Fürths Spezialist für historische Fußball-Missionen

9.10.2011, 20:34 Uhr
Fürths Spezialist für historische Fußball-Missionen

© dpa

Milorad Pekovic hat aufregende Monate hinter sich – und vor sich einen quasi historischen Auftrag. Mit der Spielvereinigung Greuther Fürth will er am Ende der Saison geschafft haben, was dem Kleeblatt noch nie gelang – den Aufstieg in die Bundesliga; derzeit ist Fürth auch dank Milorad Pekovic Tabellenführer der zweiten Liga, und wie es aussehen kann, wenn Sport-Geschichte geschrieben wird, ahnt Pekovic spätestens seit dem Freitagabend.

Der Mann ist ein bisschen Spezialist für historische Missionen geworden, die größte davon hat jetzt Gestalt angenommen. „Unfassbar“ nennt Pekovic, was er in dieser Nacht von Podgorica erlebte. Podgorica, ehedem Titograd, ist die Hauptstadt von Montenegro; Fußball-Länderspiele hatte sie bis vor fünf Jahren selten gesehen. Montenegro gehörte zu Serbien – bis 2. Juni 2006; aber noch während der WM in Deutschland im selben Jahr spielte eine Nationalmannschaft, zu der es schon kein Land mehr gab: Serbien-Montenegro. Knapp ein Jahr später, am 1.Juni 2007, begann mit einem 0:2 in Japan die Länderspielgeschichte des jungen Staates, im September desselben Jahres gab Milorad Pekovic sein Debüt in einer Nationalmannschaft, die seither für viele Hoffnungen der kleinen Republik steht – und die in der Nacht vom Freitag das ganze Land glücklich machte. „Teamgeist, Stolz und Patriotismus“, sagt Pekovic, beflügelten Montenegro – nicht nur die Fußballspieler.

„Man kann gar nicht in Worten ausdrücken, was wir in dieser Minute empfunden haben“, sagt Pekovic auch – jener Minute der Nachspielzeit, in der Montenegro nach einem 0:2-Rückstand das 2:2 gegen das große England gelungen war. Vor fast genau einem Jahr, im Hinspiel, hatte der krasse Außenseiter mit dem 0:0 gegen das Drei-Löwen-Team in Wembley erstmals auf sich aufmerkam gemacht – jetzt ist Platz zwei in der Qualifikationsgruppe G vorzeitig erreicht, in zwei Playoff-Spielen kann sich Montenegro, das zur Qualifikation für 2008 noch nicht antreten durfte, für das Europa-Turnier qualifizieren.

Simons trifft für Belgien

Den „größten Augenblick in meiner Karriere“ nennt der 34 Jahre alte Wahl-Fürther, der auch Nationalspieler war, als er 2005 mit Eintracht Trier in die Regionalliga abstieg, diese besondere Nacht in einem goldenen Karriere-Herbst. Nach fünf Jahren in Mainz wechselte Pekovic im Sommer 2010 in den Fürther Ronhof; jetzt könnte es sein, dass er im nächsten Sommer die einstige deutsche Fußball-Hochburg Nürnberg-Fürth exklusiv vertritt.

Denn der späte Treffer von Podgorica löste beim Fernrivalen Montenegros ganz andere Gefühle aus – für Timm Klose vom 1.FC Nürnberg, elf Jahre jünger als Milorad Pekovic, brach eine kleine Welt zusammen, nach Monaten, in denen er sein Glück kaum fassen konnte. Erst im Sommer war Klose, als EM-Zweiter mit den U21-Junioren der Schweiz, aus Thun nach Nürnberg gekommen, seinem ersten Bundesligaspiel für den Club folgte der Ruf von Nationaltrainer Ottmar Hitzfeld. In Swansea gegen Wales spielte Klose nun zum ersten Mal von Beginn an im Nationaltrikot – und musste nach dem 0:2 den Traum von der EM begraben, der Ausgleich der Montenegriner gegen England machte das erhoffte Endspiel morgen gegen Montenegro zur statistischen Randnotiz. Timm Klose ist, wie sein zuvor mit Israel ausgeschiedener Nürnberger Spielkamerad Almog Cohen, nur Zuschauer bei der Europameisterschaft.

Hoffnungen auf das Turnier dürfen sich noch Kloses Nürnberger Mitspieler Tomas Pekhart und Timmy Simons machen. Die Tschechen können nach dem 0:2 gegen Welt- und Europameister Spanien (mit dem nach 62 Minuten eingewechselten Pekhart) in Gruppe I noch Zweiter werden, wenn morgen in Litauen mindestens ein Remis gelingt und die Spanier Schottland schlagen. Für Belgien und Simons (der beim 4:1 über Kasachstan per Elfmeter zum 1:0 traf) ist die Hürde noch höher: Einen Sieg der Türken gegen Aserbaidschan vorausgesetzt, braucht es für die Belgier drei Punkte in Düsseldorf gegen Deutschland, um Rang zwei in Gruppe A zu behaupten.

Milorad Pekovic indes darf morgen pausieren – gegen England hatte er die zweite Gelbe Karte gesehen. In seinem nächsten Spiel heißen die Gegner nicht Wayne Rooney, John Terry oder Frank Lampard, sondern Lachheb, Klingbeil und Schlitte. Das Fürther Kleeblatt empfängt am Sonntag den FC Erzgebirge Aue. Heute erwartet man Pekovic im Ronhof zurück. Er freut sich darauf. Milorad Pekovic weiß, wie vermeintlich Kleinere wachsen können – und hat ja auch mit der Spielvereinigung noch Großes vor.

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