Hobbs: "Das Leben ist kurz, man sollte es nicht verschwenden"

30.8.2014, 15:11 Uhr
Pass-First-Guard, so bezeichnet man auf Basketball-Englisch Spieler, die zunächst nur daran interessiert sind, ihre Mitspieler in Szene zu setzen. Braydon Hobbs (links) ist der Prototyp eines Pass-First-Guards.

© AFP Pass-First-Guard, so bezeichnet man auf Basketball-Englisch Spieler, die zunächst nur daran interessiert sind, ihre Mitspieler in Szene zu setzen. Braydon Hobbs (links) ist der Prototyp eines Pass-First-Guards.

Mister Hobbs, Sie hätten sich als Student bei Universitäten mit erstklassigen Basketballprogrammen einschreiben können, haben sich dann aber für das zweitklassig eingestufte Bellarmine College entschieden, weil Sie zu Hause bleiben wollten. Kurz nach Ihrem Abschluss aber haben Sie sofort Ihre Heimatstadt verlassen.

Braydon Hobbs: Tja, das ist wohl richtig. Ich wollte bei meinen Freunden und meiner Familie bleiben, sie sollten mich spielen sehen. Bei dem Gedanken, auch nur vier Stunden von zu Hause weg zu sein, habe ich mich einfach nicht wohlgefühlt. Aber drei Tage nach meinem Abschluss bin ich 20 Stunden nach Australien geflogen. Das war ein bisschen verrückt — aber nur der Anfang einer Reise, die mich jetzt nach Nürnberg geführt hat.

Von Kentucky nach Queensland, wie groß war der Kulturschock?

Hobbs: Zunächst einmal war vor allem der Basketballschock groß. Am College haben wir zwei-, dreimal am Tag trainiert. In Australien habe ich auch zwei-, dreimal trainiert — allerdings in der Woche. Abgesehen davon hat die Mentalität gut zu mir gepasst, dort geht alles sehr entspannt zu. Das hat mir gefallen. Die Sonne, das Meer, die Mentalität. Großartig.

Aber wie kam es dazu? An einem Tag standen Sie noch mit den Bellarmine Knights in der Halle und eine Woche später lagen Sie in Queensland an den schönsten Stränden der Welt?

Hobbs: Es gab da einen College-Trainer in Kentucky, der in Australien gespielt hatte. Er war es, der mich gefragt hatte, ob ich mir vorstellen kann, dort zu spielen. Und weil ich tatsächlich schon immer nach Australien wollte und ich das auch noch mit Basketball verbinden konnte, ging für mich ein Traum in Erfüllung.

Australien hat 14 NBA-Spieler hervorgebracht. Das haben die doch sicher nicht nur mit zwei-, dreimal Training in der Woche geschafft?

Hobbs: Ich habe ja auch nur in der zweiten Liga gespielt, einen Sommer für die Mackay Meteors und einen zweiten für Gladstone Power. Aber ich habe mit den Cairns Taipans, einer Erstliga-Mannschaft, trainiert. Leider habe ich mir damals im Training ein paar Rippen gebrochen — weshalb das dann doch nichts wurde. Also bin ich nach Ungarn weitergezogen.

Weil Sie erneut nach dem maximal möglichen Kontrastprogramm gesucht haben?

Hobbs: Nein, jeder Ort, an dem wir gelebt haben, war großartig. Zum Beispiel die Stadt, in der wir in Spanien (Caceres) gelebt haben, die war klein, aber der perfekte Ausgangspunkt, um das ganze Land zu bereisen.

Von Australien via Ungarn nach Spanien in sechs Zeilen, das ging jetzt etwas zu schnell. Was haben Sie in Ungarn gemacht?

Hobbs: Ich habe Basketball gespielt und wir haben uns das Land angesehen. Budapest, jede größere Stadt, der Plattensee, wir sind überall hingefahren, haben tolle Leute kennengelernt – es war wieder eine völlig neue Erfahrung und gerade deshalb großartig.

Das unterscheidet Sie grundsätzlich von Ihren Kollegen, die oftmals nicht mehr von einem neuen Land sehen als die Basketballhalle, ihre Wohnung, den Supermarkt um die Ecke, ein paar Fast-Food-Läden und zwei, drei Diskotheken.

Hobbs: Schon auf der ersten Reise nach Australien hat mich das Reisevirus erwischt. Seitdem ist es mein Ziel, so viele Orte wie möglich zu sehen, so viele Menschen wie möglich kennenzulernen. Basketball hat mir den Weg dazu geebnet.

Normalerweise geben US-Profis vor, dass es ihnen zunächst einmal um das Gewinnen geht. Dabei geht es meistens nur ums Geld – was ja auch völlig in Ordnung ist, weil es schließlich ihr Job ist. Bei Ihnen aber klingt das dann doch etwas anders.

Hobbs: Es geht mir nicht nur ums Geld. So wie ich das sehe, gibt mir das Spiel die Gelegenheit, die Welt zu sehen und unterschiedliche Kulturen zu erleben. Die Zeit, in der ich mit Basketball kein Geld mehr verdienen kann, wird relativ schnell kommen. Bis dahin ist es ein großes Abenteuer für meine Frau und mich, das Geld spielt dabei keine große Rolle. Das Gewinnen allerdings schon, darum geht es schließlich im Sport. Aber das Leben ist kurz, man sollte es nicht verschwenden.

Tyrone Brazelton, einer Ihrer Vorgänger als Spielmacher des NBC, hat erzählt, dass er in Nürnberg gewinnen will. Zwei Monate später hat er ein sehr viel höher dotiertes Angebot aus der Ukraine angenommen. Die zweite Liga in Deutschland ist für viele US-Amerikaner nicht mehr als ein Sprungbrett. Für Sie auch — oder hat Sie Nürnberg nur als Stadt interessiert?

Hobbs: Nein, natürlich war das auch eine geschäftliche Entscheidung. Natürlich will man immer den nächsten Schritt machen, es soll nicht nach unten gehen, sondern immer weiter nach oben. Warum nicht in die Basketballbundesliga (BBL)? Im besten Fall natürlich mit Nürnberg? Aber auch hier gibt es noch eine andere Seite der Geschichte. Die Familie meiner Frau stammt ursprünglich aus Deutschland. Und einst habe ich ihr versprochen, dass ich sie irgendwann mit nach Deutschland nehmen werde. Zwei Wochen bevor ich unterschrieben habe, gab es aber keine Angebote aus Deutschland. Mein Berater erzählte mir von Italien, Polen und Ungarn. Also dachte ich, dass es eben in Italien, Polen oder Ungarn weitergehen wird. Eine Woche später hat er dann etwas von Nürnberg erzählt. Jetzt sind wir hier.

In einem Porträt auf der Homepage Ihrer ehemaligen Uni kann man lesen, dass Sie vor allem nach Deutschland kommen, um hier Kinder zu kriegen. . .

Hobbs: . . . und seitdem werde ich andauernd gefragt, wann es denn endlich so weit ist.

Und wann ist es so weit? Es klang so, als wäre es das Erste, was Sie sich hier vorgenommen haben.

Hobbs: Das wird schon noch ein paar Jahre dauern. Die haben da wohl ein bisschen was falsch verstanden. Wir wollen erst noch die Welt sehen, bevor wir uns irgendwo niederlassen. Trotzdem, hierherzukommen war eine der besseren Entscheidungen, die ich in meinem Leben getroffen habe.

Das sagen Sie nach einer Woche?

Hobbs: Ja, das kann ich. Es ist alles sehr professionell hier, die Leute sind großartig, alles ist perfekt. Wir können uns nicht beschweren — aber darum geht es uns ja ohnehin nicht. Es geht für mich darum, von Coach (Ralph) Junge zu lernen. Und das werde ich, das kann ich auch schon nach einer Woche sagen. Zunächst einmal ist es die Aufgabe des Trainers, dass jeder gerne ins Training kommt, dass sich jeder eingebunden fühlt. Das hört sich selbstverständlich an, aber nicht bei jeder meiner bisherigen Stationen war das selbstverständlich.

Hobbs:

© NBC

Auf dem Parkett ist es vor allem die Aufgabe des Spielmachers, jedem das Gefühl zu geben, eingebunden zu sein.

Hobbs: Tja, das ist mein Job, richtig. Hoffentlich werde ich dieser Aufgabe gerecht.

Das sollte Ihnen gelingen, schließlich scheinen Sie den Ball lieber abzugeben als ihn selbst im Korb zu versenken.

Hobbs: Die meisten Importspieler kommen mit der Einstellung hierher, möglichst viele Punkte erzielen zu wollen. Wenn ich aber jeden meiner Mitspieler dazu bringe, vier Punkte mehr zu erzielen, dann zählen diese Punkte auch für mich, weil sie für die Mannschaft zählen.

War das schon immer so? Wenn man Kindern dabei zusieht, wie sie Basketball spielen, will doch zunächst jeder selbst in den Korb treffen. Sie auch?

Hobbs: Ich habe schon immer mit meinem älteren Bruder Basketball gespielt. Und er liebte es, den Ball auf den Korb zu werfen. Mir blieb da nur, ihm den Ball zu besorgen. Ich habe gepasst, er hat geworfen. Heute spiele ich schon lange nicht mehr mit meinem Bruder zusammen. Aber die Freude am Passen, die ist mir geblieben.

Und so wird das wohl auch in Nürnberg bleiben.

Hobbs: Ja. Ich weiß schon, wie man Punkte macht. Aber auf diesem Niveau weiß das jeder Spieler. Meine Aufgabe wird es sein, den Ball an Josh (Young), Jud (Dillard), Dan (Oppland) und all die anderen zu geben, wenn sie einen freien Wurf haben. Wenn ich das schaffe, werden wir erfolgreich sein.

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