Let's go, FCN! Füllkrug, Leipzig und das Fünfer-Läuten

11.9.2020, 19:54 Uhr
Dingdingdong! Im März 2016 zerschellten die Leipziger an Niclas Füllkrug und Nürnbergs Heimstärke.

© Sportfoto Zink / DaMa Dingdingdong! Im März 2016 zerschellten die Leipziger an Niclas Füllkrug und Nürnbergs Heimstärke.

Am Samstag begegnen sich die Rot-Schwarzen und die Roten Bullen also im Pokal  (15.30 Uhr, Live-Ticker auf nordbayern.de). In Deutschlands Eliteklasse trafen die Kontrahenten erst zweimal aufeinander. Das erste Duell im Oktober 2018 konnten die Leipziger zu Hause recht deutlich für sich entscheiden. Mit einem saftigen 0:6 im Gepäck - irre, war dieser Timo Werner schnell und dieser Club unbedarft an diesem Tag - fuhr der FCN deutlich geschlagen nach Hause. Beim Wiedersehen in Nürnberg hieß es nur 0:1, was aus Club-Sicht vielleicht sogar vermeidbar gewesen wäre, hätte in der ersten Hälfte nicht Leipzigs Klostermann aus dem Feld, sondern Nun-nicht-mehr-Kapitän Hanno Behrens vom Elfmeterpunkt getroffen.

Zuvor waren sich die so unterschiedlichen Vereine letztmals 2016 begegnet. Für RB ging's danach nach oben. Der FCN verharrte noch ein bisschen im Unterhaus, obwohl er den Rasenballsportlern in der damaligen Saison gleich zweimal das Nachsehen gegeben hatte und in der Relegation gegen Frankfurt später selbst ans Tor zur Erstklassigkeit klopfen sollte.

An den 20. März 2016 jedenfalls erinnert man sich nur allzu gerne in der Noris. Vor knapp 41.000 Zuschauern auf Nürnbergs Lieblingsspielplatz besiegte der Club die als Spitzenreiter angereisten Sachsen völlig verdient mit 3:1 und schickte die absolute Mehrzahl der Fans damit euphorisiert nach Hause.

Der von René Weiler in die Spur gesetzte Club ließ sich in seiner geradlinigen und couragierten Spielweise damals nicht von der von Davie Selke bewerkstelligten Gästeführung verunsichern. Ondrej Petrak glich aus dem Gewühl heraus nach knapp 70 Minuten aus. Ein paar Zeigerumdrehungen später hatte der Club das Spiel gedreht. Niklas Füllkrug bugiserte den Ball nach Burgstallers Vorarbeit zur FCN-Führung in die Maschen. Die Stimmung im Stadionachteck war gut, sehr gut sogar und wurde noch besser, als Guido Burgstaller nach einigen vergebenen Möglichkeiten in der Nachspielzeit mit dem Außenrist das letzte Ausrufezeichen des Altmeisters setzte.

Dosen in der Heimfestung

Der fünfte Sieg in Serie für den Comeback-Club ging mit der 17. ungeschlagenen Partie für Nürnbergs Premium-Fußballer einher, die in ihrer Heimfestung letztmals im März 2015 verloren hatten, nach einem Jahr also fast keine Ahnung mehr davon hatten, wie sich so eine Niederlage in ihrer Trutzburg überhaupt anfühlt.

Auch auswärts, im Oktober 2015, hätte der FCN das Kräftemessen mit den Messestädtern nicht zwingend verlieren müssen. Und das, obwohl bereits nach einer Viertelstunde alles auf einen hohen Sieg der Hausherren hindeutete. Mit nur zehn Mann lag der Club hoffnungslos im Hintertreffen: Kapitän Dominik Kaiser hatte die Roten Bullen, nachdem Georg Margreitter im Strafraum die Notbremse gezogen hatte, vom Punkt aus in Front gebracht. Selke, vom Österreicher zuvor gefoult und im Hauptberuf Stürmer, wollte Spielführer und Schwaben-Kumpel Kaiser natürlich nicht nachstehen. Der Schorndorfer schnürte einen Doppelpack, stellte gegen dezimierte und desorientierte Nürnberger damit schnell auf 3:0.

Der geht rein! Dave Bulthuis machte in der Messestadt die erste Club-Bude.

Der geht rein! Dave Bulthuis machte in der Messestadt die erste Club-Bude. © Sportfoto Zink / DaMa

Doch in der zweiten Hälfte schlug der Club - bis dahin nur Spielball angriffslustiger Rasenballer - zurück! Nachdem Dave Bultuis eine Freistoßflanke von Kevin Möhwald zum 1:3 und Niclas Füllkrug eine nahezu identische Vorlage des Nürnberger Standardspezialisten zum Anschlusstreffer genutzt hatte, bekam der sorglos schippernde Taurin-Tanker erheblich Schlagseite. Leipzig wackelte, Leipzig wankte. Füllkrug und Behrens verpassten den Ausgleich. Der bereits mehrfach genannte Füllkrug erzielte diesen in der Nachspielzeit, stand zuvor aber im Abseits. Wäre dies nicht der Fall gewesen, wäre ein in der Schlussphase fabelhaft aufbegehrender FCN für seine Comeback-Qualitäten mit einem Punkt belohnt worden.

Der Club hatte im Oktober 2015 also große Moral gezeigt. Ärgerlicher war im Vergleich da schon die Niederlage aus der Vorsaison. Am Ostersonntag des selben Jahres war der FCN mit dem festen Vorsatz im Leipziger WM-Stadion angetreten, den seit vier Spielen sieglosen Sachsen ein paar Eier ins Netz zu legen. Und der Osterausflug ins Rote-Bullen-Land begann vielversprechend. Guido Burgstaller und seine Mitstreiter nahmen das RB-Gehäuse früh unter Beschuss. Nach einer halben Stunde belohnte der Kärtner Chefkanonier die vehementen Angriffsanstrengungen stürmischer Nürnberger mit der Führung. Erst in der zweiten Hälfte begegnete Leipzig dem Club auf Augenhöhe. Dass es am Ende 2:1 für glückliche Sachsen hieß, hatten diese dem frühen Ausgleich nach Wiederbeginn und Dominik Kaiser zu verdanken, der im Gegensatz zu Sebastian Kerk nicht den Pfosten, sondern in der 76. Minute ins Tor traf.

Dass Auseinandersetzungen mit den vom Brause-Imperium Red Bull generös unterstützten Berufsfußballern Spaß machen können, wusste der FCN allerdings schon davor. Auch den ersten von bisher vier Direktvergleichen im Pflichtspielbetrieb entschied der Club für sich. Valerien Ismael war im Oktober 2014 noch Nürnbergs Trainer. Und hochzufrieden damit, wie sein Team die auf schnelles, vertikales Spiel ausgerichtete Vorgehensweise der Leipziger adaptierte, mit enormer Kampfkraft dagegenhielt und die Partie eine Viertelstunde vor Schluss durch eine Hochgeschwindigkeitskombination und Alessandro Schöpf für sich entschied.

Wie schön sich Siege gegen Leipzig anfühlen können, war dem geneigten Clubfan schon vorher bekannt gewesen. Im Gegensatz zu den bei vielen Fußball-Traditionalisten ungeliebten Roten Bullen, reiste der VfB Leipzig - 1903 Deutschlands erster Meister - im Oktober 1993 mit viel Geschichte in die Noris. Und verließ sie nach einer krachenden 0:5-Klatsche und einem Abend, der aus Nürnberger Sicht gewöhnlich begonnen hatte und außergewöhnlich enden sollte.

Ausnahmsweise mit Köpfchen: André Golke traf im Oktober 1993 gegen den VfB Leipzig zum 1:0.

Ausnahmsweise mit Köpfchen: André Golke traf im Oktober 1993 gegen den VfB Leipzig zum 1:0. © Stefan Hippel

André Golke, der in seiner Karriere danach kaum mehr als Kopfballungeheuer in Erscheinung treten sollte, eröffnete das fränkische Fußballfest, indem er das Spielgerät nach einer Sutter-Ecke ins Tor wuchtete. Den möglichen Ausgleich verhinderte Andi Köpke. Dieser parierte Mitte der ersten Hälfte einen Foulelfmeter von Dirk Anders, der vor dem Duell mit dem Club-Keeper zwei Jahre lang jeden Strafstoß verwandelt hatte.

Man nannte ihn "Zaubermaus"

Nürnbergs Traumtorwart war es auch, der seine Vorderleute mit weiteren Glanztaten animierte, noch vor dem Kabinengang nachzulegen. Sergio Zarate markierte nach Vorarbeit von Christian Wück den zweiten Club-Treffer. Nur drei Minuten später revanchierte sich die agile Zaubermaus bei ihrem Sturmpartner – 3:0! Nürnbergs Angriffsmaschine war heißgelaufen.

Sie sollte auch in der Pause nicht abkühlen. Mit famoser Spielfreude begeisterte der von Willi Entenmann trainierte FCN weiterhin die Zuschauer. Alain Sutter durfte sich bei Langhaar-Kollege Zarate bedanken, der dem Blonden Engel aus der Schweiz das erste Erfolgserlebnis im Club-Trikot ermöglichte.

 

Und dann ist der Trainer weg!

Die letzte Glocke beim Fünfer-Läuten gegen die Leipziger um Abwehrmann Dieter Hecking (!) war Lubos Kubik vorbehalten. Der Club-Libero gab dem bemitleidenswerten Maik Kischko im Tor der Gäste per Aufsetzer ein weiteres Mal das Nachsehen. Eine Viertelstunde später war der höchste Bundesliga-Heimsieg des FCN seit 13 Jahren amtlich - passenderweise am 13. Spieltag. Glückliche Menschen umarmten sich im Frankenstadion. Der Abstieg, der den FCN am letzten Spieltag in Dortmund ereilen sollte, war weit weg. Ebenso wie bald darauf Willi Entenmann. Obwohl der Club-Coach auch beim nächsten Heimspiel gegen die Bayern (2:0) seine Hausaufgaben exzellent erledigte, wurde er unmittelbar nach dem Coup gegen den Erzrivalen gefeuert.

 

 

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