glaube einfach nicht, dass auf diesem Planeten ein Flugzeugsitz existiert, der die komplette Leibesfülle von Reiner Calmund aufnimmt. Das nur am Rande.

13.01 Uhr: Co-Moderator Niki Lauda lobt Nico Hülkenberg: "Der ist ein guter Pilot, auf den muss man ein Auge werfen". Das erinnert mich an die Lepra-Witze, die ich in der Grundschule so geliebt habe. Ich war einfach immer schon ein schlechter Mensch. Aber wenigstens hatte ich Spaß dabei.

13.15 Uhr: Wie in der vergangenen Woche beschäftigt sich ein Einspieler mit den G-Kräften, die auf die Piloten wirken. Zum Vergleich hat RTL den Reporter Felix Görner dazu verdonnert, in einer Phantom mitzufliegen. Mir wird schon vom Zusehen schlecht. Da lobe ich mir doch meinen gemütlichen Platz auf dem Sofa.

13.22 Uhr: Niki Lauda spekuliert, dass die ersten Boxenstopps bereits zwischen der vierten und sechsten Runde nötig werden könnten, weil die Reifen nicht so lange halten. Mir ist gerade nicht danach, mich über Pirelli aufzuregen, daher nur in aller Kürze, weil ich es heute noch nicht erwähnt habe: Früher war alles besser. ALLES.

13.46 Uhr: Ich bewundere Nico Rosberg. Aus tiefstem Herzen. Egal, welche Fragen ihm Kai Ebel in seinen unzähligen Interviews stellt, er ist immer freundlich und macht die kleinen (mal mehr, mal weniger guten) Witzchen mit. Ein weiterer Grund, weswegen ich wohl nicht zum F1-Fahrer taugen würde.

14.03 Uhr: Der Start. Schon auf den ersten Metern überholt Sebastian Vettel Lewis Hamilton und erobert dadurch die Führung. Dahinter die Sensation: Vettels Teamkollege Mark Webber verschläft den Start NICHT (!!!) und kommt ebenfalls noch vor der ersten Kurve an Hamilton vorbei. McLaren-Bruchpilot Sergio Perez riskiert bei einem Überholmanöver bewusst die Kollision mit seinem Teamkollegen Jenson Button, der allerdings zurückweicht. Ich glaube, es wird wirklich Zeit, dass Perez mal neben einem Pferdekopf aufwacht.

14.09 Uhr: Ein rotes Auto steht neben der Strecke und ist damit aus dem Rennen. Es ist ein Ferrari! Es ist... nicht Fernando Alonso, sondern Felipe Massa. Schade. Ich mag nämlich Alonso nicht.

14.11 Uhr: Die ersten Boxenstopps, wie befürchtet nach vier Runden. Früher war alles besser.

14.12 Uhr: Co-Kommentator Christian Danner erklärt: "Die Spitze fährt immer noch deutlich schneller als das, was Fernando Alonso fährt." Ein Satz, der wie Musik in meinen Ohren klingt. Wundervoll. Da scheint die Sonne doch gleich noch ein wenig heller.

14.13 Uhr: Mein geliebtes Weib betritt den Raum, wirft einen Blick in Richtung Fernseher und fragt beiläufig: "Läuft das Rennen schon?" Ich mag sie. Ehrlich. Meistens.

14.14 Uhr: Die Mercedes-Box wendet sich mit einem hilfreichen Ratschlag an Lewis Hamilton: "Gib Gas." Man stelle sich die schreckliche Konfusion vor, wenn einmal der Boxenfunk ausfällt! Fahrer, die hilflos über die Strecke irren, weil sie nicht mehr wissen, wohin sie fahren, wann sie bremsen und wann sie Gas geben sollen! Ein Horror-Szenario! Lieber nicht daran denken.

14.17 Uhr: Mark Webber verliert nach dem Reifenwechsel noch in der Box sein Hinterrad, das einem Kameramann oder Mechaniker heftig auf die Brust knallt. Das sah übel aus, hoffentlich ist ihm nichts passiert. Webber wird von seinem Team zurückgezogen und bekommt ein neues Hinterrad, allerdings dürfte Red Bull für diesen Fehler eine heftige Strafe drohen.

14.22 Uhr: Lewis Hamilton funkt an die Box: "Nico ist nicht im selben Rennen". Tempobedingter Realitätsverlust oder der Wunsch nach ein wenig Stallregie? Das muss ich weiter beobachten.

14.34 Uhr: Mehrmals beklagt sich Lewis Hamilton via Boxenfunk über seine Reifen und deren mangelnde Bodenhaftung. Das Jammern hat er über die Jahre wirklich immer weiter perfektioniert.

14.37 Uhr: Der momentan sechstplatzierte Alonso beißt sich am vor ihm fahrenden Hamilton mehrere Kurven lang die Zähne aus. Ich mag Hamilton. Jedenfalls im Moment

14.40 Uhr: Der Kameramann, der von Webbers Hinterreifen getroffen wurde, hat offenbar eine Gehirnerschütterung und klagt über Schmerzen in der Brust, sonst scheint er aber keine schwereren Verletzungen erlitten zu haben. Dann kann ich mich ja wieder mit vollem Bewusstsein dem Rennen widmen.

14.43 Uhr: Jules Bianchi stellt seinen rauchenden Marussia mit einem kapitalen Motorschaden neben der Strecke ab und steigt aus. Als der Abschleppwagen eintrifft, tritt der waidwunde Marussia die Flucht an: Er setzt sich in Bewegung und rollt bedächtig aber unbeirrt rückwärts, überquert die Rennstrecke entgegen der Fahrtrichtung und walzt danach ein Werbeschild der Allianz nieder. Das war aber bestimmt versichert.

14.44 Uhr: Während die Streckenposten den geflüchteten Marussia zu überwältigen versuchen, kommt das Safety-Car auf die Strecke. Gute Entscheidung: Entflohene Rennautos sind unberechenbar - besonders wenn sie verletzt sind.

14.55 Uhr: Das Rennen ist wieder freigegeben. Der Marussia hat anscheinend den Fangschuss bekommen, die Regie hat den Zuschauern diese grausamen Bilder aber glücklicherweise erspart. So etwas will man einfach nicht sehen - besonders an einem Sonntag.

15.23 Uhr: "Das war ganz lieb, wie der Nico (Rosberg) den Lewis da vorbeigelassen hat", lobt Christian Danner. Ich habe es ja gesagt. Der Nico ist ein ganz, ganz Lieber.

15.28 Uhr: Nach seinem vermutlich letzten Boxenstopp fährt Fernando Alonso gleich in der ersten Kurve erst einmal eine Weile geradeaus, bis ihm auffällt, dass die Strecke ja nach rechts abbiegt. Er schafft es gerade noch, nicht im Kiesbett zu landen. Sind das erste Alterserscheinungen? Sollte er seine Karriere vielleicht beenden, bevor er sich noch ernsthaft verletzt? Vielleicht schreibe ich ihm einfach mal eine eMail und schlage ihm das vor. Er freut sich sicher, wenn sich jemand um seine Gesundheit sorgt.

15.43 Uhr: Sebastian Vettel beendet seinen Deutschland-Fluch und gewinnt den Großen Preis von Deutschland sehr, sehr knapp vor Kimi Räikkönen. Romain Grosjean rettet ebenso knapp seinen dritten Platz vor Fernando Alonso. Letzterer dreht sich unmittelbar nach Rennende in einer Kurve und stellt seinen Wagen gleich neben der Strecke ab. Vielleicht wäre es ja wirklich Zeit, seine Karriere an den Nagel zu hängen - in seinem eigenen Interesse selbstverständlich.

Das hat nichts damit zu tun, dass ich ihn nicht mag. Ehrlich.

Verwandte Themen


2 Kommentare