Kunstrad-Stars gehen für Olympia auf Werbetour

29.11.2017, 10:17 Uhr
Kunstrad-Stars gehen für Olympia auf Werbetour

© Wilfried Schwarz

Lukas Kohl setzt seit einem Jahr neue Maßstäbe. 30 Übungen meistert der 21-Jährige in seiner fünfminütigen Kür so nah an der Perfektion, dass er die magische Grenze von 200 Punkten wie am Fließband durchbricht. 15 Mal nun in einer Saison. Das hat nicht einmal der achtfache Weltmeister und bekennende Kohl-Fan David Schnabel geschafft. Der "Lukinator", der den sogenannten Maute-Sprung vom Sattel auf den Lenker so schnell nimmt wie kein anderer,  verteidigte sein weltmeisterliches Regenbogentrikot souverän. Der einzige ernste Herausforderer kam mit Moritz Herbst aus dem eigenen Lager, wobei der Schwabe selbst mit einem fehlerlosen Auftritt noch auf Abzüge bei Kohl hoffen müsste.

Kurz im Rampenlicht

Und doch sind die Gesichter der Protagonisten, die ihren Sport über Jahre hinaus prägen könnten, nur einer überschaubaren Fachszene bekannt. Kunstrad und Radball gehören dem Dach des großen Bund Deutscher Radfahrer (BDR) an, fristen aber im Schatten von Straßen- und Bahnradsport ein Nischendasein. "Wir haben im Fußball-Land Deutschland leider generell ein Problem mit der Anerkennung von Randsportarten", sagt Lukas Kohl. Das Rampenlicht zwischen Ehrenrunde vor 3000 begeisterten Zuschauern, Dopingtest und Festbankett erlischt schnell. Keine 48 Stunden später beginnt für das Ausnahmetalent vom RMSV Concordia Kirchehrenbach wieder der Alltag eines Studenten, der seine Bachelorarbeit im Fach Wirtschaftsingenieurwesen bis Ende Januar fertigstellen muss. Bis die beruflichen Perspektiven eine Entscheidung verlangen, will sich der Vollblutprofi vom Spaß am Sport leiten lassen. Wobei, wie der 21-Jährige verrät, verfolge er darüber hinaus immer ein Stück weit aus Eigeninteresse das Ziel, "uns bekannter zu machen".

Die Rolle des Markenbotschafters, die der freundlich-zurückhaltende Kohl bislang instinktiv in jedem Gespräch einnimmt, könnte künftig einen noch offizielleren Charakter erhalten. Denn die deutschen Zugpferde und der Weltradsportverband UCI unternehmen einen Vorstoß, um der Aufnahme ins olympische Programm näherzukommen. "Olympia, das wäre noch einmal eine Stufe höher als der WM-Titel", sagt Milena Slupina aus Roth, die Siegerin im Frauen-Einer. "Dieser Sport hat es auf alle Fälle verdient."

Der Knackpunkt, das verdeutlichte ausgerechnet der üppige deutsche Medaillenregen, ist die fehlende internationale Verbreitung des Sports. Nur 20 Nationen nahmen an der Weltmeisterschaft teil. Um den Kreis zu erweitern, soll mit einer Europameisterschaft (gibt es bislang anstatt WM nur im Juniorenbereich) und einem 2018 erstmals ausgetragenen Weltcup kräftig die Werbetrommel gerührt werden. Vier Turniere sind ab Februar in Prag, Heerlen (Niederlande), Hongkong und Erlenbach (Unterfranken) geplant.

"Olympia ist sicher eher auf eine längere Sicht von 20 bis 30 Jahren realistisch. Aber der Weltcup ist eine coole Sache, weil er eher noch als eine EM zusätzliche Höhepunkte über das Jahr verteilt schafft", meint Lukas Kohl, der als amtierender Weltmeister 2017 einigen Einladungen aus Österreich und der Schweiz gefolgt war. Die Aufmerksamkeitsinitiative hätte allerdings ihren Preis. Neben der Herausforderung für die Sportler, die Extra-Termine in ihr bisher ganzjährig ausgerichtetes Trainingsprogramm zu integrieren, birgt vor allem die Finanzierung des Weltcup-Projekts Brisanz. Während schon bisher bei der Anerkennung von Leistungen durch Preisgelder in Hunderten gerechnet wird, schlagen die Ausgaben für Material und Reisekosten mit mehreren Tausend Euro pro Jahr zu Buche.

Kostenfrage brisant

"Mein größter Sponsor ist meine Mutter und Trainerin", berichtet Milena Slupina. Die 22 Jahre alte Maschinenbau-Masterstudentin erhielt als Deutsche Meisterin von 2016 bisher keinerlei Sportfördermittel. Aktuell steht für den Weltcup eine Dreiteilung der Kosten zwischen BDR, Heimatverein und Sportler im Raum. "Das wird so nicht gehen. Das kann mein kleiner Klub nicht aufbringen. Ein Großteil der Kosten würde wieder an mir hängen bleiben." Klare Worte findet auch Lukas Kohl, der mit seiner neuerlichen Bewerbung bei der Deutschen Sporthilfe auf eine Unterstützung von maximal 300 Euro pro Monat hoffen darf. "Ich wünsche mir sehr, dass der Verband Sponsoren findet und die Athleten eine Aufwandsentschädigung erhalten."

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