Haukohl führt den NBC mit angenehmer Arroganz

20.10.2014, 09:22 Uhr
Mit Autorität: Stephan Haukohl erzielte seine Punkte gegen Paderborn auf vielfäl­tige Weise – das riss zumindest einen Fan von seinem Sitz.

© Sportfoto Zink / DaMa Mit Autorität: Stephan Haukohl erzielte seine Punkte gegen Paderborn auf vielfäl­tige Weise – das riss zumindest einen Fan von seinem Sitz.

Der schlaksige Junge mit der Frisur aus den 90er Jahren, dribbelte noch einmal, nahm den Ball in die Hand, grinste, blickte zur Seite und warf. Nachher konnte niemand mit Sicherheit sagen, ob er vielleicht sogar getroffen hatte. Seine Gegner nicht, die ihn bewundernd und zugleich voller Abscheu anblickten, er selbst nicht, er grinste schließlich Väter, Mütter, Brüder, Schwestern und Freunde in der Fürther Schulturnhalle an, statt auf den Korb zu schauen. Und niemand konnte in diesem Moment ahnen, dass sich dieser Rotzlöffel zu Europas bestem Basketballer aller Zeiten, vor allem aber zu einem respektierten Sportler von untadeligem Charakter entwickeln würde.

20 Jahre später, in einer Turnhalle in Nürnberg: In der Zweitligapartie zwischen rent4office Nürnberg und Paderborn ist keine Minute mehr zu spielen. Der eindeutige Spielstand von 92:73 wird diese 55,9 Sekunden unverändert überstehen. Der Gästetrainer wird die Gastgeber später für deren Verteidigung loben, Nürnbergs Trainer die Paderborner für deren Kampfgeist. Die 39 Minuten und vier Sekunden zuvor hatten so manchen Eindruck aus den ersten vier Saisonspielen widerlegt. Zum Beispiel, dass Paderborn zu den besseren Teams dieser zweiten Liga zählen könnte. Oder dass sich der Universal-Basketballgelehrte Ralph Junge zu seinem Amtsantritt ein arg wankelmütiges Team Mannschaft zusammengestellt haben könnte. Andererseits hatte sich ein Spieler in dieser Zeit viel Mühe gegeben, sowohl seine Bewunderer als auch seine Kritiker zu bestätigen.

Michael Fleischmann ist Nürnbergs Kapitän, gibt nach einem Kreuzbandriss zur Unzeit aber ausschließlich den „Chefhandtuchschwinger“ (Junge). Der Führungsspieler aber ist Stephan Haukohl, ein schlaksiger, 21 Jahre junger Mann, der nicht in Brooklyn, sondern in München aufgewachsen ist. Daran kann man schon einmal zweifeln, so selbstbewusst wie Haukohl über das Parkett wirbelt. Dass er Paderborn an diesem Abend 23 Punkte eingeschenkt hatte, war ob seines Talents keine Überraschung. Bemerkenswert war viel mehr, wie selbstverständlich Haukohl den Ball forderte, ansatzlos Dreier nahm, verwandelte und an wie vielen vermeintlich einfachen Korblegern er dabei noch scheiterte.

„Das ärgert ihn selbst am allermeisten. Stephan ist ein sehr, sehr intelligenter junger Spieler, der genau weiß, wo seine Defizite liegen. Genau deswegen ist er in Nürnberg und sitzt nicht in der Bundesliga auf der Bank.“ Diese Einschätzung stammt von Coach Junge, der Haukohl von Jena nach Ehingen geholt und nun nach Nürnberg mitgenommen hatte. Junge sagte auch, dass „Stephan polarisiert, ein Typ ist, kein Angepasster, und beantwortete damit die Frage, ob er sich erklären könne, warum Haukohl selbst bei den eigenen Fans nicht durchweg beliebt ist.

Selbstbewusst oder schwierig?

Vor und nach dem Spiel wirkt Haukohl beinahe schüchtern. Während des Spiels strotzt der junge Mann mit der Frisur aus den 90er Jahren vor Selbstbewusstsein und provoziert — 55,9 Sekunden vor dem Ende Paderborner Bankspieler. Spieler aus Brooklyn werden dafür gefeiert, Spieler aus Forstenried in der Anonymität des Internets beleidigt. Oder, in den Worten Ralph Junges: „Von Amerikanern erwartet man, dass sie davon überzeugt sind, alles zu können. Wenn junge Deutsche so auftreten, dann gelten sie als schwierig.“

Dirk Nowitzki galt nie als schwierig, sein junges Ich aber hat ebenfalls polarisiert. Freiwürfen hat er seither immer hinterhergeblickt. Das erhöht die Trefferwahrscheinlichkeit.

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