Freier Fall aus dem Handballhimmel: HCE wirft Fragen auf
11.3.2017, 12:37 UhrVelimir Petkovic war glücklich. So überglücklich, dass sein Strahlen den kleinen Presseraum unter dem Hallendach der Arena regelrecht mit Licht fluteten. "Ich hatte ja schon ein wenig Schiss gekriegt", gestand der Trainer der Füchse Berlin. Er meinte die Anfangsphase beim HC Erlangen, vor dem er, wie er auch verriet, einen Höllenrespekt hatte. Aber es war ja gut gegangen, ja, mit einem 29:21 gar so gut, dass Petkovic nun, hätte man ihn darum gebeten, wohl auch Luftsprünge aufgeführt hätte.
Zu Beginn der Partie war das noch anders gewesen. Kaum Tore wollten da fallen, 7:7 stand es nach 23 Minuten, weil Erlangen sich auf eine Grundregel des Sports besann, so einfach wie genial: Wenn es nicht läuft, dann muss man eben über harte Verteidigung Selbstvertrauen gewinnen.
Es läuft nicht
Dieses Mantra hatte Robert Andersson vier Trainingstage lang in die Köpfe seiner Spieler gepredigt. Nicht gelaufen war es ja im Derby gegen Coburg. Und nicht gelaufen war es in der Woche zuvor gegen Minden, jenem 23:27, in dem der HCE all seine Leichtigkeit verlor. In der er, wie einst der junge Ikarus, mit zu vielen verworfenen Bällen der Sonne zu nah kam – und seitdem im freien Fall aus dem Handballhimmel stürzt.
"Wir wollen schon"
"So eine Phase hat jede Mannschaft mal", lautet seitdem ein anderes Mantra von Andersson. Und das stimmt ja auch. Doch bleibt es erstaunlich, wie rasend schnell das über Monate entwickelte Selbstbewusstsein, das beeindruckende Selbstverständnis bloß nicht die Nerven zu verlieren, in wenigen Minuten gänzlich auf Nimmerwiedersehen verloren gehen kann.
"Wir wollen schon", versuchte Ole Rahmel zu erklären, der gegen Berlin gemeinsam mit Martin Stranovsky mit zahlreichen verworfenen Bällen zur frühen Vorentscheidung beitrug, "aber wir verkrampfen völlig". Das, was die Mannschaft monatelang hochfliegen ließ, ist verschwunden, als hätte man einem Rennradfahrer in einer kurzen Verschnaufpause sein Rennrad unter dem Hinterteil geklaut. "Wir sind nun mal keine Maschinen", sagt Michael Haaß, der Kapitän. "Man muss gestehen: Es lief eine sehr lange Zeit lang auch sehr optimal."
200 Sekunden bis zur Pleite
Gegen Berlin nun verlor Erlangen aber erneut den Mut mit dem ersten Zwei-Tore-Rückstand (7:9). Auf einen Schlag entwich die Spannung. Trotz zeitweise zwei Mann Überzahl fehlte der Druck aufs Tor, stattdessen wurde die Verantwortung weitergeschoben. Und binnen 200 Sekunden durfte Berlin von 12:8 auf 16:8 davonziehen. "Irgendwie ist im Mindenspiel etwas passiert, dass wir dieses Selbstvertrauen nicht mehr haben, zu sagen: Egal, wir drehen das!", findet Haaß.
Doch Durchhänger hin oder her – was man vermisst in dieser "schwierigen, neuen Phase" (Andersson), sind die Schlüsselspieler, die ja dafür geholt wurden, Verantwortung zu übernehmen. Die sind derzeit aber mit sich selbst beschäftigt: Haaß scheint sich wie zu Beginn der Hinrunde mit den Nachwehen der harten Vorbereitung herumzuschlagen. Der 33-Jährige hat seine Spritzigkeit auf der verschneiten Tartanbahn verloren, dabei wäre sein feines Gespür für Tempo und Situation, das er in Göppingen und in Magdeburg auf beeindruckende Weise zeigte, nun so wichtig.
Pavel Horak (34) fehlte gegen Minden erkrankt, war gegen Coburg noch nicht wieder bei Kräften und gegen Berlin fehlte ihm dann der Rhythmus. Ole Rahmel wirkt abgelenkt und überspielt. Isaias Guardiola bleibt ein Schatten seiner selbst – ohne Aussicht auf Besserung, weil Andersson ihm weiter nur Kurzeinsätze zugesteht und beim ersten Fehler eilig vom Feld holt. Martin Stranovsky ist ein einziges Rätsel.
"Wir können doch nicht plötzlich kein Spiel mehr gewinnen", wundert sich Haaß. Das Punktepolster liefert den Luxus, in Ruhe einen Weg aus der Krise finden zu dürfen. Der kann vielfältig sein: Das Derby war es nicht. Das Spiel als Außenseiter gegen Berlin auch nicht. Nun soll es eben die Partie in Leipzig am 24. März werden, "mit einem freien Kopf", hofft Rahmel. Wenn es endlich gelingt, werden sie noch viel mehr strahlen als Velimir Petkovic unterm Hallendach.
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