Martin Kaymer steigt auf den Golf-Thron

1.3.2011, 16:16 Uhr
Martin Kaymer steigt auf den Golf-Thron

© dpa

So recht kann Martin Kaymer seinen fabelhaften Durchmarsch an die Spitze der Golfwelt selbst noch nicht glauben. Wenn die neue Weltrangliste veröffentlicht wird, will der 26 Jahre alte Profi aus Mettmann „davon unbedingt ein Foto machen“. Denn das Ranking weist ihn als neue Nummer eins aus. Den Platz an der Sonne hat bislang nur ein deutscher Golfer eingenommen: Bernhard Langer im April 1986 für drei Wochen.

Den Sprung an die Spitze, den Golf-Experten schon seit einiger Zeit als logische Folge einer großartigen sportlichen Entwicklung voraussagen, schaffte Kaymer in seiner Wahlheimat Arizona. Bei der Matchplay-WM in Marana, bei der im K.-o.-System Mann gegen Mann gespielt wird, kämpfte der Deutsche im Halbfinale in einem nervenaufreibenden Spiel den Amerikaner Bubba Watson nieder. Durch den Einzug ins Finale gegen Luke Donald, das er allerdings verlor, steht  fest: Kaymer löst den Engländer Lee Westwood als Nummer eins ab, nachdem er im Januar durch seinen erneuten Sieg in Abu Dhabi zunächst Superstar Tiger Woods als Nummer zwei verdrängt hatte.

„Das Gute ist, dass ich in der kommenden Woche kein Turnier spielen muss. Vielleicht bin ich dann in der Lage, nachzuvollziehen, was mir gelungen ist“, sagte Kaymer nach dem Halbfinale von Marana, das ihn viel Energie gekostet hatte. Gegen Bubba Watson hatte er schon im Vorjahr bei der US-PGA-Championship ein legendäres Stechen gewonnen und damit seinen ersten Erfolg bei einem Major- Turnier realisiert. Es war einer von vielen gewichtigen Bausteinen seiner Karriere, die er 2010 beinahe traumwandlerisch aufeinandersetzte: Vier Siege auf der Europa Tour, ein Major-Titel, der umjubelte Erfolg mit dem europäischen Ryder-Cup-Team gegen die USA in Wales und schließlich die Top-Position im „Race to Dubai“, also der Gewinn in der europäischen Geldrangliste. Martin Kaymer war der Golfer des vergangenen Jahres, weshalb sein jüngster Coup alles andere als eine Überraschung ist.

Vermutlich wäre der eher stille junge Mann aus Mettmann nahe Düsseldorf auch ein guter Fußballer geworden, aber als Jugendlicher entschied er sich fürs Golfen, weil ein Individualsport einfach mehr seinem Naturell entspricht. Erst seit 2005 ist Kaymer Profi, schneller als er hat nur Tiger Woods den Sprung an die Spitze der Weltrangliste geschafft. Kaymer hat viel Talent, er wurde früh von seinem Vater gefördert und hat in Günther Kessler einen Trainer, der ideal zu ihm passt. Vor allem aber ist der 26-Jährige ein harter, fleißiger Arbeiter, der schnell lernt. „Ich mache selten den gleichen Fehler zweimal“, sagt er über sich selbst.

Im vergangenen September zeigte Kaymer bei einem Besuch im GC Herzogenaurach sein Können und verriet dabei auch einiges über seine Philosophie im Spiel mit dem kleinen weißen Ball. Zwei Drittel seines Trainings verwendet er auf das kurze Spiel, also auf Annäherungsschläge und das Putten auf dem Grün. „Man darf das aber alles nicht zu technisch angehen, sondern muss viel auf sein Gefühl vertrauen“, sagte Kaymer damals und schrieb den Hobby-Golfern gleich noch folgenden Satz ins Stammbuch: „Es kann nichts werden, wenn man sagt, man hasse es, das Putten zu üben. Es ist doch das Schönste an dem Spiel, den Ball einzulochen. Aber man muss das auch intensiv trainieren.“

Kaymer hat das getan. Er definiert sein Spiel eben nicht nur über kanonenartige Abschläge, obwohl er mit einer durchschnittlichen Drive-Länge von 270 Metern nicht gerade ein vorsichtiger Spieler ist. Kaymers größte Stärke ist aber, dass er in dem so komplexen Golfsport kaum eine Schwäche hat. Er ist athletisch, intelligent und mental sehr stark. Eine Mischung, die ihn prädestiniert, noch lange einer der weltbesten Golfer zu sein. Im Moment ist er der Beste. Da lohnt es sich allemal, die Weltrangliste zu fotografieren.

THOMAS SCHARRER