Pokalheld Kristiansen: Nach zwei Bier zur Dopingprobe

25.5.2017, 11:48 Uhr
Pokalheld Kristiansen: Nach zwei Bier zur Dopingprobe

© Sportfoto Zink

Als Jan Kristiansen in der 109. Minute des Finales von Berlin aus 28 Metern halblinker Position plötzlich zum Schuss ansetzt, verdrehen nicht wenige im Stadion die Augen. Schließlich war der nette Däne beim 1. FC Nürnberg bis dato nicht gerade als Torjäger aufgefallen. Einen Wimpernschlag später hat Kristiansen seinen Platz in den Club-Annalen sicher. Die NZ plauderte mit dem heute 35-Jährigen noch einmal über den wohl denkwürdigsten Moment seines Fußballerlebens.

Hallo Herr Kristiansen! Sie haben Ihre Profikarriere 2016 beim Zweitligisten FC Roskilde beendet. Was macht Nürnbergs Pokalheld denn heute so?

Jan Kristiansen: Ich arbeite als Immobilienmakler in Kopenhagen. Das ist etwas völlig anderes, macht aber auch Spaß. Außerdem haben wir im August 2016 eine Tochter bekommen, es gibt also jetzt auch noch etwas anderes im Leben als Fußball – auch wenn ich das Training und die Spiele manchmal schon etwas vermisse.

Wie oft träumen Sie denn von jener 109. Minute im Olympiastadion?

Kristiansen: Davon träumen würde ich nicht sagen, aber natürlich erinnere ich mich oft daran, auch weil mich immer noch viele Menschen darauf ansprechen. Aber nicht nur das Tor, der ganze Abend und der Tag danach waren einfach unglaublich.

Wissen Sie noch, was Ihnen vor diesem Wahnsinnsschuss durch den Kopf gegangen ist?

Kristiansen: Ich hatte mich ein bisschen allein gefühlt da vorne, eigentlich blieben mir gar nicht so viele andere Möglichkeiten, als zu schießen. Dann hab ich kurz überlegt und gedacht: Jetzt versuchen wir’s einfach mal und schauen was passiert. Und es hat gepasst! Zu sehen,wie der Ball unter die Latte ging, war unglaublich. Wenn ich jetzt davon erzähle, bekomme ich gleich wieder Gänsehaut.

Trainer Hans Meyer, hatte Sie in gewohnt süffisanter Art ja auch extra darauf hingewiesen, dass es nicht verboten sei, mal ein Tor zu schießen.

Kristiansen: Ja, so etwas in der Art hat er gesagt. Ich war nämlich kurz vor der Halbzeitpause schon bei einer großen Chance an Hildebrand gescheitert. Da war ich der Mannschaft einfach noch was schuldig. Ich wusste, dass ich ein Tor schießen muss. Und plötzlich hat es dann geklappt.

Es sollte in insgesamt zweieinhalb Jahren Ihr einziges Tor für den Club bleiben. Würden Sie es lieber eintauschen gegen zehn oder 15 andere?

Kristiansen: Niemals, denn dieses Tor steht für ewig. Weil es so wichtig war – nicht nur für mich, sondern vor allem für den Verein, die Fans und die ganze Stadt.

Zu viel Bier, zu wenig Schlaf

Die Bilder, wie die Club-Profis am nächsten Morgen in Berlin ins Flugzeug wanken, die verkaterten Gesichter hinter Sonnenbrillen versteckt, zeugen von einer langen Partynacht. Wie viele Aspirin mussten Sie schlucken?

Kristiansen: Tomas Galasek und ich mussten damals zur Dopingprobe und haben da schon zwei, drei Bier getrunken. Ich war dann voll müde und bin nach dem Bankett gar nicht mehr in die Disco, sondern mit meiner Freundin aufs Hotelzimmer. Ich musste am nächsten Abend ja auch gleich weiter nach Dänemark zur Nationalelf. Ein bisschen gefeiert habe ich schon, aber es war nicht so wild.

Was war eigentlich das Erfolgsgeheimnis dieser Elf? Immerhin war der Pokalsieg ja kein Zufallsprodukt, auch in der Liga landete man auf einem starken sechsten Platz.

Kristiansen: Wir hatten damals viele verschiedene Nationalitäten in der Mannschaft, aber trotzdem einen super Zusammenhalt, auch in schlechteren Zeiten. Außerdem war jeder bereit, hart zu arbeiten. Und unser Trainer konnte extrem gut motivieren, wir haben immer Vollgas gegeben.

Daumen drücken für den FCN

Stimmt es Sie nicht auch ein bisschen traurig, dass der Club zehn Jahre später nur noch im Mittelmaß der 2. Liga herumdümpelt?

Kristiansen: Ich habe immer verfolgt, was Nürnberg macht und letztes Jahr auch die Relegation gesehen – gegen Frankfurt war das, oder? Manchmal läuft es im Fußball eben so. Aber ich bin hundertprozentig überzeugt, dass der Club bald wieder in der Bundesliga spielt, da gehört er einfach hin. Ich drücke jedenfalls die Daumen.

Jahrelang hat man im Club-Museum sehnsüchtig auf Ihren rechten Schuh gewartet. Jetzt ziert er endlich die Pokalsieg-Vitrine. Ist Ihnen die Trennung schwergefallen?

Kristiansen: Adidas hat den Schuh damals vergoldet, er stand bei mir im Arbeitszimmer, zusammen mit der Pokalmedaille und der Plakette für das Tor des Monats. Aber ich habe mit Katharina (Fritsch, Leiterin Unternehmenskommunikation & CSR, Anm. d. Red.) gesprochen, und natürlich gehört dieser Schuh in das Museum!

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