Penalty-Krimi! Deutschland steht im WM-Viertelfinale

16.5.2017, 23:12 Uhr
Penalty-Krimi! Deutschland steht im WM-Viertelfinale

© dpa

Ein Kölner schießt Deutschland in Köln ins Viertelfinale. Die Belohnung für das 4:3 (0:0, 2:1, 1:2, 0:0, 1:0) nach dem erfolgreichen Penalty von Frederik Tiffels gegen Lettland ist am Donnerstag (20:15 Uhr/Sport1) ein Aufeinandertreffen mit Kanada, dem Titelverteidiger und 26-maligen Weltmeister.

In der Schweiz heißt es, dass Bob Hartley "nur mit einem Dauerrezept für Antidepressiva" zu ertragen ist. Der Blick behauptete sogar, dass die Spieler des Zürcher Schlittschuhclubs nur aus Angst vor dem kanadischen Trainer Meister geworden sind. Wie auch immer, Erfolg hatte Hartley überall, er war Calder Cup-Sieger, Stanley Cup-Sieger mit den Colorado Avalanche (2001), NHL-Trainer des Jahres (2015). Nur die lettische Eishockey-Nationalmannschaft zum ersten Mal seit acht Jahren wieder in das Viertelfinale einer Weltmeisterschaft zu führen, das hat Hartley am Dienstagabend nicht geschafft.

Ein Amateur schießt Deutschland ins Viertelfinale

Seine Mannschaft hatte den Gastgeber dieser stimmungsvollen WM lange geärgert, sie war 33 Sekunden davon entfernt, sich für die bittere Niederlage beim Olympia-Qualifikationsturnier in Riga zu revanchieren – dann schickte Felix Schütz das Spiel vor 18.797 Zuschauern in der ausverkauften Lanxess Arena in die Verlängerung. Torhüter Philipp Grauber rettete das Penaltyschießen, dann gegen drei lettische Schützen und gab dem jungen Kölner Wirtschaftsstudenten Frederik Tiffels die Möglichkeit, zum Helden zu werden. Tiffels lief an, schoss – und traf zum 4:3.

Marco Sturm hatte sich zuvor schon mit Bob Hartley angelegt – ohne dem Kanadier zu begegnen. Eineinhalb Stunden vor dem ersten Bully müssen die Trainer die Aufstellungen abgeben und Sturm überraschte mit völlig neu zusammengestellten Reihen. Natürlich war das nur ein Spielchen, denn auch die Letten spielten danach nicht in der Aufstellung, die Hartley abgegeben hatte. Eine Pointe aber hatte sich der Bundestrainer noch aufgehoben, denn tatsächlich hatte er im Angriff umgestellt und zwar komplett. Die Nürnberger Yasin Ehliz und Patrick Reimer durften natürlich trotzdem wieder zusammen aufs Eis, allerdings bekamen sie den spielstarken Mittelstürmer, der ihnen der junge Frederik Tiffels bislang nicht hatte sein können.

Mit einem NHL-Star in der Reihe

Sie bekamen den wahrscheinlich besten Spieler in der Geschichte des deutschen Eishockeys. Sie bekamen Leon Draisaitl. Ehliz und Reimer waren dann auch die auffälligsten Spieler eines starken deutschen Auftaktdrittels, allerdings zunächst noch ohne von den genauen Anspielen Draisaitls zu profitieren. Immer wieder war es Reimer, der Elvis Merzlikins mit harten Schüssen prüfte.

Als Ehliz zu genau zielte, war der extrovertierte lettische Torhüter machtlos, der Puck aber schlug hinter ihm auf dem Gestänge auf. Trotzdem: Nach den besten 20 Minuten der deutschen Mannschaft in Köln stand es 0:0. Nach dem ersten Seitenwechsel wurde Hartleys Team aktiver, aber wieder war es Reimer, der nach einem herrlichen Tic-Tac-Toe über Ehliz und Draisaitl alleine vor Merzlikins auftauchte. Mit seiner Direktabnahme aber traf er nur das Außennetz.

Dramatisch bis zum Schluss

Den erlösenden deutschen Treffer bereitete Reimer vor, via Christian Ehrhoff gelangte die Scheibe zu David Wolf, der sie zwischen Merzlikins‘ Fanghandschuh und dem Pfosten über die Linie drückte (32.). Keine 90 Sekunden später schloss Verteidiger Dennis Seidenberg einen Konter ab, den er selbst mit einem Check eingeleitet hatte (33.). Auf der Bank musste danach Danny aus den Birken erkennen, warum Sturm nicht ihn, sondern Philipp Grubauer ins Tor gestellt hatte. Der Rosenheimer war nach dem Playoffaus seiner Washington Capitals am Samstag in Köln angekommen – kurz nach Draisaitl, und überzeugte von der ersten Sekunde an mit sehr aktiven Torhüterspiel, vor allem mit beeindruckender Ruhe. Als er den Puck während eines lettischen Power-Plays mit der Spitze seiner Kelle aus der Luft fischte, sorgte er für die spektakulärste Szene des Spiels.

Vergleichsweise langweilig: Gunars Skvorcovs Anschlusstreffer für Lettland nach einem leichten Puckverlust im Mitteldrittel (39.). Lettland aber war in diesem Dienstag nicht angetreten, um schön Eishockey zu spielen. Unter Hartley hat diese einst ausschließlich für Kunst bekannte Mannschaft einen völlig neuen Stil entwickelt, exemplarisch war der Ausgleichstreffer, als der 35 Jahre alte Janis Sprukts den Puck unter Grubauer hindurch ins Tor arbeitete (49.). Ehrhoff leistete sich danach noch ein dummes Foul, das Power-Play nutzte Andris Dzerins zum 2:3 – genauso wie in Riga, nur andersherum.

So aber konnte dieses Turnier für diese zumindest leidenschaftlich kämpfende Mannschaft nicht enden, dachten sich der künftige Kölner Schütz und der gebürtige Kölner Tiffels. Dominik Kahun und Draisaitl hatten nicht getroffen, Grubauer alle lettischen Penaltys vereitelt – da lief Tiffels an. Der Rest ist Geschichte.

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