Hannah Stockbauer: "Training ist härter als Mutter zu sein"

16.12.2011, 17:35 Uhr
Seit Oktober ist Hannah Stockbauer Mutter.

© dpa Seit Oktober ist Hannah Stockbauer Mutter.

Frau Stockbauer, die Idee, Sie einmal als junge Mutter zu befragen, fanden die Redaktionskollegen ganz charmant. Aber vielleicht ist so ein Gespräch über Mutterglück jetzt doch ein bisschen affig?

Stockbauer: Affig? Warum denn?

Na ja, Zeitungen sind doch voll genug von solchen Geschichten, in denen sogar Journalisten ihre elterlichen Glücksgefühle ausbreiten – über die allumfassende Sinneserfahrung des Windelwechselns.

Stockbauer: Keine Sorge, damit kann ich noch nicht dienen. Wir freuen uns riesig über Leni, aber ich beginne gerade erst, das Glück zu genießen. Man weiß ja, was auf einen zukommt, wenn ein Kind da ist – aber man unterschätzt es trotzdem.

Was haben Sie denn schon gelernt?

Stockbauer: Dass Schlaf etwas ganz Tolles ist, wie schön es sein kann, nachts einmal durchzuschlafen.

Das kennen Sie noch vom Schwimmen. Was ist denn anstrengender: Mutter zu sein – oder Frühtraining um sechs Uhr?

Stockbauer: Ganz ehrlich?

Bitte.

Stockbauer: Härter war das Training. Mutter zu sein, das ist ja keine körperliche Anstrengung. Und spielen konnte ich im Bad auch nicht.

Und was ist anstrengender: Ein Finale über 1500 Meter Freistil oder eine Geburt?

Stockbauer: Eine Geburt. Es ging zwar schnell und problemlos, war aber wirklich etwas schmerzhafter als die letzten Meter in einem Rennen. Eigentlich ist es alles natürlich überhaupt nicht vergleichbar. Es kommt mir manchmal sogar noch ein wenig unwirklich vor, Mama zu sein.

Warum das denn?

Stockbauer: Ich war immer und überall die Jüngste. Das dritte von drei Kindern, beim Schwimmen war es genauso – alle anderen waren älter, als ich in Erlangen anfing, genau wie später in der Nationalmannschaft. Ich war immer die kleine Hannah ...

Sie haben dann auch in sehr jungen Jahren aufgehört ...

Stockbauer: Schon, aber das habe ich nie bereut, mir geht es total gut – ich habe längst den nötigen Abstand.

Sie vermissen gar nichts?

Stockbauer: Doch, natürlich. Das Wettkampfgefühl fehlt einem schon, die Zufriedenheit, wenn nach harter Arbeit ein Erfolg gelungen ist. Und natürlich war es auch schön, ein bisschen im Mittelpunkt zu stehen. Ich erinnere mich gerne daran und bereue es manchmal, dass ich das Erreichte damals gar nicht so genossen habe. Es musste ja immer weitergehen.

Erkennt man Sie heute denn noch auf der Straße?

Stockbauer: Ja, das passiert immer wieder, und das freut mich auch sehr – man sieht, dass man wohl doch etwas Besonderes geschafft hat. Und mein Herz hängt sehr am Schwimmen, heute sogar wieder mehr.

Dann könnte es vielleicht sogar ein Comeback geben? Die Amerikanerin Dara Torres kam mit 41 Jahren als Mutter zurück und gewann 2008 in Peking Olympia-Silber.

Stockbauer: Über 50 Meter Rücken! Das ist eine Bahn, ich käme da schon auf ein paar mehr – so ehrgeizig bin ich bestimmt nicht mehr. Aber wie sieht es denn eigentlich bei der SSG Erlangen sportlich aus?

Es gibt einige talentierte junge Schwimmer, eine neue Hannah ist aber noch nicht in Sicht. Verfolgen Sie denn noch genau, was passiert?

Stockbauer: Auf Erlangen schaue ich schon. Und seit Britta (Steffen, d. Red.) so gut ist, bin ich insgesamt wieder nahe dran. Für sie freue ich mich riesig, mittlerweile haben wir auch wieder einen recht engen Kontakt. Besonders nach der WM in Schanghai haben wir oft telefoniert, sie erzählt mir, was alles so abläuft.

Haben Sie sich eigentlich zu aktiven Zeiten schon so gut gekannt?

Stockbauer: Wie bitte?

Ach ja, richtig – Sie sind miteinander geschwommen, lange sogar ...

Stockbauer: Natürlich, haben Sie das vergessen?

Es scheint so lange her ...

Stockbauer: Aber Britta ist gerade ein Jahr jünger als ich. Wir kennen uns seit der Jugendzeit, sie war in jedem Training überragend, eine grandiose, fantastische Schwimmerin – es ist so schön, dass sie das dann auch im Wettkampf zeigen konnte. Und ich verdanke meine olympische Bronzemedaille von Athen 2004 ein wenig auch ihr. Sie hatte sich doch damals den Fuß gebrochen, ich habe ihren Staffelplatz übernommen.

Und jetzt, nach der WM im Sommer in Schanghai, mussten Sie eine enttäuschte Olympiasiegerin Britta Steffen ein wenig trösten? Sie haben das ja auch erlebt: Von der Weltschwimmerin des Jahres 2003 zur olympischen Enttäuschung 2004, trotz Staffel-Bronze.

Stockbauer: Ja, so geht das dann. Und bei Britta war es noch viel extremer. Aber sie ist eine bodenständige Frau, sie braucht keine Hilfe – und auch keine Öffentlichkeit.

Schwimmen Sie selbst eigentlich noch?

Stockbauer: Nein. Als ich schwanger war, hatte ich es mir vorgenommen, als Ersatz für das Joggen. Einmal habe ich es dann versucht, über fünfmal 500 Meter. Aber ich habe einfach keine Freude mehr daran. Wenn man einmal ganz gut war in einer Sache, kann man sie nicht so hobbymäßig betreiben. Im Wasser bin ich im Sommer – auf der Luftmatratze im Badesee.

Aber am Beckenrand stehen Sie noch regelmäßig?

Stockbauer: Ich betreue die vier- und fünfjährigen Schwimmkinder im Wasserballverein meines Mannes Tobias, beim ASC Duisburg.

Dann entdecken Sie die neue Hannah demnächst sogar selbst?

Stockbauer: Bestimmt nicht. Da geht es noch gar nicht um Leistung, ich helfe den Kleinen beim Versuch, mal die Nase unters Wasser zu halten und passe auf, dass sie keinen Unsinn anstellen.

Ist ja ein schönes Training für die Mutter-Rolle.

Stockbauer: Genau, ich muss auch schauen, dass sie sich das Shampoo aus den Haaren spülen und im Winter nicht ohne Mütze aus der Halle gehen. Das sind jetzt meine Themen. Und wenn ich andere Dreißigjährige sehe, unterhalten wir uns meistens tatsächlich über Erfahrungen mit Kinderwindeln.

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