Falcons statt NBA-Gejammer: Wade empfielt sich neu

17.8.2017, 23:57 Uhr
Falcons statt NBA-Gejammer: Wade empfielt sich neu

© Jürgen Rauh/Zink

Am Anfang klingen die meisten Sätze sehr austauschbar. Eine schöne Stadt sei dieses Nürnberg, sagen diejenigen, die von diesem Nürnberg wahrscheinlich zum ersten Mal gehört haben, als ihnen der Agent das beste Angebot schmackhaft gemacht und ein Flugticket nach Dschörmani gebucht hat. Den "nächsten Schritt" wollen sie machen in der schönen Stadt, von der sie bislang eigentlich nur den Flughafen, eine Schulturnhalle und den Imbiss um die Ecke kennen, und natürlich wollen sie "alles auf dem Court lassen", in jedem Training alles geben. Solche Sätze eben. Man kennt den Fragensteller ja noch nicht so gut, also bleibt man lieber im Ungefähren, hält sich an kleine Nettigkeiten und Allgemeinplätze.

Mardracus Wade hat keine Zeit für Allgemeinplätze, die höflichen Floskeln überlässt er lieber anderen, stattdessen gibt es von ihm klare Ansagen: "Das soll jetzt nicht respektlos klingen, aber ich kenne ein paar Leute, die es in die Bundesliga geschafft haben - warum sollte mir das nicht auch gelingen?"

Von der D-League in die Pro A

Dass er nun erst einmal bei einem Verein gelandet ist, der auch in der kommenden Saison vorerst nur in der zweiten Liga antritt, hat Wade trotz des langen Flugs und der kurzen Nacht natürlich nicht vergessen, ein Träumer ist er nicht. Oder nicht mehr.

Zwei Jahre lang hat der Guard Mardracus Wade, 26 Jahre, 1,88 Meter groß, nun in der D-League gespielt, um sich seinen Traum über Umwege doch noch zu erfüllen – es hat nicht funktioniert. In der sogenannten Entwicklungs-Liga, die dem Hauptsponsor zuliebe vor kurzem in G-League umbenannt wurde, treffen sich die Basketball-Talente, die es nach dem College nicht in die NBA schaffen, es aber noch nicht wahrhaben wollen, dass sie die USA verlassen müssen, wenn sie ihren Beruf weiter ausüben wollen. Manchen gelingt der Sprung in die beste Liga der Welt dann tatsächlich noch, andere hören irgendwann dann genauer hin, wenn ihr Berater die Angebote aus Australien, Japan, Tschechien, Frankreich oder eben Deutschland vorträgt.

"Ich sehe das als Sprungbrett"

Mit 26 Jahren war nun also auch Wade an diesem Punkt angekommen, zumindest verbal hat er die neue Herausforderung bereits angenommen: "Ich sehe das als Sprungbrett", sagt er. "Ich will besser werden und dieses Programm hier will das ja auch, vielleicht gelingt uns das gemeinsam."

Ob er die Nürnberg Falcons tatsächlich ab September voranbringen darf, steht allerdings noch nicht fest. Einen Vertrag hat er noch nicht unterschreiben dürfen, Ralph Junge, Nürnbergs Trainer und Sportdirektor möchte auf der gemeinsamen China-Reise in dieser Woche erst noch ein paar Eindrücke sammeln, ob Wade zur Mannschaft passt. "Dass er Basketball spielen kann", weiß ich, sagt Ralph Junge, der den Mann aus Memphis, Tennessee, bereits auf einer früheren Turnierreise beobachten konnte, "es geht aber immer auch darum, ob die Mischung von Häuptlingen und Indianern stimmt,"

Den ersten Eindrücken im Training nach, ist Mardracus Wade eindeutig ein Häuptling. Bereits in seiner ersten Einheit mit den neuen Kollegen gibt er laute Kommandos, fordert immer wieder den Ball und schließt recht treffsicher ab. Wade wirkt frisch, Schatten um seine Augen sind nicht zu erkennen, obwohl er erst in der Nacht zuvor gelandet ist. "Das ist eine Einstellungssache", findet Wade, er will seinen potenziellen neuen Arbeitgeber mit positiver Energie überzeugen.

Mit positiver Energie

Ralph Junge sieht in ihm vor allem einen sehr guten Verteidiger, aber auch einen Basketballer, der viele Punkte beisteuern kann, wenn es darauf ankommt. Letzteres war auch die Stärke von Diante Watkins, der in der Vorsaison den ersten Point Guard der Falcons geben durfte, allerdings fehlte es dem relativ kleinen Mann aus Chicago auch immer mal wieder an der nötigen Erfahrung und Übersicht.

Wade hat in diesem Bereich nicht nur wegen seiner Körpergröße Vorteile, auch die zwei Jahre in der Aufbauliga sollten sich bemerkbar machen. Findet zumindest Wade. "Ich habe gegen so viele athletische Typen gespielt", erzählt er. "Viele von ihnen haben es in die NBA geschafft und verdienen jetzt sechs Millionen Dollar im Jahr. Von solchen Leuten kann man viel lernen."

Vorerst trainiert er nun mit Leuten, die etwas weniger verdienen. Sollte er sich damit arrangieren können, wird ihm Junge wohl sehr bald ein gültiges Arbeitspapier vorlegen. Bis dahin ist kein Platz für Allgemeinplätze.

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