FCN nach Braunschweig: Vernunft statt Aktionismus

30.8.2016, 06:00 Uhr
Keine Panikmache, sondern eine besonnene Aufarbeitung: Club-Sportvorstand Andreas Bornemann und Trainer Alois Schwartz nach der Packung in Braunschweig.

© Sportfoto Zink / DaMa Keine Panikmache, sondern eine besonnene Aufarbeitung: Club-Sportvorstand Andreas Bornemann und Trainer Alois Schwartz nach der Packung in Braunschweig.

"Wir sind schon ein bisschen in den Startlöchern hängen geblieben", meinte der Sportvorstand Andreas Bornemann. Ein Sieg bei der Eintracht, und aus dem zähen Saisonauftakt mit zuvor zwei 1:1-Remis in Dresden und gegen Heidenheim wäre eine Serie von drei ungeschlagenen Spielen geworden. Nun aber täuscht Tabellenplatz 15 kaum über den besorgniserregenden Ist-Zustand hinweg.

Noch verläuft die Fehleranalyse am Valznerweiher realitiv geräuschlos. "Ein guter Start sieht sicher anders aus", meinte Bornemann, der nach dem Verlauf der ersten Halbzeit und Guido Burgstallers 1:0-Führung nicht für möglich gehalten hätte, "dass hier noch eine Mannschaft 1:6 verliert. Bei diesem Ergebnis gibt es nichts zu entschuldigen". Der 44-Jährige war um eine sachliche Einordnung bemüht. "Es ist ein Spielverlauf, der uns nicht passieren sollte, aber in der Liga auch immer möglich ist", sagte er nach dem heftigen Ausrutscher, der ein Fingerzeig für eine düstere Zukunft sein kann, aber nicht sein muss.

Es hätte in der Mannschaft jedoch als bekannt vorausgesetzt werden können, dass in dieser Liga Grundtugenden nötig sind, um so eine Demontage zu verhindern. Beim 3:6 in Freiburg hatte das der Club bereits vergangene Saison erlebt – einige Monate später aber auch Union Berlin zu Hause mit 6:2 (nach 0:2-Rückstand) aus dem Stadion geschossen. Es kann in dieser Liga in beide Richtungen schnell gehen, weshalb man sich von einem einzelnen Ergebnis nicht gleich verunsichern lassen will. Einen Krisenstab suchte man gestern beim 1. FCN vergeblich. Es wäre auch zu früh, gleich wieder alles und jeden infrage zu stellen. Man will kein zerrissenes Bild abgeben, man wiederholt stattdessen lieber unisono bereits Prophezeites: Die Saison werde kein Selbstläufer; man habe nur wenig finanzielle Mittel zur Verfügung und wolle dem eigenen Nachwuchs eine Chance geben.

Der war beim Fiasko in Braunschweig jedoch unterrepräsentiert. Das Durchschnittsalter der Mannschaft lag bei über 28 Jahren, weshalb Bornemann das Abtauchen der Führungsspieler auch deutlich monierte: "Einer unserer erfahrenen Spieler hätte sich den Hut aufziehen und wieder für eine vernünftige Ordnung sorgen müssen, um den Schaden so gering wie möglich zu halten."

Die angespannte finanzielle Lage dient ebenfalls nur bedingt als Ansatz bei der Ursachenforschung. Immerhin hat der Club den dritthöchsten Spieleretat in der Liga zur Verfügung. Einen Teil davon will man noch in einen Stürmer investieren. Dass man ihn noch nicht gefunden hat, habe wiederum nichts mit dem Debakel zu tun, meinte Bornemann: "Er hätte die drei Gegentore bei Standards auch nicht verhindert."

Womöglich aber hat er sich vor dem Fernseher das Spiel angeschaut, um sich vom neuen potenziellen Kollegenkreis ein Bild zu machen. Vermutlich eine suboptimale Idee, schwant es auch dem Sportvorstand: "So ein Start und dann noch so ein Ergebnis macht die Sache für den möglichen Neuzugang sicherlich nicht interessanter. Wir werden in den nächsten Tagen sehen, welche Auswirkungen das dann hat." Am Mittwoch endet die Transferperiode.

Dem Trainer wollte Bornemann indes keinen Vorwurf machen. "Es sind ja immer in erster Linie die Leute, die auf dem Platz stehen, verantwortlich. Standards muss man sauber verteidigen, das ist eine Grunddevise", meinte der 44-Jährige. Ehe das dreimal innerhalb von nur 15 Minuten misslang, schien Schwartz’ Masterplan ja auch aufzugehen. Die Braunschweiger wurden taktisch klug attackiert und der geordnete Spielaufbau so unterbunden. Die Führung schenkte dem Club Sicherheit. Doch dann vergaß die Elf das kompromisslose Verteidigen. "Wir müssen wieder die Mentalität an den Tag legen, die Leidenschaft, den unbedingten Willen, den Zweikampf zu gewinnen", forderte der Trainer, der sich der Kritik stellt: "Wenn man sich so präsentiert, bezieht man zurecht Prügel."

Edgar Salli, Enis Alushi, Jakub Sylvestr und Even Hovland hatten es gut. Das Quartett konnte sich gestern bereits in den Kreis der jeweiligen Nationalteams verabschieden. Von einer Krisenstimmung hätten sie aber auch vor Ort nichts mitgekommen. Die Aufarbeitung des Erlebten geriet relativ ruhig. "Jeder weiß um die Situation. Die Mannschaft packt sich an die eigene Nase", lautete die wichtigste Erkenntnis von Schwartz: "Jeder weiß, dass er in den letzten Minuten Scheiße gespielt hat."

100 Kommentare