Regina Schleicher: Kein letzter Sieg zum Abschied

14.9.2009, 00:00 Uhr
Regina Schleicher: Kein letzter Sieg zum Abschied

© Daut

Die Weltmeisterin von 2005, sie wird fehlen. Und sie fehlte auch gestern der Equipe Nürnberger Versicherung. «Ich mag den Kurs – wenn ich gute Sprinterinnen dabei habe», hatte Sportchef Jochen Dornbusch vor dem Weltcup-Finale in Nürnberg gesagt. Dieses Jahr mochte er ihn ergo nicht. Die Schnellkraft der Niederländerin Suzanne de Goede war rätselhaft verpufft, Schleicher konnte nach einem schweren Sturz im vergangenen Jahr die Bremse im Kopf nicht mehr lösen. Beide haben im neuen Team keinen Platz, die Marktheidenfelderin hört auf, de Goede muss weichen für Angela Brodtka. Die hat, so Dornbuschs Eindruck, schnellere Beine.

Gelangweilt von der Monotonie

Die Hatz über die 130 Kilometer selbst lief so vorhersehbar wie der Sonntagsgottesdienst in der Kirche. «Es war schade für das Rennen», sagte Charlotte Becker hinterher fast entschuldigend, dabei sorgte die blonde Equipe-Fahrerin für die wenigen Störmomente, die einen kurz aufhorchen ließen. Nach fünf, sechs Runden im gemächlichen Stadtrundfahrt-Tempo schien sogar das Feld kurz bereit, die Monotonie zu durchbrechen. Es wurde unruhiger, doch die Teams mit den besten Sprinterinnen wachten eifersüchtig wie eine Katze, die mit der Maus spielt, dass ihnen keine Gruppe entwischte.

«Schwer war’s», meinte Becker, die mit ihren Teamkolleginnen Trixi Worrack, Eva Lutz, Amber Neben, Marlen Jöhrend und de Goede fleißig, aber auch etwas unökonomisch ackerte, «letztlich können wir nicht alles allein machen, eigentlich hatten wir ein bisschen gehofft, dass auch andere Teams aktiver sind». Doch die anderen Teams schienen sich zu sagen: Nürnberg ist ein Sprinterkurs – bloß nicht das Gegenteil beweisen.

Sie rauschten aufs Ziel zu

So formierten sich in der letzten Runde die einzelnen Züge, hier fand sich Cervélo, dort das Team Columbia, Becker forcierte für de Goede, und irgendwie mogelte sich noch die Australierin Rochelle Gilmore dazwischen. So rauschten sie aufs Ziel zu, und Cervélo-Fahrerin Kirsten Wild schien mit am meisten überrascht, dass weder Gilmore noch Ina-Yoko Teutenberg die Niederländerin einzuholen vermochten. «Das ist mein erster Weltcup-Sieg», sagte die 26-jährige Siegerin (3:13:06 Stunden) fröhlich, und jede einzelne Sommersprosse in ihrem runden Gesicht schien mitzulachen.

Gleich zweimal erklang die niederländische Nationalhymne, denn Marianne Vos (6.) verteidigte ihre knappe Führung im Gesamtweltcup vor der Schwedin Emma Johansson (13.). Bereits vor zwei Jahren war sie in Nürnberg ins blau-weiße UCI-Trikot geschlüpft, der Sieg damals, sagt Vos, war ihr viel wert, weil sie ihn erst im letzten Rennen erkämpfte, «aber dieses Jahr musste ich das Trikot verteidigen, das war auch nicht leicht.»

«Ich bin froh, mich so entschieden zu haben»

Vor zwei Jahren hatte Vos vom DSB-Bank-Team Nicole Cooke den Gesamtsieg entrissen, die Britin rächte sich, indem sie auf der Straße Olympiasiegerin und Weltmeisterin wurde. In Nürnberg fehlte sie, trotzdem war sie irgendwie präsent, denn es verdichten sich die Anzeichen, dass die Waliserin im kommenden Jahr für das Nürnberger Team startet, das kein Abschiedsgeschenk für den scheidenden Sponsor bereithielt. De Goedes fünfter Platz - nun ja, «nicht richtig schlecht» nannte ihn eine Equipe-Fahrerin. Mit anderen Worten: viel zu wenig für das drittbeste Frauen-Team der Welt.

Eine, die weiß, wie man das Rennen in Nürnberg trotz des Drucks gewinnt, prangte am Sonntag riesengroß auf den überdimensionalen Plakaten - und stand fast ein bisschen versteckt im Zielbereich. Vor zwei Jahren lauschte Regina Schleicher blumengeschmückt auf dem Podium der deutschen Hymne, gestern lieferten sich in ihrem Herzen Wehmut und Erleichterung einen ungleichen Schluss-Sprint: «Ich bin froh, mich so entschieden zu haben», sagte die letzte EquipeSiegerin von Nürnberg. Die Tränen kamen erst später.