Kleeblatt: Vom Außenseiter zum Favoriten

18.8.2012, 17:00 Uhr
Kleeblatt: Vom Außenseiter zum Favoriten

© Zink

Wenn die Laune des Trainers ein Gradmesser für die Form der Mannschaft ist, dann hat die Spielvereinigung am Bieberer Berg wenig zu befürchten. „Ich hab schon gemerkt, hier darf man sich nicht zurücklehnen“, scherzte Mike Büskens gestern, weil er wegen der Umbauarbeiten im Ronhof die obligatorische Pressekonferenz ausnahmsweise von einem Barhocker aus bestreiten musste. Man hat den 44-Jährigen bei solchen Anlässen schon verkrampfter erlebt. Offensichtlich bereitet ihm nach schier unendlicher Vorbereitungszeit die Aussicht auf den Ernstfall deutlich weniger Kummer als Freude.

Dabei bewegt sich sein Team neuerdings zwischen Extremen: Heute Offenbach, nächste Woche Bayern München, mal haushoher Favorit, mal krasser Außenseiter. Büskens weiß: „Wir haben in der Vergangenheit davon profitiert, als vermeintlicher Underdog zu spielen.“

Es ist tatsächlich noch gar nicht lange her, dass Auftritte des Kleeblatts als Pokalsensation gefeiert wurden. Mit Siegen in Nürnberg und Hoffenheim stieß der damalige Zweitligist bis in die Vorschlussrunde des DFB-Wettbewerbs vor, erst Meister Dortmund beendete die Finalträume der Fürther in einer denkwürdigen Partie mit einem Last-Minute-Tor. In den fünf Monaten, die seitdem vergangen sind, scheint der Aufsteiger vom Stolperstein zum Gebirgsmassiv gewachsen zu sein. Jedenfalls aus Sicht der Offenbacher und einem Teil der Medien. Nun, meint etwa die Welt, bestünde die „Sensation“ nicht mehr aus einem Sieg der Spielvereinigung, sondern aus deren Niederlage.

„Das fängt im Kopf an“

Vereinspräsident Helmut Hack wäre im Fall des Falles sicher nicht amüsiert. „Der Pokal ist für uns genauso wichtig wie immer, weil wir dort den Zugewinn erzielen können, den wir für unsere Weiterentwicklung brauchen.“

Also hört man im Lager des Erstligisten Appelle, die in einer Woche anlässlich des Bundesliga-Auftakts gegen den Rekordmeister völlig deplatziert wirken würden. „Du darfst nicht denken, dass es von alleine geht“, sagt Büskens, „das Ganze fängt im Kopf an.“ Mergim Mavraj, der neue Kapitän, sekundiert: „Das geht nur über die Einstellung, über Mut und Robustheit.“ Will heißen: Die Fürther sind sich sicher, grundsätzlich mehr PS als die Offenbacher unter der Haube zu haben, müssen diese aber erst auf den Rasen bringen.

„Das wird sehr, sehr, sehr schwer“, unkt Mavraj, der unweit von Offenbach aufgewachsen ist und in der Jugend für die Kickers spielte. Etliche Freunde und Verwandte des frischgebackenen albanischen Nationalspielers werden live mitfiebern —mit wem auch immer.

Der „Bieberä Bärsch“, wie die Einheimischen ihre legendäre Fußballarena nennen, heißt inzwischen „Sparda-Bank-Hessen-Stadion“. Der Atmosphäre dort dürfte das kaum geschadet haben, mutmaßt Büskens. „Da wird die Heimmannschaft gepusht.“

In der Dritten Liga hat das den Kickers freilich noch nicht allzu viel geholfen. Vier Niederlagen und erst ein Sieg, erzielt am vergangenen Wochenende in Aachen, stehen für den selbsternannten Aufstiegsaspiranten bislang zu Buche. Trainer Arie von Lent, in der Saison 1998/1999 Top-Torjäger des Kleeblatts, würde wahrscheinlich seine letzten paar Haupthaare opfern, wenn ihm dadurch in dieser schwierigen Phase eine „Pokal-Sensation“ vergönnt wäre.

Wer diese auf Fürther Seite verhindern soll, ließ Trainer Büskens gestern, wie immer, offen. Der nach einem Muskelfaserriss erst am Freitag wieder ins Training eingestiegene Linksverteidiger Heinrich Schmidtgal könnte durch die Allzweckwaffe Edgar Prib vertreten werden. Eventuell werden in der Startelf mit Stürmer Djiby Fall und Mittelfeldspieler Tobias Mikkelsen überhaupt nur zwei Sommer-Zugänge stehen. Der Rest muss wohl oder übel akzeptieren, dass mit dem Aufstieg auch die Fallhöhe größer geworden ist.

Das Spiel können Sie ab 20.30 Uhr in unserem Ticker live mitverfolgen.

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