0:2 in München! Der Club fällt in die Löwen-Grube

20.2.2017, 22:04 Uhr
Kalt erwischt: Thorsten Kirschbaum zögerte vor dem 0:1 beim Herauslaufen einen Moment zu lange. Abdoulaye Ba, Sechzigs großgewachsener Senegalese, bestrafte dies mit der Münchner Führung.

© Sportfoto Zink / DaMa Kalt erwischt: Thorsten Kirschbaum zögerte vor dem 0:1 beim Herauslaufen einen Moment zu lange. Abdoulaye Ba, Sechzigs großgewachsener Senegalese, bestrafte dies mit der Münchner Führung.

Der Chef kümmerte sich am Freitagabend mal wieder persönlich um sein Investment. Sein Risiko-Fonds namens 1860 München wirft ja seit 2011 eigentlich nur horrende Verluste ab, wovon sich Edel-Fan Hakan Ismaik, wie man hört, aber nicht beirren lassen möchte. Sein erklärtes Ziel bleibt: die Champions League.

Dafür pumpte der Hauptgesellschafter aus Jordanien in den vergangenen Wochen weitere vier bis fünf Millionen Euro in sein chronisch kriselndes Fußball-Unternehmen. Der Däne Christian Gytkjaer (Rosenborg Trondheim), der Senegalese Abdoulaye Ba (FC Porto), der Brasilianer Amilton und der Ghanaer Lumor (beide von Portimonense) standen gestern Abend, im Heimspiel gegen den personell arg geschwächten 1. FC Nürnberg, wie erwartet in der Startformation. Und haben ihre Löwen tatsächlich spürbar besser gemacht.

Hakan Ismaik habe seinen Profis am Wochenende "in die Augen geblickt", wie er auf seiner Facebook-Seite verriet. Ob er seinen Psycho-Trick nach dem 2:0-Erfolg in diesem bayerisch-fränkischen Kräftemessen zur Belohnung wiederholt hat, wird man wohl erst in den nächsten Tagen erfahren. Falls ja, dürften ihn seine Mitarbeiter überwiegend angestrahlt haben.

Erst zu zögerlich, dann zu spät unten

Im mutigsten aller Systeme, einem 3-4-3, überrannte der Abstiegskandidat seine Gäste aus dem aktuell noch gesicherten Tabellen-Mittelfeld zunächst regelrecht, profitierte vor beiden Treffern aber von ungewohnten Nachlässigkeiten. Beim 0:1 durfte der fast zwei Meter lange Verteidiger Ba praktisch unbedrängt einen Eckstoß einnicken (16.), wobei der Schlussmann im Fünfmeterraum durchaus mal energisch zum Ball gehen kann. Auch beim 0:2 (39.) sah Thorsten Kitrschbaum nicht besonders gut aus, als ihn Lumor mit einem Linksschuss aus stattlicher Entfernung im kurzen Eck überraschte.

Dass der Montagabend nahe der A9 aber zu einer schmerzhaften Lektion werden sollte für die junge Club-Delegation, hatte aber andere Gründe. Einigen schien man den Respekt vor der allerdings nicht mal zu einem Drittel gefüllten Arena anzumerken, schon nach ein paar Minuten waren auch die Löwen in die Köpfe ihrer Gegner vorgedrungen. Mit aggressiver Zweikampfführung und flotten Passstafetten, nach der frühen Gelben Karte für Dennis Lippert vorwiegend über Nürnbergs linke Seite vorgetragen, hebelten sie den leidlich unerfahrenen Defensivverbund fast nach Belieben aus.

Beim Blick auf die Gäste-Aufstellung lief es selbst routinierten Beobachtern zunächst kalt den Rücken hinunter. Neben etlichen Langzeitverletzten fielen kurzfristig auch noch Georg Margreitter (muskuläre Probleme) und Tim Matavz aus, der sich einen Magen-Darm-Virus eingefangen hat. Für den Slowenen rückte überraschend Rurik Gislason in die erste Elf, zum ersten Mal in dieser Saison und zum erst sechsten Mal in über eineinhalb Jahren Nürnberg. Sein Premieren-Tor blieb er auch am Montagabend schuldig. Da auch von der früheren Abwehrkette niemand mehr übrig ist, nominierte Alois Schwartz eben drei 20-Jährige und Even Hovland, als letzte Alternative für die zentrale Defensive saß mit Steffen Eder nur noch ein 19-Jähriger auf der Ersatzbank. In einigen Phasen sah es tatsächlich so aus, als bekämen es richtige Männer mit ein paar Knaben zu tun. Die schlimmsten Fehler unterliefen aber vorwiegend den Älteren; bereits in der 3. Minute hätte Even Hovland beinahe das 0:1 aufgelegt, Kirschbaum reagierte bei Gytkjaers Direktabnahme glänzend.

Sein Kollege Stefan Ortega auf der anderen Seite musste sich hingegen mit Dehnübungen warmhalten, so wenig hatte er zu tun. Den Vorstößen der Nürnberger fehlte es oft an der nötigen Präzision und Entschlossenheit, besonders vor der Pause klafften zwischen den Mannschaftsteilen oft beträchliche Lücken.

Nach der Pause änderte sich wenig; Sechzig schaffte mit enormer Laufbereitschaft viele Überzahlsituationen und hätte beizeiten für klare Verhältnisse sorgen können. Die größte Möglichkeit bot sich Aycicek, der sich in letzter Sekunde von Kirschbaum noch die Kugel stehlen ließ, bereits in der ersten Halbzeit hatte er einen Freistoß des Ex-Bremers gekonnt aus dem unteren Eck gefischt.

Kammerbauer macht Ortega Stress

Der Club blieb im letzten Drittel dagegen erschreckend harmlos; zwei Freistöße von Sabriri und Möhwald verfehlten ihr Ziel mehr oder weniger deutlich, Kammerbauers missglückte Flanke lenkte Ortega am linken Pfosten vorbei, ansonsten passierte vor dem Kasten der Löwen herzlich wenig. Zumindest bis in die Nachspielzeit hinein, als der eingewechselte Shawn Parker das Spielgerät nach guter Ballmitnahme handlungsschnell an den Münchner Querbalken beförderte (90. +1). Hakan Ismaik konnte oben auf der Tribüne da dennoch schon in aller Ruhe hochrechnen, wann sein Risiko-Fonds endlich Rendite abwerfen könnte.

+++ Der Live-Ticker zum Nachtrauern +++

TSV 1860 München: Ortega - Boenisch, Ba, Uduokhai - Wittek, Lumor - Lacazette, Bülow - Amilton (90. Aigner), Aycicek (75. Claasen) - Gytkjaer (70. Olic)

1. FC Nürnberg: Kirschbaum - Kammerbauer, Mühl, Hovland, Lippert - Petrak, Behrens - Kempe (62. Hufnagel), Möhwald (77. Ishak), Sabiri (62. Parker) - Gislason

Tore: 1:0 Ba (16.), 2:0 Lumor (39.) | Gelbe Karten: Ba, Amilton, Bülow - Lippert, Hovland, Möhwald | Schiedsrichter: Willenborg (Osnabrück) | Zuschauer: 24.100.

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