Irre Show: Bamberg bringt Nürnbergs Arena zum Beben

17.11.2017, 17:03 Uhr
Irre Show: Bamberg bringt Nürnbergs Arena zum Beben

© Sportfoto Zink

Wer Basketball auf gehobenem Niveau in Nürnberg sehen will, kann das schon etwas länger tun. Man muss sich dazu etwa alle zwei Wochen in eine in die Jahre gekommene Schulturnhalle am Berliner Platz neben dem Stadtpark begeben. Aktuell sieht man dort sehr junge Basketballer aus Franken und nicht mehr ganz so junge Basketballer aus Kalifornien und Illinois, die darum kämpfen, dass in Zukunft in der Stadt zumindest weiterhin Zweitliga-Basketball angeboten werden kann.

Was man dort nie erleben wird: eine Basketball-Nacht, wie sie am Mittwochabend die Zuschauer in der Arena Nürnberger Versicherung erlebten. Von einem Wunder wollte Andrea Trinchieri, der Bamberger Trainer, hinterher nicht sprechen, "ich denke, Wunder sind für wichtigere Dinge als Sport bestimmt", sagte er in einem improvisierten Pressekonferenzraum der Arena. Immerhin, einen "großartigen Sieg" nannte er dieses 84:81 gegen Barcelona dann aber doch.

Um zu verstehen, warum der Italiener überhaupt erst die denkbar größten Wörter bemühte – und sie dann wieder negierte, musste man sich noch einmal vor Augen führen, was passiert war, zwei Stunden bevor Trinchieri hinter zwei ungeöffneten Flaschen Limonade Platz nahm. Eigentlich musste man sogar noch etwas weiter zurückblicken. Vor zwei Jahren war man bei Brose Bamberg auf die Idee gekommen, mit ein paar Gastspielen in Nürnberg die eigene Fanbasis zu erweitern.

Waren die Oberfranken Anfang des Jahrtausends noch aus purer Not nach Mittelfranken ausgewichen, um an der Euroleague teilzunehmen, sind die jüngsten Besuche in der Arena am Kurt-Leucht-Weg freiwilliger Natur. Ein Spitzenteam aus Istanbul haben sie seitdem dort empfangen, gleich zweimal das große Real Madrid, nun den mindestens genauso klangvollen FC Barcelona; "eine der größten Sportorganisationen Europas", wie  Rolf Beyer, Bambergs Geschäftsführer, im Vorfeld nicht müde wurde zu betonen.  

Erst zaubert Barca, dann zündet Bamberg

Sie hatten die benachbarten Fußballer des 1. FC Nürnberg zu diesem besonderen Abend in die Arena eingeladen, ein umfangreiches Rahmenprogramm auf die Beine gestellt, Busse für zahlreiche treue aber auch skeptische Bamberger Basketball-Fans organisiert. Und dann das. 12:38. 

Nach zehn Minuten schien die Partie zwischen dem neunmaligen deutschen und dem  18-maligen spanischen Meister bereits entschieden zu sein, vor allem musste dem Trainer, dem Geschäftsführer und den Marketingstrategen bei Brose Bamberg aber die Art Angst machen, wie ihre Basketballer in Rückstand gerieten; orientierungslos irrten sie über das Feld, sie ließen sich auf zuweilen slapstickhafte Weise den Ball klauen, sie spielten ohne jegliche körperliche Intensität. Einen "Albtraum" nannte Andrea Trinchieri das erste Viertel später, Rolf Beyer hörte zwei Reihen hinter sich die ersten Bamberger schimpfen, die laut die Frage stellten, warum sie sich das eigentlich antun, die 60 Kilometer nach Nürnberg, einfach.

"Ich habe so etwas noch nie erlebt"

Seit seinem Amtsantritt in Bamberg vor drei Jahren ist Trinchieri immer mal wieder mit einem Vulkan verglichen worden, weil er regelmäßig so wunderbare Eruptionen produziert, diesmal schien der Vulkan erloschen zu sein. "Stellen Sie sich ein Haus ohne Dach vor", bemühte er nach dem Spiel einen Vergleich, um zu erklären, warum er diesmal auf einen Ausbruch verzichtet hatte. "Es regnet von oben herein, da hätte es keinen Sinn gemacht, auch noch einen Wasserhahn aufzudrehen." Es ist keine vier Wochen her, da fühlte sich Nikos Zisis, der sonst so zurückhaltende Anführer, in einem Interview dazu genötigt, seine Kollegen daran zu erinnern, was es bedeutet, für den Verein zu spielen. In Ludwigsburg hatten sie sich im Bundesliga-Alltag  ordentlich blamiert, seitdem ist die Mannschaft aber eine andere. 

Den Beweis traten sie gegen Barcelona ab dem zweiten Viertel an. Bamberg kämpfte, sah dabei nicht immer glücklich aus, trotzdem hatten sie den Rückstand bis zur Halbzeitpause von 26 auf zwölf Punkte reduziert. Und nach der Pause ging es einfach immer so weiter. Bis sie vier Minuten vor dem Ende in Führung gingen und diese bis zum Schluss auch nicht mehr abgaben. "Ich habe so etwas noch nie erlebt", sagte Bambergs Bryce Taylor, der sich zwischenzeitlich darum bemühte, dass der Nürnberger Flughafen irgendwann einmal nach ihm benannt werden könnte.

Tatsächlich hat man solche verrückten Aufholjagden im Basketball schon erlebt, man hat sie auch immer wieder in dieser Schulturnhalle am Berliner Platz erlebt. Auf diesem Niveau, im wichtigsten europäischen Vereinswettbewerb, war es allerdings eine Neuheit in Nürnberg. Dass sich Zisis mit neun Punkten zur Euroleague-Legende machte und nun über 2000 Punkte in dem Wettbewerb erzielt hat, musste da eine Randnotiz bleiben. Und auch, dass Bamberg nach vier Siegen in sieben von 30 Vorrundenspielen in diesem Wettbewerb sehr gut dasteht. "Jetzt", stellte Beyer fest, als die Arena auch Minuten nach der Schlusssirene  noch Kopf stand, "weiß ich, warum wir hier sind". Es soll nicht ihr letzter Besuch gewesen sein. Die Nürnberg Falcons empfangen am 26. November übrigens Ehingen. In der Schulturnhalle, nicht in der Arena.   

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