Mintal: "Wenn die Slowakei gewinnt, ist es ein Riesentag"

25.6.2016, 15:48 Uhr
Marek Mintal, Nürnbergs Lieblingsslowake: Welches Trikot Sohn Sebastian am Sonntag trägt, ist noch offen.

© Günter Distler Marek Mintal, Nürnbergs Lieblingsslowake: Welches Trikot Sohn Sebastian am Sonntag trägt, ist noch offen.

Ahoj, Marek Mintal, Sie spielen seit ein paar Tagen wieder Fußball!

Mintal: Ja, phantastisch, es war ein wunderbares Comeback, jetzt habe ich wieder Träume.

Klar. So ein Aufstieg in die Kreisklasse mit Victoria Erlangen, wer würde da nicht träumen. Und Sie selbst haben gegen Frauenaurach und Spardorf gleich wieder schöne Tore geschossen ...

Mintal: ... ein Traum, ich denke schon, dass jetzt noch Großes kommt.

Das Phantom wartet auf einen Anruf

Am Sonntag spielt die Slowakei im EM-Achtelfinale gegen Deutschland, das wäre doch jetzt ...

Mintal: ... kein Problem, bis Sonntag bin ich topfit. Das schaffe ich.

Hat der Nationaltrainer schon angerufen?

Mintal: Hmmmm... komisch, nein, noch nicht. Ich warte!

Weil die slowakische Mannschaft einen so besonderen Spieler, ein Torphantom wie es Marek Mintal war, gegen Deutschland brauchen könnte?

Mintal: Nein, Hansinko, jetzt im Ernst. Unsere Mannschaft hat genug Qualität, sie hat sich in den letzten zwei, drei Jahren richtig stark entwickelt, die Zusammenarbeit zwischen den Trainern und den Spielern ist sehr sehr gut. Alles basiert auf großem Respekt voreinander, jeder arbeitet total konzentriert, keiner läuft neben der Spur. Wir haben individuell gute Fußballer, aber die Kompaktheit, das Miteinander, das sind unsere Stärken.

Ein guter Vorname: Marek respräsentiert die Slowakei

Die Welt guckt jetzt vor allem auf Marek Hamsik, den Superstar von Napoli, der bisher einer der auffälligsten Spieler des Turniers ist.

Mintal: Ich bin froh, dass wir so einen Riesen-Fußballer haben, er ist der Mann bei uns, der Spiele auch einmal alleine entscheiden kann. Aber er tritt ja nicht als Superstar auf, er lebt den Mannschaftsgedanken vor, das ist sein guter Charakter. Er weiß, dass er seine Mitspieler braucht. Marek repräsentiert die Slowakei als Sportler, aber auch über seine Persönlichkeit, das ist gut für die jungen Spieler.

Die haben Sie zum Teil selbst mit ausgebildet - als Sie, im Rahmen Ihrer Ausbildung, Co-Trainer der slowakischen U 21-Junioren waren.

Mintal: Ja, das ist schön, ein paar von ihnen spielen jetzt schon bei der Europameisterschaft. Es sind richtig gute Jungs, ich freue mich für sie, dass es so schnell ging.

Was hat sich denn verändert im slowakischen Fußball? Vor sechs Jahren gelang erstmals die Qualifikation zur Weltmeisterschaft, jetzt ist es die EM-Premiere.

Mintal: Zu meiner Zeit war es oft knapp, wir waren nahe dran und hatten individuell sehr gute Spieler, vielleicht sogar etwas bessere als heute.

Ein wunderschöner Tag in Bratislava

Mit Ihnen und Ihrem Nürnberger Mitspieler Robert Vittek – ein paar Monate vor der WM 2006 hat die Slowakei Deutschland mit 2:0 düpiert.

Mintal: Ja, es war ein wunderschöner Tag in Bratislava, oder?

War es. Und Hunderte Nürnberg-Fans waren damals auch dabei.

Mintal: Genau, großartige Zeiten. Anschließend haben wir in der EMQualifikation zweimal gegen Deutschland verloren. Wir haben die entscheidenden Punkte eben nicht geholt. Natürlich musste und muss die ganze Infrastruktur noch wachsen, in vielen Bereichen ist das noch schwierig.

Dabei gibt es eine lange Fußball-Tradition mit großen Erfolgen der Tschechoslowakei, die heute allerdings meistens den Tschechen gutgeschrieben werden. Die Europameister von 1976, die das Finale gegen Deutschland gewannen, waren großteils Slowaken – ist das ein Problem?

Mintal: Ein Problem ... nein. Es ist so, es war über Jahrzehnte so, es ist vorbei, Historie. Jetzt haben wir mit den Turnierteilnahmen etwas geschafft, was unserem Fußball sehr hilft. Man kann das alles ja nicht annähernd mit Deutschland vergleichen. Wenn unser Verband jetzt ein paar Millionen Euro einnimmt, bringt uns das unheimlich weiter, unsere Fußballschulen, gerade die in den kleineren Vereinen, sind sehr auf Unterstützung angewiesen. Wir gehören zu den Verbänden, für die Uefa-Prämien eine enorme Bedeutung haben.

Die Schere zwischen Arm und Reich ist groß in Ihrer Heimat, Sie haben auch schon von den gesellschaftlichen Problemen erzählt, von unglaubwürdigen Politikern und vielen sozialen Spannungen. Kann Fußball da wenigstens ein bisschen Gutes tun? Für den Gemeinsinn?

Mintal: Jetzt erleben wir wieder Feiertage, schöne Wochen, eine großartige Stimmung. Beim Sport, beim Fußball oder beim Eishockey, sind wir alle Slowaken. Die ganze Slowakei hat jetzt Freude an diesem Turnier, und für mich ist es wunderschön zu sehen, wie viele Landsleute in Frankreich dabei sind. Aber natürlich ist so etwas schnell wieder vergessen, wenn es vorbei ist, das ist in vielen Ländern so – das Leben geht weiter. Fußball ist ein wunderschönes Gemeinschaftserlebnis, aber man darf nicht zu viel davon erwarten. Ich freue mich jetzt auf das Spiel gegen Deutschland.

"Ich liebe mein Land" - Jugendliche Trikotfrage 

Zu wem halten Sie denn? Zu Ihrer ersten oder zur zweiten Heimat?

Mintal: Ich wünsche mir vor allem, dass es ein gutes Fußballspiel wird. Von beiden. Aber ich bin dann schon für die Slowakei, ich liebe mein Land und habe so eine wunderschöne Zeit in der Nationalmannschaft gehabt. Das ist, glaube ich, für jeden Fußballer etwas ganz Besonderes.

Mintal:

© Langer

Und Ihre beiden Söhne? Jakub und Sebastian sind ja gebürtige Nürnberger ...

Mintal: Ja, das ist eine lustige Frage. Ich bin echt gespannt, was für Trikots sie anhaben am Sonntag.

Und was ist mit Sarah?

Der Papa hat nicht vorgesorgt?

Mintal: Doch, klar, die Jungs haben viele slowakische Trikots von mir, die aus vielen Länderspielen, und die tragen sie auch gerne. Aber am Sonntag? Vielleicht doch Deutschland? Ich lasse mich überraschen! Und ich kann dir noch schnell von Sarah erzählen, wenn du willst.

Der kleinen Tochter – klar, gern ...

Mintal: ... das war auch lustig. Sie ist jetzt zweieinhalb, und letzte Woche, echt wahr, als Deutschland spielte, hat sie auf einmal komplett alles an: Deutschland-Stutzen, Trikot, Hose – und Deutschland, Deutschland hat sie ganz vergnügt gerufen.

Mintal:

© dpa

FCN, FCN!

Ein Nürnberger Mädchen!

Mintal: Genau. FCN, FCN – das hat sie auch schon geübt, als die Relegationsspiele waren. Jetzt schau’n wir mal, wie das am Sonntag aussieht.

Ein Sieg gegen Deutschland – ist das vorstellbar?

Mintal: Warum nicht! Alles ist möglich. Wie gesagt, ich wünsche mir ein gutes Spiel. Wenn die Slowakei gewinnt, ist es ein Riesentag für unsere Fußballgeschichte.

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