F1-TV-Kritik: Krönung in Greater Noida

27.10.2013, 12:37 Uhr
Sebastian Vettel ist zum vierten Mal in Folge Weltmeister der Formel 1.

© dpa Sebastian Vettel ist zum vierten Mal in Folge Weltmeister der Formel 1.

Sollte Sebastian Vettel beim Großen Preis von Indien zum vierten Mal in Folge Weltmeister werden (was zu dem Zeitpunkt, zu dem diese Zeilen entstanden sind, noch nicht klar war), katapultiert sich der junge Heppenheimer endgültig in die Sphären der Legenden.

Nur zwei Fahrer schafften dieses Kunststück in der bisherigen Geschichte der Formel 1. In den Jahren 1954 bis 1957 war Juan Manuel Fangio Dauer-Weltmeister. Anschließend dauerte es fast 50 Jahre, bis ein zweiter Fahrer nicht nur eine solche Leistung vollbrachte, sondern sogar noch eins draufsetzte: Von 2000 bis 2004 wurde Michael Schumacher sogar fünfmal in Folge Weltmeister.

Vettel befindet sich also in einem höchst erlauchten Kreis - und dabei ist er noch so jung, dass das Ende der Fahnenstange für ihn noch lange nicht erreicht ist. Doch man soll es ja nicht beschreien, deswegen freue ich mich jetzt erst einmal einfach nur auf das Rennen. Völlig unaufgeregt. Ganz ruhig.

 

9.00 Uhr: Der Wecker klingelt NICHT. Dank der Zeitumstellung bin ich nämlich nicht nur schon wach, sondern habe sogar ausreichend Schlaf bekommen. In einer perfekten Welt würde die Uhr an jedem Wochenende zurück gestellt werden. Für mindestens drei Stunden.

9.15 Uhr: Das Moderatorenteam Florian König und Niki Lauda eröffnet die Vorberichterstattung mit einem schicken Turban auf dem Kopf. Lauda ist das sichtlich peinlich. Mir auch.

9.31 Uhr: Dafür, dass Indien das Land der Farben (und der Gegensätze) ist, fällt die Vorberichterstattung erstaunlich "unknallig" aus. Ausgerechnet heute, wo ich ausgeschlafen bin und mit der üblichen Reizüberflutung gut umgehen könnte.

9.40 Uhr: Nico Rosberg führt eine kleine Gruppe indischer Kinder durch die Mercedes-Box. Einem kleinen Mädchen schäumt die Cola über und läuft in einen aufgebockten Rennwagen. Rosberg allerdings bleibt locker: "Alles ok, das ist das Auto meines Teamkollegen." Ich mag seinen Humor. Und bewundere die Tatsache, dass er Kinder einsetzt, um das Auto von Lewis Hamilton zu manipulieren. Kinder verdächtigt schließlich keiner. Das muss ich mir merken.

9.43 Uhr: Erster Auftritt von Boxenreporter Kai Ebel. Ich bin beruhigt. Es gibt zwar jede Menge Monstrositäten in Ebels Kleiderschrank, aber zumindest scheint er nicht unbegrenzt groß zu sein: Sowohl die blau-gelbe Krawatte als auch die geschmackvolle Kombination eines türkisblauen Hemdes mit einer knallgelben Hose habe ich an ihm schon mal gesehen. Dann besteht ja zumindest die Chance, dass ich mich irgendwann an seine Outfits gewöhne.

9.52 Uhr: Sebastian Vettel philosophiert über den Wert von Facebook-"Freunden" und betont die Wichtigkeit ECHTER Freunde. Der Mann hat so Recht. Außerdem redet in ein paar Jahren ohnehin niemand mehr von diesem sogenannten "Internet".

10.06 Uhr: Die Vorberichterstattung ist komplett ohne Fernando Alonso ausgekommen. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass er als einziger Fahrer Sebastian Vettel theoretisch noch schlagen kann. Trotzdem ist das durchaus angenehm - ich mag Alonso nämlich nicht.

10.13 Uhr: Die Kamera fängt ein kleines Häufchen jubelnder Ferrari-Fans auf der Tribüne ein. Naja, ein paar Ver(w)irrte gibt es überall.

10.14 Uhr: Kommentator Heiko Waßer sinniert über unseriöse Zeitungsberichte, um danach wieder zurück zum Thema zu kommen: "Machen wir wieder was Seriöses - ein Interview von Kai Ebel mit Nico Rosberg". Ich wusste gar nicht, dass man "Ebel" und "seriös" in einem Satz unterbringen kann. Man lernt eben nie aus.

10.25 Uhr: Ein Einspieler erklärt, warum Sebastian Vettel heute Weltmeister wird. Ich habe schon so oft geschrieben, dass so etwas Unglück bringt - jetzt habe ich auch keine Lust mehr. Aber ich könnte natürlich drohend die Faust in Richtung Fernseher schütteln. Ach nein, zu anstrengend.

10.33 Uhr: Der Start. Sebastian Vettel bleibt auf dem ersten Platz, weiter hinten im Feld kommt es zu einer kleinen Rempelei zwischen Mark Webber und Fernando Alonso. Alonsos Frontpartie wird dabei anscheinend beschädigt. Ich mag Webber.

10.36 Uhr: Vettel kommt schon jetzt zu seinem ersten Reifenwechsel an die Box. Kurz darauf holt sich auch Alonso neue Reifen und eine neue Frontpartie, was ziemlich lange dauert. Ich gestatte mir ein kurzes, hämisches Grinsen. Andererseits, wenn ich bedenke, was heute alles auf dem Spiel steht, wäre ein etwas längeres hämisches Grinsen durchaus angemessen. Naja, später vielleicht.

10.41 Uhr: Fernando Alonso funkt an die Box, dass sein Lenkrad in Rechtskurven sehr schwergängig sei. Ich mag Alonsos Lenkrad.

10.53 Uhr: Während der Werbepause erging anscheinend ein Funkspruch der Red-Bull-Box an Sebastian Vettel, dass ein Sieg nach dem frühen (anscheinend ungeplanten) Stopp quasi ausgeschlossen ist. Ich habe es Euch gesagt, RTL - aber Ihr musstet es ja unbedingt beschreien.

11.01 Uhr: Der derzeit drittplatzierte Sergio Perez wird von seiner Box aufgefordert, den von hinten nahenden Sebastian Vettel ohne großen Kampf vorbeizulassen, weil der Kampf gegen Vettel keine Priorität hat. Das ist Rennsport, wie er sein sollte. Echt. Unverfälscht. Gnadenlos.

11.05 Uhr: Perez lässt Vettel ohne jegliche Gegenwehr überholen. Das ist Rennsport, wie er sein sollte. Echt. Unverfälscht. Gnadenlos.

11.07 Uhr: Nach dem Überholmanöver erhält Perez Trost von seiner Box: "Du machst das sehr gut." Das ist Rennsport, wie er... Naja, egal.

11.34 Uhr: Mark Webber scheidet mit einer defekten Lichtmaschine aus - damit ist Vettel Erster. Gut für Vettel, für Webber allerdings schwinden die Gelegenheiten rapide, sich mit einem kleinen Glanzlicht aus der Formel 1 zu verabschieden. So bleibt der Australier wohl für immer das, was Rubens Barrichello in seiner Zeit als Teamkollege von Michael Schumacher bei Ferrari war: Der ewige Zweite.

11.55 Uhr: Vettel, der im Auftrag seiner Box das Rennen eigentlich sanft nach Hause fahren sollte, fährt die schnellste Rennrunde. Seine Box zeigt sich wenig begeistert. Wird wirklich Zeit, dass man die Fahrer direkt fernsteuern kann. So ein eigener Kopf hinter dem Lenkrad ist eigentlich immer nur ein Ärgernis.

12.00 Uhr: Noch etwas mehr als eine Runde muss Vettel durchhalten, dann ist er Weltmeister. Ich denke, so langsam kann ich mir dann doch ein klein wenig Vorfreude gönnen, ohne den Sieg zu gefährden.

12.03 Uhr: Sebastian Vettel gewinnt den ansonsten nicht unbedingt spektakulären Großen Preis von Indien vor Nico Rosberg und Romain Grosjean. Damit hat Vettel nun die vierte Weltmeisterschaft in Folge unter Dach und Fach - unabhängig von seinem letzten verbliebenen Konkurrenten Fernando Alonso. Der wurde nebenbei nur Elfter und hätte Vettel seinen Titel auch nicht mehr streitig machen können, wenn dieser ausgeschieden wäre. Ich verkneife mir nun mein eigentlich geplantes hämisches Grinsen in einem kurzen Anfall von Menschlichkeit und freue mir stattdessen wegen Vettels WM-Gewinn ein Loch ins Knie.

Auf die letzten Rennen der Saison freue ich mich trotzdem, obwohl es um nichts mehr geht. Wird ein ganz neues Gefühl, einfach mal ganz entspannt zusehen zu können.

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