Keita in Fürth: Neue Chance für einen Ungebrochenen

18.6.2018, 07:01 Uhr
Keita in Fürth: Neue Chance für einen Ungebrochenen

© Foto: Alexander Pfaehler

Die Vergangenheit wird Daniel Keita-Ruel sowieso nie wieder loswerden. Also stellt er sich ihr. Bei jeder seiner Stationen als Profifußballer aufs Neue, in Wattenscheid, bei Fortuna Köln – und jetzt bei der Spielvereinigung Greuther Fürth. Es sind am Anfang immer die gleichen Fragen, die auftauchen. Keita-Ruel beantwortet sie offen und direkt.

Der gebürtige Wuppertaler ist ein schneller, wuchtiger Fußballspieler, ein Stürmer, der mit beiden Füßen Tore schießen kann. In der vergangenen Saison hat er für Fortuna Köln in der 3. Liga 15 Treffer erzielt und sieben weitere vorbereitet. Das ist eine starke Bilanz für jemanden, der 28 Jahre alt ist und die besten Jahre im Leben eines Fußballers verpasst hat.

"Der größte Fehler meines Lebens"

Im Alter zwischen 22 und 25 Jahren, wenn andere Spieler wichtige Karriereschritte machen, saß Keita-Ruel im Gefängnis. Fünfeinhalb Jahre Haft, unter anderem wegen schweren Raubes, lautete im September 2012 das Urteil. "Es war der größte Fehler meines Lebens", sagt Keita: "Aber ich kann ihn nicht rückgängig machen."

Der Stürmer ist in Wuppertal-Elberfeld aufgewachsen, ein raues Viertel. Dort nennen ihn alle nur Keita. Früh fällt sein Talent auf, auch dem Bundesligisten Borussia Mönchengladbach bleibt es nicht verborgen. Keita wechselt in die dortige Jugend.

"Ich war ein kleiner, verwöhnter Schnösel"

Doch ein Profi-Vertrag wird ihm verwehrt. Sportlich hoch veranlagt aber im Kopf nicht reif genug, lautet das Urteil. 2011 kehrt er nach Wuppertal zurück. In der Reserve des SV muss er in der fünftklassigen Niederrheinliga spielen. Es scheint für ihn keine Zukunft als Profi zu geben. Und für einen Jungen aus Elberfeld, der keine Ausbildung hat, heißt das: Eine echte andere Perspektive gibt es nicht.

Keita geht härter mit sich ins Gericht: "Ich war ein kleiner, verwöhnter Schnösel, der nichts anderes als die Fußball-Welt kannte." In dieser Zeit lernt er seine "falschen Freunde" kennen. Sechs Männer, alle älter als er, mit denen er die Überfälle auf zwei Postfilialen und einen Baumarkt begeht. Er sei manipulierbar gewesen, aber wegschieben will er die Verantwortung nicht: "Ich bin selbst schuld gewesen, mir hat keiner eine Pistole an den Kopf gehalten und mich bedroht, das zu machen."

Trainingspläne hinter Gitter

Mit dem Urteil des Wuppertaler Landgerichts scheint seine Karriere endgültig zerstört zu sein – und sein Leben auch. Doch das Gefängnis bricht ihn nicht. "Es hat mich extrem geprägt. Ich bin als Jugendlicher in den Knast und als Mann wieder heraus gekommen", sagt er.

Sein Wuppertaler Jugendtrainer besucht ihn regelmäßig, schickt ihm Trainingspläne hinter Gitter. In der JVA erarbeitet er sich Disziplin, steht jeden Morgen um sechs Uhr auf, absolviert zwei Trainingseinheiten am Tag. Dreimal die Woche spielt er Fußball mit der Knastmannschaft, arbeitet als Sportwart in der JVA. Er bereitet sich vor auf die Zeit danach. "Ihr könnt mich wegsperren, aber ihr könnt mir mein Talent nicht nehmen", sagt er sich selbst. Gleichzeitig sieht er, wie sich Mithäftlinge das Leben nehmen. Sein Vater und ein Freund sterben, während er sitzt. "Ich habe die Zeit überlebt, weil meine Familie und meine Freunde hinter mir standen. Man merkt, welche Leute wichtig sind", sagt Keita.

Als er 2014 in den offenen Vollzug kommt, kann er bei Ratingen 04/19 in der Oberliga Niederrhein spielen, auch nach seiner Entlassung bleibt er dort. Es geht steil bergauf: Zur Saison 2016/17 wechselt er zu Regionalligist Wattenscheid 09, erzielt zwölf Tore in 33 Spielen. Ein Jahr später spielt er schon drittklassig bei Fortuna Köln.

"Ich habe noch Hunger"

Und jetzt 2. Bundesliga, mit der Spielvereinigung. "Ich bin sehr glücklich, dass ich hier gelandet bin. Mich hat das Menschliche und Familiäre überzeugt", sagt Keita: "Es ist nicht selbstverständlich, dass so ein etablierter Verein wie Fürth mir eine Chance gibt." Es sollen andere Zweitligisten wie Holstein Kiel an ihm interessiert gewesen sein. Aber Keita entschied sich fürs Kleeblatt, obwohl er anderswo vielleicht mehr verdient hätte. Fürth zahlt die festgeschriebene Ablösesumme von 250 000 Euro.

Viele Gespräche mit Trainer Damir Buric und Sportdirektor Rachid Azzouzi hat Keita geführt. "Der Trainer sieht mich als Krieger, der vorneweg marschieren soll", sagt er. Mit seiner Schnelligkeit und Treffsicherheit soll er den Angriff beleben. "Ich habe noch Hunger, mehr als andere in meinem Alter", ist Keita überzeugt.

Nicht nur für sich selbst versucht er aus seiner Vergangenheit das Beste zu machen. In Düsseldorf, Köln und Wuppertal hat er mit seinem Berater soziale Projekte gegründet. Er spricht in Grundschulen oder Gefängnissen mit schwer erziehbaren Jugendlichen. Auch für entsprechende Projekte in Fürth und Umgebung zeigt er sich offen. "Der richtige Weg ist der gerade", will Keita den Jugendlichen zeigen. Doch auch mit holprigen Lebenswegen kann man es schaffen. In Fürth kann Keita das aufs Neue beweisen.

 

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