Ohne Katsche klappt's nicht: Atletico malträtiert München

28.4.2016, 10:42 Uhr
Ohne Katsche klappt's nicht: Atletico malträtiert München

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Sie wollten ihn am liebsten als Glücksbringer mit nach Madrid nehmen. Einfach einpacken, den Mann, dessen Name bei den Menschen, die es mit Atletico Madrid halten, noch immer Schweißausbrüche auslöst. 42 Jahre ist es her, da gaben sie in den letzten Minuten der Verlängerung des Finals von Brüssel Georg Schwarzenbeck den Ball. Der, den sie alle nur Katsche nennen, schoss ihn aus 30 Metern ins Tor und hinterließ damit für immer eine tiefe Narbe in den Herzen der Rojiblancos, der Rot-Weißen.

 

Ein Wiederholungsspiel später war der FC Bayern München erstmals Europapokalsieger, von da an trennten sich auf extreme Weise die Wege beider Klubs: Bis heute konnte Atletico den großen Henkeltopf nie in die spanische Hauptstadt holen, immer nur das verhasste Real, das 2014 Atletico ein weiteres Kapitel dieser grausamen Geschichte des ewigen Scheiterns hinzufügte, in der Nachspielzeit des Finals von Lissabon. Ob diese Tragik auch das Jahr 2016 überdauern wird, entscheidet sich in diesen Wochen. Der FC Bayern war gestern zum letzten Europapokalspiel im Estadio Vicente Calderon zu Gast, einem an solch großen Abenden höllisch lauten Betonklotz am Ufer des Flusses Manzanares. Atletico baut gerade eine moderne Arena am anderen Ende der Stadt und konnte sich mit einem knappen 1:0-Sieg über den deutschen Meister verabschieden.

 

"Sie sind besser als wir", hatte Mittelfeldspieler Gabi vor dem Halbfinalhinspiel gesagt, "aber wir haben die größere Leidenschaft." Mit dieser gelang es Atletico von Beginn an vor 52.127 im Vicente Calderon den FC Bayern gehörig zu beeindrucken. Keine acht Minuten waren gespielt, da hatte Madrid schon dreimal aufs Tor von Manuel Neuer geschossen, der infernalische Lärm, den die Madrider Fans veranstalteten, ließ die Tribünen wackeln. Nach elf Minuten führte Atletico mit 1:0, Saul Niguez hatte mit Thiago Alcantara, Juan Bernat und Xabi Alonso, der als Ex- Real-Spieler sehr leidenschaftlich ausgepfiffen wurde, gleich drei Münchner wie Schulbuben ausgetanzt.

Der FC Bayern brauchte lange, um in die Partie zu finden. Erst als sich die Gastgeber nach ihrem Treffer weit zurückzogen, bekam München mehr Ballsicherheit, wenngleich die Offensive bis zur Pause harmlos blieb. Pep Guardiola, der Bayern-Trainer, hatte Thomas Müller und Franck Ribery nur auf der Bank gelassen, Jerome Boateng stand doch nicht im Kader. Alonso und Thiago sollten die Zentrale stärken, die Konter unterbinden, doch diese Idee ging zunächst nicht auf. Gefährlich blieb Atletico, einmal klärte Manuel Neuer im letzten Moment noch mit dem Fuß gegen Antoine Griezmann (30.), dann hatte Martinez Glück, dass er eine Koke-Flanke nur ans Außennetz abfälschte (44.).

Jeder in der Mannschaft "müsse ein bisschen Vidal sein", hatte Kaderplaner Michael Reschke der Süddeutschen Zeitung gesagt, kampfeslustig, aggressiv, wild. Bis zur Pause war nicht einmal Vidal selbst Vidal gewesen. Die Bayern benötigten einen Geistesblitz auf dem Rasen, so wie Alabas Fernschuss, der nach 55 Minuten ans Lattenkreuz klatschte, oder Lewandowskis Kopfball zwei Minuten später, den Torwart Oblak hielt. Im weiten Rund wurde es immer stiller, Bayern immer stärker. Guardiola brachte Müller und Ribery und damit noch mehr Offensivdruck. Vidal scheiterte mit einem Strammen Schuss (74.), dann ging es plötzlich wieder in die andere Richtung: Fernando Torres hatte die Entscheidung auf dem Fuß, traf aber nur den Pfosten (76.).

Torres trifft den Pfosten

Es entwickelte sich das erwartete Spiel: München griff an, Atletico verteidigte. In sieben von zehn Champions-League-Partien vorher waren die Spanier ohne Gegentor geblieben, doch sie wackelten, weil der FC Bayern jetzt auch kämpferisch dagegenhielt. Doch ein Treffer gelang nicht mehr. Vielleicht hätten sie doch einfach Katsche Schwarzenbeck überreden sollen mitzukommen. Der heute 68- Jährige, der "das vielleicht wichtigste Tor in 116 Jahren FC Bayern" erzielt hatte, wie Vorstandsvorsitzender Karl-Heinz Rummenigge anmerkte, wollte das Halbfinalspiel in Ruhe in München-Harlaching im Fernseher verfolgen. So wie immer, wie er ausrichten ließ, auf dem Sofa bei einem Weißbier.

Madrid: Oblak; Juanfran, Gimenez, Savic, Filipe Luis - Gabi, Fernandez - Saul (85. Thomas), Koke - Griezmann, Torres.

München: Neuer; Lahm, Martinez, Alaba, Bernat (77. Benatia) - Alonso - Thiago (70. Thomas Müller), Vidal - Costa, Coman (64. Ribery) - Lewandowski.

Schiedsrichter: Clattenburg (England). – Tor: 1:0 Saul (11.). – Zuschauer: 52. 127. – Gelbe Karten: Saul (2) - Costa (2), Benatia, Neuer, Vidal (3)

 

 

 

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