HCE gegen Bruck: Ein Stadtderby wie in alten Zeiten

17.9.2018, 14:12 Uhr
HCE gegen Bruck: Ein Stadtderby wie in alten Zeiten

© Harald Sippel

Der kleine Stau an der Drausnickstraße. Die Parkplatzsuche auf dem weißen Schotterparkplatz mit den vielen Schlaglöchern. Die Menschentraube vor der Hiersemannhalle. Die nervösen Blicke der Spieler beim Aufwärmen. Das Leuchten in den Augen der älteren Zuschauer, die ja schon immer hier waren, auf diesen Holzbänken saßen und Zweitliga-Stadtderbys erlebten. Als jeden Angriff der CSG Sambaklänge begleiteten und jeden der HG rhythmisches Klatschen. Als die orangen Krautwurst-Bälle ins Publikum flogen, wie die ganze Woche vor dem Derby schon Giftpfeile auf die Gegenseite. Und wo sich am Ende trotzdem fast alle wieder lieb hatten und abgekämpft, verschwitzt, glücklich und vor allem stolz in den Armen lagen, die Maars, die Brachers, die Sauers, die Reichels, die Bergemanns. Weil sie wussten, dass sie Teil von etwas Besonderem gewesen waren, einem Handballspiel, das die Menschen in dieser Stadt nicht mehr so schnell vergessen werden.

Die Stadtderbys zwischen HG und CSG gibt es nur noch in Zeitungsarchiven und Geschichten. Und doch gab es wieder ein Handballderby am Samstagabend, zu dem die Zuschauer von damals in die Hiersemannhalle kamen – und eigentlich alles so war wie damals.

Diesmal Drittliga-Handball

Doch diesmal war es Drittliga-Handball, die U23 des HC Erlangen traf auf den Aufsteiger TV 61 Erlangen-Bruck. Bei 20:20 (9:11) stoppte die Uhr und auch wenn die Brucker feierten wie nach einem Sieg und der HCE "bedrückt in der Kabine sitzt", wie Trainer Tobias Wannenmacher verriet, waren auch sie alle, wie die über 1300 Zuschauer, am Ende vor allem stolz, Teil von etwas Besonderem gewesen zu sein, von dem man ja lang gar nicht wusste, ob man es noch jemals so erleben wird in Erlangen.

HCE gegen Bruck: Ein Stadtderby wie in alten Zeiten

© Harald Sippel

Wie sehr sich der Erlanger Handball aber nach genau so einem Spiel gesehnt hatte, das konnte man auch an den Spielern von damals sehen. Einige konnte man entdecken auf den randgefüllten Tribünen, die Schläfen hier und da vielleicht ein wenig grau geworden, mit Kindern mit großen Augen an der Hand. Denen konnten sie erzählen, dass auch der Papa bei so einem Spiel mal dabei gewesen war, zu Zeiten, als es Youtube und die Arena in Nürnberg noch nicht gegeben hat. Ja, es war auch eine kleine Zeitreise gewesen am Samstagabend.

"Ich weiß nicht, ob ich die Hiersemannhalle schon einmal so voll erlebt habe", überlegte Sergej Gorpishin nach dem Spiel, "wobei: als Kind vielleicht." Sein Papa wiederum, Slawa Gorpishin, hatte ja auch schon diese Stadtderbys als Abwehrchef der HG miterlebt. Momentan füllt der Sohn diese Rolle bei der U23 des HCE aus. Und diese Kulisse, über die alle so schwärmten, war es gewesen, die dafür sorgte, dass dieses Stadtderby wenig von spielerischem Glanz, von vollendetem Handball besaß, als vielmehr von Kampf und Leidenschaft. Auch das war ja immer schon so gewesen. "Natürlich, das ist unser Spiel", freute sich Philipp Hirning später. Der nimmermüde, quirlige Spielmacher hatte gleich soviel Leidenschaft und Herz ins Derby hineingepackt, dass für ihn nach gut 50 Minuten bereits Schluss war. Nach der dritten Zeitstrafe musste Hirning vom Feld. Er setzte sich mitten rein in den Brucker Fanblock. "Wir sind immer draufgegangen, immer vor", rief Hirning voll Adrenalin nach Spielschluss.

Loderndes Derbyfeuer

Und genau das, dieses lodernde Derbyfeuer bei überwältigender Kulisse, das raubte der jungen HCE-Mannschaft die Luft: 1:3 stand es nach fünf Minuten, die Halle stand Kopf. "Wir hatten Probleme, Ruhe und Struktur ins Spiel zu bekommen", sagte Wannenmacher. Mit Benedikt Kellner war ihm der talentierte Spielmacher verletzt ausgefallen, die offensive Brucker Deckung ließ das HCE-Spiel nie ins Rollen kommen.

HCE gegen Bruck: Ein Stadtderby wie in alten Zeiten

© Harald Sippel

"Die mussten erst einmal einstecken", meinte Hirning und grinste, die Augen leuchteten dazu – nach sechs Minuten stand es wieder 3:3. Als Kellner-Ersatz Luca Wenzel das erste von sechs Malen traf, führte der Gastgeber (15.). Bis zur Pause blieb es Schlag auf Schlag (8:8, 28.), weil HCE-Torwart Michael Haßferter diese besondere Atmosphäre zu einer sensationellen Leistung trieb: 13 Paraden zeigte die Nummer drei der Bundesligamannschaft, entschärfte bis Spielschluss vier Siebenmeter.

Doch genau die Hektik im HCE-Angriffsspiel war es, die den aggressiveren Bruckern vor der Pause, als alles schon drohte, davonzuschwimmen, wieder in die Karten spielte: Hirning, Steffan Meyer und Christian Eichhorn warfen dank schneller Konter eine 11:8-Führung heraus.

Zurück in der tobenden Halle wurde die Nervosität beim HCE noch größer: technische Fehler häuften sich, hinzu kamen Fehlwürfe. "Viele von uns erlebten so eine Kulisse das erste Mal", meinte Gorpishin, der schon Einsätze für Russlands Nationalmannschaft bestritt. "Es war für sie schwer, diese Ehrfurcht abzustellen." Ben Ljevar, Brucks Trainer und selbst als HCE-Kreisläufer Teil dieser Stadtderbygeschichte, fand: "Wir waren der Außenseiter. Der HCE der Vizemeister. Das ist wie Nürnberg gegen Bayern – da musst du Gras fressen. Das haben wir gemacht."

Wie ein altrömisches Katapult

Das 12:9 durch Enzo Kohler war die letzte Drei-Tore-Führung für Bruck, dann bekam der HCE die Nerven besser in den Griff. Auch Dank Stefan Bauer, der mit der Wucht eines altrömischen Katapults zum 11:12 und 13:13 traf, dass selbst der überragende Goebel im Brucker Tor staunte.

Nun führte plötzlich wieder der Handball-Club mit 17:15. Bei Bruck ließ einerseits die Kraft nach, zum anderen kochte das Derbyfieber zu hoch. Doch wieder half der HCE: Einfache Ballverluste brachte Bruck zurück, ja, sie besaßen gar die letzte Führung beim 20:19 (56.) in diesem Spiel – und der HCE wiederum die große Chance zum Sieg. Denn nach Marwin Wunders Ausgleich (sein Vater Roland war als CSG-Kreisläufer ebenfalls schon Derbyspieler) landete der Ball wieder beim Handball-Club. "In so einem Spiel kann alles passieren", meinte Gorpishin – und er meinte: wirklich alles. So flog der Rückhandpass von Jonas Schletterer nicht zu Wunder, sondern ins Seitenaus. 20:20 – und Aus.

"Wir hätten gern zwei Punkte mitgenommen, aber vor so einer Kulisse, auswärts, gegen so eine Mannschaft haben wir einen Punkt gewonnen", freute sich Philipp Hirning, der jeden herzte, der ihm in den Weg kam: "Wir kennen uns alle gut", fast jeder Brucker hat eine Handballgeschichte beim HC Erlangen.

Nächstes Derby: 2. Februar 2019

"Wir haben hoffentlich aus den beiden Schlussphasen gelernt", sagte Tobias Wannenmacher, der HCE-Trainer. "Ich glaube, wir können beide mit einem Punkt leben. Im Rückspiel aber wollen wir zeigen, dass wir deutlich besser sind." Am 2. Februar 2019, darauf dürfen sich alle freuen, wird die Zeitmaschine wieder durch die Hiersemannhalle fliegen. Mit Stau an der Drausnickstraße, Menschentraube vor dem Eingang und all dem Leuchten in den Gesichtern.

HCE: Haßferter; Hoffmanns 1, Neuß 1, Wunder 1, Maidl 1, Bauer 2, Lux 4/1, Wagner 2, Walz, Schletterer, Gorpishin 1, Müller 1, Wenzel 6.

TV 61: Goebel; Meyer 6/2, Mücke, Hirning 3, Hümpfer 2, Völcker, Mignon 1, Schneck, Eichhorn 2, Kohler 2/1, Duscher 3, Wolf, Mangen 1/1, Ochs, Härtl.

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