Schwaig: "Großartig, wie sich das entwickelt hat"

27.1.2015, 16:28 Uhr
Schwaig:

© Foto: Zink

Marko Knauer lächelt gerne und oft, er ist auf eine sehr angenehme Art extrovertiert. Man kann das kaum übersehen. Knauer misst 2,05 Meter. In diesem Moment am späten Samstagabend aber schrumpft er auf die Größe eines vielleicht zwölf Jahre alten Mädchens. Er selbst hatte mit einem Aprilscherz gerechnet, Ende Januar. Aber seine Mitspieler um ihn herum rollen Werbebanden ein, niemand achtet auf ihn, niemand kämpft damit, prustendes Lachen zu unterdrücken. Es ist alles wie immer nach Zweitligaheimspielen des SV Schwaig.

Es kommt also zu einer zaghaften Annäherung und für eine kurze Zeit kann man nicht erkennen, wer schüchterner ist, der baumlange Mittelblocker oder sein unsicher lächelnder Fan. Eine kurze Begrüßung, das Mädchen klammert sich an das Trikot mit der Nummer sieben, das Knauer am Donnerstag im Training unterschrieben hat. Einen Scherz seiner Mitspieler hatte er da noch nicht ausschließen wollen. Aber nun stehen sie zusammen in der Hans-Simon-Halle am Mittelbügweg und lächeln in die Kamera des Vaters und Marko Knauer wächst mit jedem Klicken wieder seiner eigentlichen Größe entgegen. Er versucht dann noch zu erklären, warum sie zuvor der TG Rüsselsheim gar so chancenlos unterlegen waren, das Mädchen blickt glücklich hinauf auf 2,05 Meter, am Ende wird abgeklatscht.

Schönes Wimmelbild

Ali Migutsch hätte große Freude an diesem Szenario. Ein Sponsor ergreift das Mikrofon, er will der Mannschaft etwas schenken, Freundinnen trösten Verlierer, Sieger grinsen breit, Kronkorken fliegen von Bierflaschen, Marko Knauer posiert mit seinem Fan, der Berichterstatter wartet geduldig auf ein Interview, Spieler machen sich daran, das Netz abzubauen und mitten in diesem Wimmelbild steht Hans-Peter Ehrbar und weist die Spieler an, das Netz diesmal doch bitte stehen zu lassen. Das alles ist Zweitliga-Volleyball in Schwaig. Und so soll es bleiben.

Die Mannschaft hätte an diesem Abend Tabellenführer werden können, stattdessen hat sie 0:3 verloren, gegen den einzigen Verein in der Südstaffel, der sich vorstellen kann, das Wagnis Aufstieg strukturell, finanziell und sportlich anzugehen. Dem Gastgeber fehlten Christian Schwabe, der Kapitän, und Mirko Schneider, der Zusteller. Ob es mit den beiden Verletzten zu einem Sieg gereicht hätte, darf man bezweifeln, die TG Rüsselsheim wirkte an diesem Samstagabend wie eine Mannschaft, die am Ende der Saison das sportliche Optimum definieren wird. In Schwaig scheint man das anerkennen zu können, selbst Anto Juric, der ehrgeizige Trainer, wirkt nicht unzufrieden. Nur Yannick Klement wirkt, als hätte ihm jemand verraten, dass das mit dem Christkind ein eher umstrittenes Modell ist. Er könnte die Frage nach der Motivation wahrscheinlich bestens beantworten, der wuchtige Außenangreifer sieht allerdings nicht so aus, als wolle er angesprochen werden. Daneben aber grinst Marko Knauer.

Die Antwort auf die Motivationsfrage

Herr Knauer, woher nimmt die Mannschaft des SV Schwaig im Aufstiegsrennen die Motivation, wo sie doch schon seit Saisonbeginn weiß, dass sie nicht wird aufsteigen dürfen? Marko Knauer: „Die Motivation ist, uns längerfristig zu verbessern. Abgesehen von Friedrichshafen stellen wir mit Grafing das jüngste Team der Liga und spielen beinahe jedes Wochenende gegen Mannschaften mit ehemaligen Erstliga-Spielern, das ist absolut Motivation genug. Wir bauen gerade was auf, was über mehrere Saisons Bestand hat.“ Das klingt nach einer Selbstverständlichkeit im organisierten, semiprofessionellen Mannschaftssport, das ist es aber nicht. Noch nicht einmal in der höchsten Spielklasse. Nach einem Lizenzentzug wird auch in diesem Frühjahr kein Team aus der Bundesliga absteigen. Im Vorjahr war es nicht anders. Das allein erklärt den Mangel an Bereitschaft, in diese Liga aufzusteigen. Seit 1. November ist bekannt, dass im Süden allein Rüsselsheim die Vorlizensierung bei der Volleyballliga (VBL) finanziert hat. Schwaig war zu diesem Zeitpunkt Sechster, aber selbst als Erster hätte man die nötigen Unterlagen nicht nach Berlin in die DVL-Zentrale geschickt.

Hans-Peter Ehrbar ist in Schwaig der Mann, der immer wieder erklären muss, warum sich auch nur der Gedanke an einen möglichen Aufstieg trotz des Erfolgs der jungen Mannschaft verbietet. Der Abteilungsleiter holt noch einmal Luft, den Text kann er auswendig, der Vortrag dauert nur ein wenig länger: „Die DVL verlangt einen nachgewiesenen Etat von mindestens 200 000 Euro, weil sie sagen, darunter ist es nicht machbar. Eine Chance hat man aber erst ab 300 000 Euro. Mit 200 000 Euro steigt man wieder ab. Und sie wollen eine Perspektive für eine erstligataugliche Halle, das heißt nicht, dass man eine haben muss, sondern sie wollen eine Perspektive dafür sehen. Das wiederum heißt: zwei Meter höher, Gegentribüne, eine Kapazität von mindestens 1000 Zuschauern.“ Der SV Schwaig müsste seinen Etat, für dessen Finanzierung Ehrbar und Thomas Lappe, der stellvertretende Abteilungsleiter, und viele mehr über Jahre hart gearbeitet haben, vervierfachen. „Wir können nicht davon ausgehen, dass aus 14 Partnern 56 werden. Wir können aber auch nicht davon ausgehen, dass unsere 14 Partner ihr Engagement vervierfachen.“ Als der SV Schwaig vor Jahren zum ersten Mal in die zweite Liga aufgestiegen war, dachte Ehrbar noch, dass jetzt alles einfacher werde. „Das kannst vergessen. Es wird nicht mehr einfacher.“

Lieber Erlangen als Bielefeld

Schwaig wird also nicht aufsteigen und trotzdem erlaubt sich Ehrbar, von der Zweitliga-Meisterschaft zu träumen. „Wenn ich Spieler anspreche, die wir hierherholen wollen, dann habe ich bessere Chancen, dass die sagen, dann fange ich fange eben in Erlangen das Studieren an und doch nicht in Bielefeld. Und vielleicht ist da der eine oder andere Sponsor, dem unsere Entwicklung gefällt, der sieht, dass da eine Mannschaft mit Spaß und Empathie spielt und die den Kontakt zu ihrem Publikum nie verlieren wird.“ Ehrbar strahlt. „Das sind so Dinge, die dann passieren können.“

Am Mittelbügweg hofft niemand mehr darauf, dass ein Schmuckunternehmer seine Liebe zum Volleyball entdeckt. Immer höher, immer mehr, immer erfolgreicher — das will man hier nicht, zumindest nicht um jeden Preis. Immer sympathischer, damit könnte man sich wohl anfreunden. Trotzdem hat man sich weiterentwickelt, sogar rasant, sagt einer, der die nötige Distanz hatte, um das beurteilen zu können. Marko Knauer war ein Jahrzehnt lang als Spieler auf der falschen Seite des Netzes gestanden, der 32-Jährige ist erst im Sommer nach Schwaig. „Es ist wirklich großartig, wie sich das hier entwickelt hat. Die Zuschauer, das Engagement, es ist wirklich schön, jetzt ein Teil davon zu sein.“ Und künftig trägt ein Mädchen nicht noch ein Schweinsteiger-Trikot, sondern sein Trikot mit seiner Nummer und mit seinem Namen. „Ja, ist das nicht unglaublich?“

Das ist es, eine Premiere aber ist es nicht. In der vorigen Saison, der ersten nach dem Wiederaufstieg, hatte Ehrbar bereits fünf Fantrikots bestellen dürfen, in der aktuellen Saison sind es jetzt drei. Der Abteilungsleiter wartet allerdings gerne ab. „Wenn einer kommt und sagt, ich will eines haben, dann macht das keinen Sinn. Erst ab einer Bestellung von zwei Trikots bekommen wir einen besseren Preis.“

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