Fürther Pilotprojekt: Kurse mit einem Champion

22.6.2018, 11:00 Uhr
Fürther Pilotprojekt: Kurse mit einem Champion

© Foto: Hans-Joachim Winckler

Amir Hossein Ayazi ist ein Berg von einem Mann. Unter seinem T-Shirt zeichnen sich dicke Muskeln ab, auf seine 1,90 Meter Körpergröße verteilen sich knapp 120 Kilogramm – und nur ein kleiner Teil davon ist Fett. Wer mit Ayazi spricht, lernt einen sanft wirkenden, offenen Menschen kennen, der seinem Gegenüber fest in die Augen sieht.

Begegnen kann man diesem freundlichen Riesen seit 12. Juni jeden Dienstag am Fürther Wiesengrund. Im Calisthenics-Park nahe der Siebenbogenbrücke gibt Ayazi für die Volkshochschule einen Streetworkout-Kurs. Geübt wird bei diesem Krafttraining unter freiem Himmel mit dem eigenen Körpergewicht. Es geht los mit ein bisschen Ausdauertraining, dann sind Beine, Brust und Schultern dran. Der Bauch wird in Partnerübungen gestählt, zum Schluss gibt es leichte Dehnübungen.

Es sind offene Treffen, niemand muss sich anmelden, jeder kann vorbeischauen, die Teilnahme kostet nichts. "Es ist als Mitmachangebot an alle gedacht", sagt Benedikt Hofmeister, Bereichsleiter für Gesundheit und Ernährung bei der vhs. Neben Deutsch wird auch Englisch gesprochen. Nur Getränke, ein Handtuch und Sportsachen werden empfohlen. Aber wenn ein Spaziergänger plötzlich Lust verspürt, mitzuschwitzen, ist auch er willkommen.

Zum Start der Kurse kamen 15 Interessierte, Kinder, Frauen und Männer. Nicht alle von ihnen wussten, dass der Mann, der sie da anleitet, eine kleine Berühmtheit ist. Zumindest in seinem Heimatland Iran.

Meister auf der Flucht

Amir Hossein Ayazi war dort jemand. Er hatte eine gute Stelle in einer Bank, seine Frau arbeitete als Zahnärztin. Aber vor allem war Ayazi Bodybuilder. In die Kurse des zertifizierten Personal Trainers in Teheran kamen auch professionelle Sportler. Zwei oder mehr Jobs zu haben, ist im Iran ganz normal. "Ich bin um halb sechs früh aus dem Haus gegangen und abends um halb zwölf wieder gekommen", erzählt Ayazi.

Er war ein Champion. Dreimal wurde er iranischer Meister im Bodybuilding, 2014 war er auf dem Höhepunkt seiner Karriere. In Hongkong wurde er zum Asien-Meister gekrönt.

Nur ein Jahr später musste sich Amir Hossein Ayazi, der Mann mit den schönsten Muskeln Asiens, fliehen. Ihm drohte die religiöse Verfolgung durch die Behörden, das bedeutet: ihm drohte im Iran im schlimmsten Fall der Tod. In Deutschland wurde er als Geflüchteter anerkannt, sein Aufenthalt ist damit sicher.

Aber vieles, was Ayazi einmal war, ist vorerst weg. Seine Frau kann momentan nicht als Zahnärztin arbeiten, sie bleibt zuhause bei den zwei kleinen Kindern. Zu viert leben die Ayazis in einer Einzimmer-Wohnung in einer staatlichen Unterkunft für Geflüchtete. Es gebe viel Ungeziefer dort, erzählt Ayazi, eines der Kinder ist an den Atemwegen erkrankt. Doch es ist nicht einfach als Geflüchteter in Fürth eine neue Wohnung zu finden, obwohl die Familie seit langem sucht.

Ayazi macht momentan eine Ausbildung zum Fern- und Kraftfahrer. Sein altes Leben in Teheran ist weit weg. "Es ist schwer, nicht mehr in meinem Land zu leben", erzählt er: "Ich war dort sehr bekannt, ein Held. Jetzt muss ich eine neue Sprache lernen, einen neuen Job suchen."

Im Januar hat Ayazi einen Deutschkurs an der vhs gemacht. Dort und im Integrationsbüro der Stadt fragte man sich: Wie kann man so viel Potenzial nutzen? In seinem alten Leben hat Ayazi schließlich so viel gemacht. Ein Grundproblem in einem Land, in dem sich viele geflüchtete Akademiker in Hilfsarbeiter-Jobs verdingen müssen. "Er hat einen starken Vorbildcharakter für junge Menschen, aber auch für Migranten. Er versucht, viel zu helfen und sich zu integrieren", sagt Jochen Sahr vom Integrationsbüro. Ein starker Körper kann das Selbstbewusstsein von Menschen wecken. Auch das soll das Pilotprojekt bewirken, bei jungen Menschen, die viel vor dem Computer sitzen oder bei Geflüchteten, die nicht so viele Möglichkeiten haben, Sport zu machen. Nicht nur bei ihnen, sondern bei allen, die sich gerne fit halten wollen.

Die Medaillen und Pokale von Ayazis Bodybuilding-Meisterschaften liegen in Teheran. Vielleicht kann sie ihm jemand schicken, wenn er für seine Familie eine größere Wohung gefunden hat, hofft er. Zusammen mit den Fitness-Kursen würde sein altes Leben doch noch zurückkehren – zumindest ein kleines Stück davon.

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