Kreisliga war gestern: Beierlorzer regiert in Regensburg

25.7.2017, 14:17 Uhr
"Plötzlich haben sich Möglichkeiten aufgetan, von denen ich nie wusste, dass es sie gibt": Achim Beierlorzer hatte nie das Ziel, Bundesligatrainer zu werden. Nun, mit 47 Jahren, ist er in der 2. Liga angekommen.

© Sportfoto Zink "Plötzlich haben sich Möglichkeiten aufgetan, von denen ich nie wusste, dass es sie gibt": Achim Beierlorzer hatte nie das Ziel, Bundesligatrainer zu werden. Nun, mit 47 Jahren, ist er in der 2. Liga angekommen.

Vor kurzem durfte Achim Beierlorzer durchschnaufen, zu Hause, in Stöckach. Dort hat er ein Haus gebaut, im Gymnasium Eckental war er Lehrer für Sport und Mathematik. Ein Trampolin im Garten für die drei Kinder, der Sportplatz immer im Blick – ein schönes Leben, eines, das viele Familienväter führen. Doch dann sagte seine Frau: "Magst du nicht noch was anderes probieren?"

"Der Traum hat jetzt richtig begonnen"

Deshalb sitzt Achim Beierlorzer nun nicht mehr als Lehrer an diesem Esstisch, sondern als Cheftrainer des Fußball-Zweitligisten SSV Jahn Regensburg. "Der Traum", sagt er, "hat jetzt richtig begonnen."

Der Traum vom Profifußball, den sein Bruder Bertram als Spieler lebte: 119 Einsätze für den 1. FC Nürnberg, 73 für Bayern München, 31 für den VfB Stuttgart. Meisterschaft, DFB-Pokal, Europapokal – "ich war einen Tick zu langsam", sagt Achim Beierlorzer, aus dessen aktiver Zeit es nur ein Freistoß ins dicke Geschichtsbuch der Spielvereinigung Fürth schaffte: 1990, als der Landesligist Borussia Dortmund sensationell aus dem Pokal warf, traf er zum 2:1. Ansonsten verdiente sich Beierlorzer mit dem Fußball Geld zum Studium dazu, ein Knorpelschaden beendete schmerzhaft den Leistungssport.

Die Familie entstand, das Haus, der Lehrerjob – die Liebe zum Fußball lebte Beierlorzer als Spielertrainer in der Kreisliga weiter, beim SV Kleinsendelbach. "Eine sehr, sehr schöne Zeit", sagte er einmal, "auch wenn du dir den ganzen Tag Gedanken zur Viererkette gemacht hast – und am Ende nur drei Verteidiger ins Training kamen."

Mit dem Trauzeugen meldet er sich zum B-Trainerschein an, wird Jahrgangsbester. "Plötzlich haben sich Möglichkeiten aufgetan, von denen ich nie wusste, dass es sie gibt." Im Nachwuchsleistungszentrum seines alten Vereins hält er einen Vortrag, er schließt damit, dass er drei Kinder hat und ein Haus baut. Die Spielvereinigung stellt Beierlorzer hauptamtlich für die U17 ein, er wird vom Schuldienst freigestellt.

"Ich wollte wissen, wie weit ich komme"

Als das Jahr vorüber ist, Beierlorzer auch im A-Trainerschein der Beste ist, will er mehr. "Ich wollte wissen, wie weit ich komme." Er wechselt in die Jugendabteilung von RB Leipzig, ein halbes Jahr später ist er nach der Entlassung von Alexander Zorniger für 15 Zweitliga-Spiele Interimscoach. Die Mannschaft schließt auf Rang fünf ab, Beierlorzer rückt zurück ins Trainerteam von Ralf Rangnick, feiert Bundesligaaufstieg und Champions-League-Qualifikation. Wenn sich irgendwann die Chance bietet, als Cheftrainer in die Bundesliga zu kommen, verspricht ihm Rangnick, dann lässt er ihn ziehen.

Coach Ralph Hasenhüttl findet keinen Platz für den Co-Trainer Beierlorzer, der Neunkirchner wird wieder Jugendtrainer und Sportlicher Leiter im Nachwuchs. "Ein Job", sagt er, "für den 300 Fußballtrainer in Deutschland sofort einen Freudentanz aufführen würden. Und so fühlte ich mich auch, ganz ehrlich."

Frau Steffi fährt so oft es geht nach Leipzig, Achim Beierlorzer so oft es geht nach Stöckach. Am Ende vergangener Saison sieht sich Beierlorzer das Relegationsspiel zwischen Regensburg und 1860 München an, "ich habe mir noch gedacht: Heiko Herrlich hat eine interessante Mannschaft, mit einer Spielidee, die dem sehr nahe kommt, was ich selbst in den letzten Jahren habe spielen lassen: Aus einer kompakten Deckung zielstrebig nach vorne spielen".

Im Urlaub klingelt Beierlorzers Telefon, Christian Keller fragt, ob er sich das nicht vorstellen könnte: Cheftrainer in der zweiten Bundesliga, Herrlich ist nach Leverkusen gewechselt. Rund 100 Trainer hatten sich beim Sportlichen Direktor für diesen Job beworben, doch der wollte nur Beierlorzer. "Ich hab’ mir alles angesehen, mit allen gesprochen", sagt Achim Beierlorzer, dann sagt er zu. In Leipzig gibt es eine Wohnungsauflösung und einen Auflösungsvertrag, "wenn Ralf Rangnick sein Wort gibt, kann man sich darauf verlassen".

Schrauben, Schrauben, Schrauben

Vom Champions-League-Club eines Multimilliardärs, "wo man sich alles leisten kann, was man als sinnvoll erachtet", wie Beierlorzer sagt, geht es zum oberpfälzer Traditionsverein. Nicht auf Rosen gebettet, aber Aufsteiger in die zweite Liga. "Ich kann und will hier gar nicht alles umkrempeln, sondern helfen zu professionalisieren", sagt Beierlorzer. Er will "Stellschrauben drehen", "aus den Mitteln, die da sind, das beste machen, wie in Schwabach, auch wenn klar ist, dass sich das beim Jahn schon auf einem viel höheren Niveau bewegt." Da war es noch vierte Liga. "Das ist es, was mich antreibt: ein Team einstellen, es entwickeln, auf lange Sicht voranbringen."

Zum zweiten Spiel kommt gleich der 1. FC Nürnberg, für den Beierlorzer in der Jugend spielte. Aber herausheben will er dieses Spiel nicht, "jedes einzelne ist in der zweiten Liga doch eines zum Genießen".

Angekommen in seinem Traum

Sieben Jahre ist es her, dass seine Frau diesen Satz am Esstisch sprach, 23 Jahre sind die Beierlorzers verheiratet. "Dieser Aufwand, dieser Job geht nur mit hundertprozentiger Rückendeckung", sagt Achim Beierlorzer. "Wenn du die so wie ich immer bekommst, dann weißt du: sie ist die Richtige." Er hat jetzt auch eine Wohnung in Regensburg, drei Zimmer, wie in Leipzig. "Ich brauche das, um mich zu hundert Prozent mit der Stadt, mit dem Verein zu identifizieren." Nur, dass es jetzt eine Stunde mit dem Auto nach Stöckach ist, nach Hause, zum Durchschnaufen. Achim Beierlorzer ist angekommen in seinem Traum.

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