Generalprobe gegen Russland: Löw sucht neue Leader

14.11.2018, 14:21 Uhr
Um gegen die Niederlande nicht im Regen zu stehen, soll das Testspiel gegen Russland für Joachim Löw & Co. ein Probelauf sein.

© Jan Woitas Um gegen die Niederlande nicht im Regen zu stehen, soll das Testspiel gegen Russland für Joachim Löw & Co. ein Probelauf sein.

Es ist zwar nur ein Probelauf, aber einen weiteren Rückschlag bei der schwierigen Mission "Wiedergutmachung des WM-Desasters" will Joachim Löw unbedingt vermeiden. Der Bundestrainer stellte das Testspiel der Fußball-Nationalmannschaft gegen Russland und dann vor allem das mögliche Abstiegs-Endspiel in der Nations League gegen Holland unter das Motto "Zurück in die Erfolgsspur". Von den sechs Pflichtspielen 2018 hat Deutschland nur eins gewonnen. Gleich sechs Partien gingen in diesem Jahr insgesamt verloren - Negativrekord in der 111-jährigen Länderspiel-Geschichte des DFB.

Russland will aufsteigen

Löw und sein Personal wissen, was am Donnerstag (20.45 Uhr/RTL) in Leipzig gegen die positive WM-Überraschung Russland und vier Tage später in Gelsenkirchen gegen die wiedererstarkten Niederländer auf dem Spiel steht: Vor allem die Stimmung. Mit einer breit angelegten Charme-Offensive vor allem bei jugendlichen Fans hat der DFB schon vor dem Anpfiff in der bei weitem nicht ausverkauften Red Bull Arena versucht, die Begeisterung für den brutal entthronten Weltmeister wieder neu zu beleben. Jetzt aber zählt es wieder nur auf dem Platz.

"Wir werden alles daran setzen, einen guten Start zu erwischen für das wichtige Spiel gegen Holland", sagte Kapitän Manuel Neuer zur ersten Aufgabe gegen die Sbornaja. Anders als die DFB-Elf hat die vom einstigen Löw-Musterschüler Stanislaw Tschertschessow trainierte Auswahl weiter einen positiven Lauf. Schon mit einem Remis im nächsten Nations-League-Spiel in Schweden würden die Russen in die Top-Staffel A aufsteigen. Löws Mannschaft dagegen könnte schon vor dem abschließenden Spiel gegen Holland abgestiegen sein, wenn Oranje am Freitag Frankreich bezwingt. Nur wenn der Weltmeister hilft, hat die DFB-Elf noch eine Chance auf den Klassenverbleib.

Löw muss den Neuaufbau fortsetzen und sucht gegen Russland die richtige Mischung. Nach den Mut machenden Signalen beim 1:2 gegen Frankreich im Oktober sieht sich die neue Generation im Nationalteam in einer gestärkten Position. "Gegen Russland können wir uns mehr beweisen und ein bisschen mehr Druck ausüben", erklärte der schnelle Angreifer Leroy Sané (22). Der Jungstar von Manchester City zählt mit dem Leipziger Timo Werner (22), dem Leverkusener Julian Brandt (23) sowie den Münchnern Serge Gnabry, Joshua Kimmich, Leon Goretzka und Niklas Süle (alle 23) zur ersten Umbruch-Kategorie.

Führungsspieler sind gesucht

Der Bundestrainer verwies auf die nötige Balance: "Die Jungen werden noch ein bisschen brauchen. Grundsätzlich haben wir seit Jahren auf gewissen Positionen Probleme." Auch aus Dank für seine Weltmeister von 2014 hatte der Bundestrainer lange gezögert, Typen wie Sami Khedira abzulösen. Denn Löw weiß: Sein Team braucht auch Führungspersönlichkeiten, um wieder zurück zu alter Stärke zu kommen.

Und wer könnte die Führungsaufgabe von Khedira, Mats Hummels oder Thomas Müller einmal einnehmen? "Man muss einfach die nächsten Jahre abwarten", sagte Löw dazu. "Am weitesten, was die Reife betrifft, ist Joshua Kimmich. Er ist schon sehr stabil über die letzten zwei, drei Jahre. Er spielt regelmäßig, hat bei den Bayern eine wichtige Rolle eingenommen. Auch Leon Goretzka ist jemand, dem ich das zutraue. Dazu benötigt es konstante Leistungen im Club auch international und in der Nationalmannschaft. Das ist ein Prozess." Insgesamt gebe es im Moment auch nicht "die Fülle an hochkarätigen Talenten. Da sind einige dabei, aber nicht in der Anzahl wie früher", ergänzte Löw.

Konterspiel gegen Russland nicht machbar

Der Schlüssel gegen Russland und dann auch gegen Holland muss eine neue Schnelligkeit im Spiel sein. Ein Trend im Spitzenfußball, der am DFB-Team vorbeigegangen zu sein schien. Löw wehrt sich zwar dagegen: "Nein, das würde ich nicht sagen. Man muss sich immer daran orientieren, wie die Kontrahenten gegen uns spielen: Sie sind sehr defensiv orientiert, stehen in der eigenen Hälfte. Da ist dieses schnelle Konterspiel nicht machbar." Aber klar sei: "Die Geschwindigkeit vorne im letzten Drittel und die Laufwege sind entscheidend. Da muss man als Mannschaft mit viel Ballbesitz Lösungen finden."

Fraglich ist derzeit noch, ob Marco Reus am Donnerstag im 950. Länderspiel des DFB mitwirken kann. Der derzeit beim BVB mit Topform glänzende Dortmunder, dem Löw endlich einmal konstante Fitness wünscht, musste wegen einer Fußprellung mit dem Training aussetzen. Jérôme Boateng war von Löw nicht berücksichtigt worden. Die Ex-Weltmeister Toni Kroos und Julian Draxler sollen erst gegen Holland wieder zum Kader gehören.

Trainer und Spieler setzen gegen Russland auch auf den Faktor Leipzig, obwohl der Ticketvorverkauf schleppender als erhofft verlief. "Hier herrscht immer eine tolle Stimmung", sagte Manager Oliver Bierhoff. Die sächsische Stadt ist auch von den Erfolgen her bisher ein gutes Pflaster für die Nationalmannschaft. Von neun Länderspielen in Leipzig ging nur eins verloren - und das liegt schon 106 Jahren zurück, als gegen die Niederlande 2:3 verloren wurde.

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