Club ballert sich bei Union den Frust von der Seele

29.8.2014, 20:22 Uhr
Gelungenes Debüt: Daniel Candeias erzielte in der 7. Minute das Nürnberger Führungstor.

© Sportfoto Zink / DaMa Gelungenes Debüt: Daniel Candeias erzielte in der 7. Minute das Nürnberger Führungstor.

Am 7. August 1920, da war der 1. FC Nürnberg das erste Mal in der Alten Försterei. Der SC Union Oberschöneweide war gerade Berliner Meister geworden. Sie waren stolz, dass der große Club aus Franken zu Besuch kam. Die Köpenicker, sie hatten sich zur Einweihung ihres neuen Stadions niemand geringeren als den amtierenden Deutschen Fußballmeister eingeladen. Mittlerweile intoniert Nina Hagen mit sehr viel Pathos das Stadionlied, die Nackenhaare stellen sich auf, wenn 20.000 Kehlen im vielleicht schönsten und lautesten Stadion der zweiten Liga mitsingen. Freitagabend war der 1. FC Nürnberg wieder zu Gast, zu seinem zweiten Punktspiel in der Alten Försterei.

„Sie bleiben für mich einer der Topfavoriten in der Liga“, hatte Norbert Düwel gesagt, „als gefühlter Erstligist haben sie unheimlich viel investiert und haben eine richtig starke Mannschaft.“ Der Club, er war nach Meinung des Berliner Trainers als großer Favorit angereist, wie damals, vor 94 Jahren.

Doch auf dem Feld zeigten die Berliner zunächst überhaupt keinen Respekt vor großen Namen. Keine vier Minuten waren gespielt, als Björn Jopek einen Freistoß an die Nürnberger Latte zimmerte. Jopek, das Eigengewächs, das seit Saisonbeginn die Vereinsikone Torsten Mattuschka aus der Startelf verdrängt hat.

Auch die Startelf des 1. FC Nürnberg hatte Valerien Ismael wieder umgebaut. „Beide hinterlassen einen positiven Eindruck“, hatte der Clubtrainer versprochen, „sie sind Optionen für die Startformation“. Und wirklich: Ondrej Celustka (Trabzonspor) durfte gleich rechts hinten anstelle von Pachonik verteidigen, Daniel Candeias (Benfica Lissabon) kam rechts im Fünfer-Mittelfeld zum Zuge, für ihn blieb Mlapa auf der Bank. Die einzige Spitze bildete Jakub Sylvestr, draußen ließ Ismael zudem den frisch gekürten U21-Nationalspieler, Niklas Stark, und entschied sich für Ondrej Petrak – und für die größere Erfahrung.

Doch an der Verunsicherung innerhalb der Mannschaft änderte das erst einmal gar nichts. Bis der Ball zu Candeias sprang. Robert Koch hatte das Spielgerät im Berliner Aufbauspiel gestohlen, Candeias nahm kurz Maß und schickte den Ball mit einem trockenen Rechtsschuss zum 1:0 ins Tor von überraschten Berlinern (7.).

Der tonnenschwere Rucksack auf den Schultern der Nürnberger Spieler war schlagartig um ein paar Tonnen leichter. Alessandro Schöpf hätte kurz darauf das 2:0 folgen lassen können, doch nach Vorarbeit von Sylvestr scheiterte der Kreativspieler, der sich mit Koch im Zentrum abwechselte, am stark reagierenden Torhüter Daniel Haas (23.). Berlin mühte sich um Ballkontrolle, hatte aber je näher sie dem Clubtor kamen, Probleme und immer wieder Ballverluste. Der Club biss sich auch defensiv in diese Partie hinein. Und hatte vorne rechts Daniel Candeias. In der 30. Minute flankte der starke Portugiese, der Ball flog – leicht abgefälscht – direkt auf Timo Gebharts Stirn, der am Fünfmeterraum wartete: 2:0. Dieser Rucksack, er war damit abgelegt.

Union-Coach Düwel befahl stinksauer seine Ersatzspieler zum Warmmachen, das Publikum brüllte seine Mannschaft wütend nach vorn. Doch Sören Brandy, erfolgreichster Union-Schütze der vergangenen Saison, verzog freistehend (32.). Noch einmal hatte Nürnberg Glück, als eine Hereingabe von Christopher Trimmel durch den Fünfmeterraum holperte, Celustka klärte zur Ecke (38.).

Gerade, als Düwel seine Mannschaft offensiver aufstellen wollte, lief Candeias im Mittelkreis mit Gegenspieler Martin Dausch zusammen – Schiedsrichter Frank Willenborg wertete den Ellbogenstoß als Tätlichgkeit des Berliners und zeigte ihm die Rote Karte (40.). Aus der Kabine kam der Club mit einem ganz neuen Gefühl: Selbstvertrauen. Union hingegen schwächte sich noch einmal selbst, weil Timmel nach einem bösen Foul an Petrak zurecht mit Gelb-Rot zum Duschen geschickt wurde (63).

Das Publikum sah sich trotzdem betrogen und schmiss Plastikbecher aufs Feld, auch dort unten wurde es hitzig. Patrick Rakovsky, Nürnbergs Torhüter, der noch einmal den verletzten Raphael Schäfer vertrat, verhinderte zunächst das 1:2 mit einer starken Tat gegen Brandy, dann machte der eingewechselte Peniel Mlapa mit seinem ersten Ballkontakt alles klar: 3:0 (67.).

Die Schlussphase nutzte der Club, um sich auch noch den letzten Frust der vergangenen Wochen von der Seele zu schießen: Robert Koch traf zum 4:0 (78.), ein Endergebnis, das so niemand erwartet hatte. Und das, als Frank Willenborg abpfiff, sogar weit höher ausfiel als vor 94 Jahren. Damals hatte der amtierende Deutsche Meister aus Nürnberg zwar auch gewonnen – aber nur 2:1. 

1. FC Union Berlin: Haas - Puncec, Leistner, Schönheim - Kreilach, Özbek (40. Kobylanski) - Trimmel, Kopplin - Jopek (81. Köhler), Dausch - Brandy (84. Quiring)

1. FC Nürnberg: Rakovsky - Celustka, Petrak, Pinola, Bulthuis - Mössmer, Schöpf - Candeias (79. Füllkrug), Koch (85. Evseev), Gebhart - Sylvestr (67. Mlapa)

Tore: 0:1 Candeias (7.), 0:2 Gebhart (30.), 0:3 Mlapa (67.), 0:4 Koch (78.) | Gelbe Karten: Schönheim, Leistner - Gebhart, Bulthuis | Gelb-Rote Karte: Trimmel (wiederholtes Foulspiel, 63.) | Rote Karte: Dausch (Tätlichkeit, 45.) | Schiedsrichter: Willenborg (Osnabrück) | Zuschauer: 20.500

Verwandte Themen


124 Kommentare